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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V. De prudentia
diesen haben auch die Venetianer und Nürnberger collectas, so nach
dem Vermögen eingerichtet sind. Ich halte viel von Vermögen-
Steuren. Uber die Reichen gehet es da freylich her, hat einer viel im
Vermögen, so muß er auch viel geben. Aber was lieget daran, siehet
man es nach der aequite an, so kan ein Reicher wohl mehr geben als
ein anderer, der arm ist, warum sollen denn die Armen allein geben.
Drum ist auch der Law hierauf gefallen, welcher saget: Nach dem Ver-
mögen müsten die intraden eingerichtet werden. Es könnte seyn, daß
sich nach dreyßig viertzig Jahren in diesem systemate ein vitium fände,
daher thut man nicht wohl, daß man den menu peuple gantz entwehnt,
etwas zu geben von denen fonds, sondern man muß sie immer was we-
niges geben lassen. In Venedig, da man diesen modum hat, entstehet
deßwegen kein Tumult. Ich weiß in Venedig fast keinen Tumult, so
lange die Aristocratische Regierung gewesen; da hergegen in Neapolis
zwey und dreyßig revolten gewesen, alle wegen der imposten, und in
Rom selbst, wo der Vicarius Jesu Christi ist, sind deßwegen tumultus
entstanden. Man denckt, Carolus I. in Engeland habe plane ex aliis
causis
den Kopff verlohren, aber wenn man es recht consideriret, so ist
es hauptsächlich wegen der imposten geschehen. In Venedig lebt man
commode, und die Leute geben alles gerne. Kömmt eine Noth, so
wird mehr aufgelegt, aber da sehen die Leute, wo das Geld hinkömmt.
Auf einem point kan man freylich das Vermögen nicht heraus bringen,
unterdessen, wenn die Venetianer es anlegen, so wird erst ausgerechnet,
was vor eine proportion solle gehalten werden, alsdenn lassen sie die
Leute kommen, und sagen denenselben vor, wie das Vermögen taxiret
ist; Ist nun dieses geschehen, so müssen alle schwören, daß sie wollten
alles richtig abtragen. Von allen müssen sie geben, e. g. von ihren
fonds, von ihrem Gelde, von ihrem Silber-Geschirr. Drum leidet
man nicht gerne, daß die Leute so viel Silber-Geschirr haben, weil bes-
ser, wenn Geld daraus geschlagen wird, das rouilliret. Dicis: Es hin-
dert den credit, wenn man weiß, was Unterthanen im Vermögen ha-
ben? Respond. Wenn man es so machet, wie die Venetianer und
Nürnberger, so erfähret man nicht, was der andere im Vermögen hat,
welches recht künstlich ist. Gesetzt, es hat einer hundert tausend Thaler
im Vermögen, er soll fünff hundert Steuren geben, so gehet er hin an
einem andern Ort, welchen man in Nürnberg die Schau nennt; Es ist
dieses ein Ort, wo man kan die Müntze probiren, item wenn einer fremd
Geld hat, und er kan es nicht ausgeben, so geben sie ihm gangbar Geld
davor, denn da sind experimentirte Leute, welche die Müntzen wohl ver-

stehen.

Cap. V. De prudentia
dieſen haben auch die Venetianer und Nuͤrnberger collectas, ſo nach
dem Vermoͤgen eingerichtet ſind. Ich halte viel von Vermoͤgen-
Steuren. Uber die Reichen gehet es da freylich her, hat einer viel im
Vermoͤgen, ſo muß er auch viel geben. Aber was lieget daran, ſiehet
man es nach der æquité an, ſo kan ein Reicher wohl mehr geben als
ein anderer, der arm iſt, warum ſollen denn die Armen allein geben.
Drum iſt auch der Law hierauf gefallen, welcher ſaget: Nach dem Ver-
moͤgen muͤſten die intraden eingerichtet werden. Es koͤnnte ſeyn, daß
ſich nach dreyßig viertzig Jahren in dieſem ſyſtemate ein vitium faͤnde,
daher thut man nicht wohl, daß man den menu peuple gantz entwehnt,
etwas zu geben von denen fonds, ſondern man muß ſie immer was we-
niges geben laſſen. In Venedig, da man dieſen modum hat, entſtehet
deßwegen kein Tumult. Ich weiß in Venedig faſt keinen Tumult, ſo
lange die Ariſtocratiſche Regierung geweſen; da hergegen in Neapolis
zwey und dreyßig revolten geweſen, alle wegen der impoſten, und in
Rom ſelbſt, wo der Vicarius Jeſu Chriſti iſt, ſind deßwegen tumultus
entſtanden. Man denckt, Carolus I. in Engeland habe plane ex aliis
cauſis
den Kopff verlohren, aber wenn man es recht conſideriret, ſo iſt
es hauptſaͤchlich wegen der impoſten geſchehen. In Venedig lebt man
commode, und die Leute geben alles gerne. Koͤmmt eine Noth, ſo
wird mehr aufgelegt, aber da ſehen die Leute, wo das Geld hinkoͤmmt.
Auf einem point kan man freylich das Vermoͤgen nicht heraus bringen,
unterdeſſen, wenn die Venetianer es anlegen, ſo wird erſt ausgerechnet,
was vor eine proportion ſolle gehalten werden, alsdenn laſſen ſie die
Leute kommen, und ſagen denenſelben vor, wie das Vermoͤgen taxiret
iſt; Iſt nun dieſes geſchehen, ſo muͤſſen alle ſchwoͤren, daß ſie wollten
alles richtig abtragen. Von allen muͤſſen ſie geben, e. g. von ihren
fonds, von ihrem Gelde, von ihrem Silber-Geſchirr. Drum leidet
man nicht gerne, daß die Leute ſo viel Silber-Geſchirr haben, weil beſ-
ſer, wenn Geld daraus geſchlagen wird, das rouilliret. Dicis: Es hin-
dert den credit, wenn man weiß, was Unterthanen im Vermoͤgen ha-
ben? Reſpond. Wenn man es ſo machet, wie die Venetianer und
Nuͤrnberger, ſo erfaͤhret man nicht, was der andere im Vermoͤgen hat,
welches recht kuͤnſtlich iſt. Geſetzt, es hat einer hundert tauſend Thaler
im Vermoͤgen, er ſoll fuͤnff hundert Steuren geben, ſo gehet er hin an
einem andern Ort, welchen man in Nuͤrnberg die Schau nennt; Es iſt
dieſes ein Ort, wo man kan die Muͤntze probiren, item wenn einer fremd
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davor, denn da ſind experimentirte Leute, welche die Muͤntzen wohl ver-

ſtehen.
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[310/0330] Cap. V. De prudentia dieſen haben auch die Venetianer und Nuͤrnberger collectas, ſo nach dem Vermoͤgen eingerichtet ſind. Ich halte viel von Vermoͤgen- Steuren. Uber die Reichen gehet es da freylich her, hat einer viel im Vermoͤgen, ſo muß er auch viel geben. Aber was lieget daran, ſiehet man es nach der æquité an, ſo kan ein Reicher wohl mehr geben als ein anderer, der arm iſt, warum ſollen denn die Armen allein geben. Drum iſt auch der Law hierauf gefallen, welcher ſaget: Nach dem Ver- moͤgen muͤſten die intraden eingerichtet werden. Es koͤnnte ſeyn, daß ſich nach dreyßig viertzig Jahren in dieſem ſyſtemate ein vitium faͤnde, daher thut man nicht wohl, daß man den menu peuple gantz entwehnt, etwas zu geben von denen fonds, ſondern man muß ſie immer was we- niges geben laſſen. In Venedig, da man dieſen modum hat, entſtehet deßwegen kein Tumult. Ich weiß in Venedig faſt keinen Tumult, ſo lange die Ariſtocratiſche Regierung geweſen; da hergegen in Neapolis zwey und dreyßig revolten geweſen, alle wegen der impoſten, und in Rom ſelbſt, wo der Vicarius Jeſu Chriſti iſt, ſind deßwegen tumultus entſtanden. Man denckt, Carolus I. in Engeland habe plane ex aliis cauſis den Kopff verlohren, aber wenn man es recht conſideriret, ſo iſt es hauptſaͤchlich wegen der impoſten geſchehen. In Venedig lebt man commode, und die Leute geben alles gerne. Koͤmmt eine Noth, ſo wird mehr aufgelegt, aber da ſehen die Leute, wo das Geld hinkoͤmmt. Auf einem point kan man freylich das Vermoͤgen nicht heraus bringen, unterdeſſen, wenn die Venetianer es anlegen, ſo wird erſt ausgerechnet, was vor eine proportion ſolle gehalten werden, alsdenn laſſen ſie die Leute kommen, und ſagen denenſelben vor, wie das Vermoͤgen taxiret iſt; Iſt nun dieſes geſchehen, ſo muͤſſen alle ſchwoͤren, daß ſie wollten alles richtig abtragen. Von allen muͤſſen ſie geben, e. g. von ihren fonds, von ihrem Gelde, von ihrem Silber-Geſchirr. Drum leidet man nicht gerne, daß die Leute ſo viel Silber-Geſchirr haben, weil beſ- ſer, wenn Geld daraus geſchlagen wird, das rouilliret. Dicis: Es hin- dert den credit, wenn man weiß, was Unterthanen im Vermoͤgen ha- ben? Reſpond. Wenn man es ſo machet, wie die Venetianer und Nuͤrnberger, ſo erfaͤhret man nicht, was der andere im Vermoͤgen hat, welches recht kuͤnſtlich iſt. Geſetzt, es hat einer hundert tauſend Thaler im Vermoͤgen, er ſoll fuͤnff hundert Steuren geben, ſo gehet er hin an einem andern Ort, welchen man in Nuͤrnberg die Schau nennt; Es iſt dieſes ein Ort, wo man kan die Muͤntze probiren, item wenn einer fremd Geld hat, und er kan es nicht ausgeben, ſo geben ſie ihm gangbar Geld davor, denn da ſind experimentirte Leute, welche die Muͤntzen wohl ver- ſtehen.

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/330>, abgerufen am 20.05.2024.