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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V. De prudentia
Gesandter muß wissen die facon zu leben, eine reverence zu machen,
nicht stolpern; wird ein pudeat hierinnen eingelegt, so ist alle grace weg.
Es muß einer haben corpus agile, die Welt gesehen haben und unter
vornehmen Leuten gewesen seyn, und durch solche qualitäten kan einer
steigen, wenn einer gleich von schlechter extraction ist. Der Friedrich
de Jena
war ein Bauers-Sohn aus Zerbst, aber galant, ein habiler
Mann, der alles zu observiren wuste, daher ist er auch gestiegen.
Sonst aber schickt man gerne Leute von extraction, die müssen eine figur
machen, sonderlich, wenn sie an grosse Herren geschickt werden, die
potent sind, und giebt ihnen einen andern geschickten Mann mit zum
assistenten. Grosse Herren meynen, sie würden nicht regardiret, wenn
nicht Leute von extraction an sie geschicket werden. Wie Ludovicus XI.
seinen Leib-Balbier an des Caroli Audacis Tochter geschickt, so ließ sie
sagen: Le me porte bien, und wüste nicht, warum er ihr denselben schi-
cke. Ich bin selbst einmal bey unserm Hofe gewesen, da wurde von
Schweden ein neuer Edelmann geschickt, welcher vielen nicht gefallen,
und wollten einige in seinen reverencen regardiret haben, daß der Bür-
ger noch überall vorgucke. Man muß solche Personen schicken, so dem
Herrn angenehm, bisweilen schreiben sie, was sie vor einen haben wol-
len. Der König in Franckreich hat verlanget, man sollte ihm den Span-
heim
wieder schicken, welcher von keiner grossen extraction. Er ist erst
Prof. Graec. Linguae zu Genev gewesen. Aber es war ein habiler ansehn-
licher Mann. Wer bey dem Hofe schon odiös ist, der wird in seiner ne-
gociation
nicht reussiren. Ein melancholisch Gesichte hat man nicht gern,
wie der Molesworth war, welcher auch dem Könige in Dännemarck nicht
angestanden. Die Dänen haben ihn greulich abgemahlet, in seiner nego-
ciation
ist er auch nicht reussiret, deßwegen er den etat von Dännemarck ge-
schrieben. Man hat als einen grossen Fehler angesehen bey Francisco I.
daß er einen Mayländer, welcher des Hochverraths schuldig war, den
aber Franciscus I. in protection genommen, als einen Gesandten zu Ca-
rolo V.
schickte. Carolus ließ ihm den Kopf abschlagen, welches auch
ein greuliches Lerm gab, und gar ein Krieg darüber entstund. Denn
Franciscus I. sagte, es wäre eine violatio des Völcker-Rechts. Aber
Carolus V. sagte: Er habe gewust, daß es sein Feind, und ihn nur zu
tormentiren suche, deßwegen habe er mit Recht ihm den Kopf können
abschlagen lassen. Wer gescheut ist, läßt sich selbst in dergleichen Sa-
chen nicht employiren, aber es giebt ungescheute Leute, welche sich ein
plaisir machen, wenn sie können mit gloire an den Ort kommen, wo sie
odieus sind, und dencken nicht, daß sie offt ein malheur treffen kan, son-

derlich,

Cap. V. De prudentia
Geſandter muß wiſſen die façon zu leben, eine reverence zu machen,
nicht ſtolpern; wird ein pudeat hierinnen eingelegt, ſo iſt alle grace weg.
Es muß einer haben corpus agile, die Welt geſehen haben und unter
vornehmen Leuten geweſen ſeyn, und durch ſolche qualitaͤten kan einer
ſteigen, wenn einer gleich von ſchlechter extraction iſt. Der Friedrich
de Jena
war ein Bauers-Sohn aus Zerbſt, aber galant, ein habiler
Mann, der alles zu obſerviren wuſte, daher iſt er auch geſtiegen.
Sonſt aber ſchickt man gerne Leute von extraction, die muͤſſen eine figur
machen, ſonderlich, wenn ſie an groſſe Herren geſchickt werden, die
potent ſind, und giebt ihnen einen andern geſchickten Mann mit zum
aſſiſtenten. Groſſe Herren meynen, ſie wuͤrden nicht regardiret, wenn
nicht Leute von extraction an ſie geſchicket werden. Wie Ludovicus XI.
ſeinen Leib-Balbier an des Caroli Audacis Tochter geſchickt, ſo ließ ſie
ſagen: Le me porte bien, und wuͤſte nicht, warum er ihr denſelben ſchi-
cke. Ich bin ſelbſt einmal bey unſerm Hofe geweſen, da wurde von
Schweden ein neuer Edelmann geſchickt, welcher vielen nicht gefallen,
und wollten einige in ſeinen reverencen regardiret haben, daß der Buͤr-
ger noch uͤberall vorgucke. Man muß ſolche Perſonen ſchicken, ſo dem
Herrn angenehm, bisweilen ſchreiben ſie, was ſie vor einen haben wol-
len. Der Koͤnig in Franckreich hat verlanget, man ſollte ihm den Span-
heim
wieder ſchicken, welcher von keiner groſſen extraction. Er iſt erſt
Prof. Græc. Linguæ zu Genev geweſen. Aber es war ein habiler anſehn-
licher Mann. Wer bey dem Hofe ſchon odiös iſt, der wird in ſeiner ne-
gociation
nicht reuſſiren. Ein melancholiſch Geſichte hat man nicht gern,
wie der Molesworth war, welcher auch dem Koͤnige in Daͤnnemarck nicht
angeſtanden. Die Daͤnen haben ihn greulich abgemahlet, in ſeiner nego-
ciation
iſt er auch nicht reuſſiret, deßwegen er den etat von Daͤnnemarck ge-
ſchrieben. Man hat als einen groſſen Fehler angeſehen bey Franciſco I.
daß er einen Maylaͤnder, welcher des Hochverraths ſchuldig war, den
aber Franciſcus I. in protection genommen, als einen Geſandten zu Ca-
rolo V.
ſchickte. Carolus ließ ihm den Kopf abſchlagen, welches auch
ein greuliches Lerm gab, und gar ein Krieg daruͤber entſtund. Denn
Franciſcus I. ſagte, es waͤre eine violatio des Voͤlcker-Rechts. Aber
Carolus V. ſagte: Er habe gewuſt, daß es ſein Feind, und ihn nur zu
tormentiren ſuche, deßwegen habe er mit Recht ihm den Kopf koͤnnen
abſchlagen laſſen. Wer geſcheut iſt, laͤßt ſich ſelbſt in dergleichen Sa-
chen nicht employiren, aber es giebt ungeſcheute Leute, welche ſich ein
plaiſir machen, wenn ſie koͤnnen mit gloire an den Ort kommen, wo ſie
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derlich,
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[384/0404] Cap. V. De prudentia Geſandter muß wiſſen die façon zu leben, eine reverence zu machen, nicht ſtolpern; wird ein pudeat hierinnen eingelegt, ſo iſt alle grace weg. Es muß einer haben corpus agile, die Welt geſehen haben und unter vornehmen Leuten geweſen ſeyn, und durch ſolche qualitaͤten kan einer ſteigen, wenn einer gleich von ſchlechter extraction iſt. Der Friedrich de Jena war ein Bauers-Sohn aus Zerbſt, aber galant, ein habiler Mann, der alles zu obſerviren wuſte, daher iſt er auch geſtiegen. Sonſt aber ſchickt man gerne Leute von extraction, die muͤſſen eine figur machen, ſonderlich, wenn ſie an groſſe Herren geſchickt werden, die potent ſind, und giebt ihnen einen andern geſchickten Mann mit zum aſſiſtenten. Groſſe Herren meynen, ſie wuͤrden nicht regardiret, wenn nicht Leute von extraction an ſie geſchicket werden. Wie Ludovicus XI. ſeinen Leib-Balbier an des Caroli Audacis Tochter geſchickt, ſo ließ ſie ſagen: Le me porte bien, und wuͤſte nicht, warum er ihr denſelben ſchi- cke. Ich bin ſelbſt einmal bey unſerm Hofe geweſen, da wurde von Schweden ein neuer Edelmann geſchickt, welcher vielen nicht gefallen, und wollten einige in ſeinen reverencen regardiret haben, daß der Buͤr- ger noch uͤberall vorgucke. Man muß ſolche Perſonen ſchicken, ſo dem Herrn angenehm, bisweilen ſchreiben ſie, was ſie vor einen haben wol- len. Der Koͤnig in Franckreich hat verlanget, man ſollte ihm den Span- heim wieder ſchicken, welcher von keiner groſſen extraction. Er iſt erſt Prof. Græc. Linguæ zu Genev geweſen. Aber es war ein habiler anſehn- licher Mann. Wer bey dem Hofe ſchon odiös iſt, der wird in ſeiner ne- gociation nicht reuſſiren. Ein melancholiſch Geſichte hat man nicht gern, wie der Molesworth war, welcher auch dem Koͤnige in Daͤnnemarck nicht angeſtanden. Die Daͤnen haben ihn greulich abgemahlet, in ſeiner nego- ciation iſt er auch nicht reuſſiret, deßwegen er den etat von Daͤnnemarck ge- ſchrieben. Man hat als einen groſſen Fehler angeſehen bey Franciſco I. daß er einen Maylaͤnder, welcher des Hochverraths ſchuldig war, den aber Franciſcus I. in protection genommen, als einen Geſandten zu Ca- rolo V. ſchickte. Carolus ließ ihm den Kopf abſchlagen, welches auch ein greuliches Lerm gab, und gar ein Krieg daruͤber entſtund. Denn Franciſcus I. ſagte, es waͤre eine violatio des Voͤlcker-Rechts. Aber Carolus V. ſagte: Er habe gewuſt, daß es ſein Feind, und ihn nur zu tormentiren ſuche, deßwegen habe er mit Recht ihm den Kopf koͤnnen abſchlagen laſſen. Wer geſcheut iſt, laͤßt ſich ſelbſt in dergleichen Sa- chen nicht employiren, aber es giebt ungeſcheute Leute, welche ſich ein plaiſir machen, wenn ſie koͤnnen mit gloire an den Ort kommen, wo ſie odieus ſind, und dencken nicht, daß ſie offt ein malheur treffen kan, ſon- derlich,

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/404>, abgerufen am 24.11.2024.