Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.statum civitatis Mon. & Imperantium conservandi. sondern nimmt peregrinos. Caesar usus est Germanis; oder wenn er dasnicht thut, so nimmt er doch schlechte Leute, die er erhöhet, welche denen nobilibus feind sind. Er hat Espions an allen Orten, die alles sagen, was die Leute reden und thun, und wenn er was erfähret von dergleichen Rapporteurs, so inquiriret er gleich, deßwegen sind auch die Crimina Ma- jestatis so weit extendirt worden. Ein Tyrann mischet auch aliquod bo- ni darunter, damit man das Böse nicht gleich developpiren kan; Er braucht praetextus, und sucht den Leuten einen blauen Dunst vor die Au- gen zu machen; Er siehet grausam, severus aus, aber er sagt: Er habe raison, er imitiret die Tugend, und sagt eben Hieronymus Osorius in sei- nem Tract. de Gloria, die Tugend müsse etwas vortreffliches seyn, weil so gar die Tyrannen solche suchten zu imitiren. Aristoteles nennet ihre flagitia Sophismata, daher ist gut, daß solche Künste denen jungen Leu- ten vorgestellet werden, nicht ut perversi suasores aliquando existant, son- dern daß sie sich vielmehr in acht nehmen, damit sie nicht einmahl da- hin incliniren. In der folgenden Section de Vita Aulica, wird gewiesen werden, daß, wer bey Hof reussiren will, muß sich stellen, als wenn er den Hof nicht kenne: denn die meisten Fürsten wollen sich nicht lassen kennen lernen. Ein Tyrann trauet niemanden, drum hat sich Pisistratus von niemanden als von seiner Tochter rasiren lassen. Cromwell hat sich selbst rasirt, der so gar des Nachts nicht ge- schlaffen, sondern immer aufgestanden, und nach seiner guarde gesehen, ob auch dieselbe vigilant. Wenn man den Suetonium lieset, so wird man finden, daß kein einiger solcher Tyrann gewesen, der sich nicht ge- fürchtet. Suetonius erzehlet, daß Vitellius allezeit ein Schwerdt bey sei- nem Kopff-Küssen gehabt; bey der Thür des Zimmers, wo er geschla- fen, ist eine machine gewesen, daß, wenn jemand zur Thür hinein ge- gangen, es geprasselt, damit er gleich können aufwachen. Wer also sich von diesen Sachen einen rechten concept machen will, muß die affectus und flagitia en bon ordre rangiren, besser, als es unser Autor gethan hat. Hertius hat zwey Haupt-artes, aber in der application fin- det man immer neue mala. Den Hertium kan man hier am besten brauchen. Sect.
ſtatum civitatis Mon. & Imperantium conſervandi. ſondern nimmt peregrinos. Cæſar uſus eſt Germanis; oder wenn er dasnicht thut, ſo nimmt er doch ſchlechte Leute, die er erhoͤhet, welche denen nobilibus feind ſind. Er hat Eſpions an allen Orten, die alles ſagen, was die Leute reden und thun, und wenn er was erfaͤhret von dergleichen Rapporteurs, ſo inquiriret er gleich, deßwegen ſind auch die Crimina Ma- jeſtatis ſo weit extendirt worden. Ein Tyrann miſchet auch aliquod bo- ni darunter, damit man das Boͤſe nicht gleich developpiren kan; Er braucht prætextus, und ſucht den Leuten einen blauen Dunſt vor die Au- gen zu machen; Er ſiehet grauſam, ſeverus aus, aber er ſagt: Er habe raiſon, er imitiret die Tugend, und ſagt eben Hieronymus Oſorius in ſei- nem Tract. de Gloria, die Tugend muͤſſe etwas vortreffliches ſeyn, weil ſo gar die Tyrannen ſolche ſuchten zu imitiren. Ariſtoteles nennet ihre flagitia Sophiſmata, daher iſt gut, daß ſolche Kuͤnſte denen jungen Leu- ten vorgeſtellet werden, nicht ut perverſi ſuaſores aliquando exiſtant, ſon- dern daß ſie ſich vielmehr in acht nehmen, damit ſie nicht einmahl da- hin incliniren. In der folgenden Section de Vita Aulica, wird gewieſen werden, daß, wer bey Hof reuſſiren will, muß ſich ſtellen, als wenn er den Hof nicht kenne: denn die meiſten Fuͤrſten wollen ſich nicht laſſen kennen lernen. Ein Tyrann trauet niemanden, drum hat ſich Piſiſtratus von niemanden als von ſeiner Tochter raſiren laſſen. Cromwell hat ſich ſelbſt raſirt, der ſo gar des Nachts nicht ge- ſchlaffen, ſondern immer aufgeſtanden, und nach ſeiner guarde geſehen, ob auch dieſelbe vigilant. Wenn man den Suetonium lieſet, ſo wird man finden, daß kein einiger ſolcher Tyrann geweſen, der ſich nicht ge- fuͤrchtet. Suetonius erzehlet, daß Vitellius allezeit ein Schwerdt bey ſei- nem Kopff-Kuͤſſen gehabt; bey der Thuͤr des Zimmers, wo er geſchla- fen, iſt eine machine geweſen, daß, wenn jemand zur Thuͤr hinein ge- gangen, es gepraſſelt, damit er gleich koͤnnen aufwachen. Wer alſo ſich von dieſen Sachen einen rechten concept machen will, muß die affectus und flagitia en bon ordre rangiren, beſſer, als es unſer Autor gethan hat. Hertius hat zwey Haupt-artes, aber in der application fin- det man immer neue mala. Den Hertium kan man hier am beſten brauchen. Sect.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0483" n="463"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">ſtatum civitatis Mon. & Imperantium conſervandi.</hi></fw><lb/> ſondern nimmt <hi rendition="#aq">peregrinos. Cæſar uſus eſt Germanis;</hi> oder wenn er das<lb/> nicht thut, ſo nimmt er doch ſchlechte Leute, die er erhoͤhet, welche denen<lb/><hi rendition="#aq">nobilibus</hi> feind ſind. Er hat <hi rendition="#aq">Eſpions</hi> an allen Orten, die alles ſagen,<lb/> was die Leute reden und thun, und wenn er was erfaͤhret von dergleichen<lb/><hi rendition="#aq">Rapporteurs,</hi> ſo <hi rendition="#aq">inquiri</hi>ret er gleich, deßwegen ſind auch die <hi rendition="#aq">Crimina Ma-<lb/> jeſtatis</hi> ſo weit <hi rendition="#aq">extendi</hi>rt worden. Ein Tyrann miſchet auch <hi rendition="#aq">aliquod bo-<lb/> ni</hi> darunter, damit man das Boͤſe nicht gleich <hi rendition="#aq">developpi</hi>ren kan; Er<lb/> braucht <hi rendition="#aq">prætextus,</hi> und ſucht den Leuten einen blauen Dunſt vor die Au-<lb/> gen zu machen; Er ſiehet grauſam, <hi rendition="#aq">ſeverus</hi> aus, aber er ſagt: Er habe<lb/><hi rendition="#aq">raiſon,</hi> er <hi rendition="#aq">imiti</hi>ret die Tugend, und ſagt eben <hi rendition="#aq">Hieronymus Oſorius</hi> in ſei-<lb/> nem <hi rendition="#aq">Tract. de Gloria,</hi> die Tugend muͤſſe etwas vortreffliches ſeyn, weil<lb/> ſo gar die Tyrannen ſolche ſuchten zu <hi rendition="#aq">imiti</hi>ren. <hi rendition="#aq">Ariſtoteles</hi> nennet ihre<lb/><hi rendition="#aq">flagitia Sophiſmata,</hi> daher iſt gut, daß ſolche Kuͤnſte denen jungen Leu-<lb/> ten vorgeſtellet werden, nicht <hi rendition="#aq">ut perverſi ſuaſores aliquando exiſtant,</hi> ſon-<lb/> dern daß ſie ſich vielmehr in acht nehmen, damit ſie nicht einmahl da-<lb/> hin <hi rendition="#aq">inclini</hi>ren. In der folgenden <hi rendition="#aq">Section de Vita Aulica,</hi> wird gewieſen<lb/> werden, daß, wer bey Hof <hi rendition="#aq">reuſſi</hi>ren will, muß ſich ſtellen, als wenn<lb/> er den Hof nicht kenne: denn die meiſten Fuͤrſten wollen ſich nicht<lb/> laſſen kennen lernen. Ein Tyrann trauet niemanden, drum<lb/> hat ſich <hi rendition="#aq">Piſiſtratus</hi> von niemanden als von ſeiner Tochter <hi rendition="#aq">raſi</hi>ren<lb/> laſſen. <hi rendition="#aq">Cromwell</hi> hat ſich ſelbſt <hi rendition="#aq">raſi</hi>rt, der ſo gar des Nachts nicht ge-<lb/> ſchlaffen, ſondern immer aufgeſtanden, und nach ſeiner <hi rendition="#aq">guarde</hi> geſehen,<lb/> ob auch dieſelbe <hi rendition="#aq">vigilant.</hi> Wenn man den <hi rendition="#aq">Suetonium</hi> lieſet, ſo wird<lb/> man finden, daß kein einiger ſolcher Tyrann geweſen, der ſich nicht ge-<lb/> fuͤrchtet. <hi rendition="#aq">Suetonius</hi> erzehlet, daß <hi rendition="#aq">Vitellius</hi> allezeit ein Schwerdt bey ſei-<lb/> nem Kopff-Kuͤſſen gehabt; bey der Thuͤr des Zimmers, wo er geſchla-<lb/> fen, iſt eine <hi rendition="#aq">machine</hi> geweſen, daß, wenn jemand zur Thuͤr hinein ge-<lb/> gangen, es gepraſſelt, damit er gleich koͤnnen aufwachen. Wer alſo<lb/> ſich von dieſen Sachen einen rechten <hi rendition="#aq">concept</hi> machen will, muß die<lb/><hi rendition="#aq">affectus</hi> und <hi rendition="#aq">flagitia en bon ordre rangi</hi>ren, beſſer, als es unſer <hi rendition="#aq">Autor</hi><lb/> gethan hat. <hi rendition="#aq">Hertius</hi> hat zwey Haupt-<hi rendition="#aq">artes,</hi> aber in der <hi rendition="#aq">application</hi> fin-<lb/> det man immer neue <hi rendition="#aq">mala.</hi> Den <hi rendition="#aq">Hertium</hi> kan man hier am beſten<lb/> brauchen.</p> </div> </div><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">Sect.</hi> </fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [463/0483]
ſtatum civitatis Mon. & Imperantium conſervandi.
ſondern nimmt peregrinos. Cæſar uſus eſt Germanis; oder wenn er das
nicht thut, ſo nimmt er doch ſchlechte Leute, die er erhoͤhet, welche denen
nobilibus feind ſind. Er hat Eſpions an allen Orten, die alles ſagen,
was die Leute reden und thun, und wenn er was erfaͤhret von dergleichen
Rapporteurs, ſo inquiriret er gleich, deßwegen ſind auch die Crimina Ma-
jeſtatis ſo weit extendirt worden. Ein Tyrann miſchet auch aliquod bo-
ni darunter, damit man das Boͤſe nicht gleich developpiren kan; Er
braucht prætextus, und ſucht den Leuten einen blauen Dunſt vor die Au-
gen zu machen; Er ſiehet grauſam, ſeverus aus, aber er ſagt: Er habe
raiſon, er imitiret die Tugend, und ſagt eben Hieronymus Oſorius in ſei-
nem Tract. de Gloria, die Tugend muͤſſe etwas vortreffliches ſeyn, weil
ſo gar die Tyrannen ſolche ſuchten zu imitiren. Ariſtoteles nennet ihre
flagitia Sophiſmata, daher iſt gut, daß ſolche Kuͤnſte denen jungen Leu-
ten vorgeſtellet werden, nicht ut perverſi ſuaſores aliquando exiſtant, ſon-
dern daß ſie ſich vielmehr in acht nehmen, damit ſie nicht einmahl da-
hin incliniren. In der folgenden Section de Vita Aulica, wird gewieſen
werden, daß, wer bey Hof reuſſiren will, muß ſich ſtellen, als wenn
er den Hof nicht kenne: denn die meiſten Fuͤrſten wollen ſich nicht
laſſen kennen lernen. Ein Tyrann trauet niemanden, drum
hat ſich Piſiſtratus von niemanden als von ſeiner Tochter raſiren
laſſen. Cromwell hat ſich ſelbſt raſirt, der ſo gar des Nachts nicht ge-
ſchlaffen, ſondern immer aufgeſtanden, und nach ſeiner guarde geſehen,
ob auch dieſelbe vigilant. Wenn man den Suetonium lieſet, ſo wird
man finden, daß kein einiger ſolcher Tyrann geweſen, der ſich nicht ge-
fuͤrchtet. Suetonius erzehlet, daß Vitellius allezeit ein Schwerdt bey ſei-
nem Kopff-Kuͤſſen gehabt; bey der Thuͤr des Zimmers, wo er geſchla-
fen, iſt eine machine geweſen, daß, wenn jemand zur Thuͤr hinein ge-
gangen, es gepraſſelt, damit er gleich koͤnnen aufwachen. Wer alſo
ſich von dieſen Sachen einen rechten concept machen will, muß die
affectus und flagitia en bon ordre rangiren, beſſer, als es unſer Autor
gethan hat. Hertius hat zwey Haupt-artes, aber in der application fin-
det man immer neue mala. Den Hertium kan man hier am beſten
brauchen.
Sect.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |