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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V. De prudentia
Von der De-
mocratie.

§. 7. Man nennet eine Democratie, wo der populus das Regi-
ment hat; die Collegia sind da groß, und bestehen offt aus 200-300
Personen; Dahingegen in einer Aristocratie über 24-30. regierende
Raths-Herren nicht sind; Es können daselbst auf dem Rathhause an-
dere Patricii auf und abgehen und zuhören: Wenn sie nur in Venedig
achtzehen Jahr alt sind. Deßwegen aber sind sie noch nicht in einem
Collegio, und müssen noch lange warten, bis sie darzu kommen. Nie-
mand aber darff dencken, als wenn in der Democratie der gantze peuple
herrsche, sondern es ist derselbe in curias, in certas tribus eingetheilet,
daraus werden eine gewisse Zahl Magistrats-Persohnen erwählet. Von
Rechtswegen sollten hübsche Leute gewählet werden, nicht die ärmsten,
auch nicht die liederlichsten, sondern die sonst einen guten Nahmen und
Leumund haben. Und wenn dieses in acht genommen wird, so ist in
einer Democratie wohl zu leben. Es ist da alles wohlfeil/ man giebt
nichts, und kan das Seinige behalten, was man erworben; Ein jeder
wird protegirt ab injuriis potentiorum, und leidet man keine potentio-
res. Inter omnes
muß eine aequalitas observiret werden, daß keiner zu
reich, keiner zu mächtig werde. Die Griechen und Niederländer haben
sehr inclinirt ad Democratiam. Von denen Niederländern hat es
Grotius observiret. Die Schweitzer incliniren auch ad Democratiam,
und wenn man Teutschland ansiehet, so incliniren die meisten in Fran-
cken und Schwaben dahin. Wer sich einen rechten concept von einer
Democratie machen will, der muß den Bernegger lesen in Delineatione
Formae Reip. Argentorat. in duodecimo.
Denn Straßburg ist eine
rechte Democratie gewesen; Erst war es eine Aristocratie, aber unter
Ludovico Bavaro ists eine rechte Democratie worden. Ein simulacrum
von der Aristocratie ist geblieben, daß sie die Stadt-Meister gehabt,
denen sie reverences erwiesen, welche aber keine potestatem gehabt;
Sie haben so gar Gärtner und Leute vom Lande in ihre collegia ge-
nommen, damit der status nicht so leicht könne geändert werden. In
gewisser massen ists noch eine Democratie, indem der König in Franck-
reich alles gelassen; Nur, daß sie einen Praetorem Regium haben. Ra-
tione modificationis
äussert sich vieles in der Democratie, bisweilen weh-
let man mehr kluge, gescheute, ansehnliche, bisweilen entstehet eine Och-
locratia,
da fax populi regierte, bisweilen wird eine Monarchia in De-
mocratiam
verwandelt, wie in Engeland fast geschehen; Deßwegen hat
eben Hobbesius den Thucydidem aus dem Griechischen ins Englische
übersetzet, damit ihn die Engeländer lesen möchten, und sehen könnten,
was die Democratie vor eine elende Gestalt habe. Denn die respubli-

ca
Cap. V. De prudentia
Von der De-
mocratie.

§. 7. Man nennet eine Democratie, wo der populus das Regi-
ment hat; die Collegia ſind da groß, und beſtehen offt aus 200-300
Perſonen; Dahingegen in einer Ariſtocratie uͤber 24-30. regierende
Raths-Herren nicht ſind; Es koͤnnen daſelbſt auf dem Rathhauſe an-
dere Patricii auf und abgehen und zuhoͤren: Wenn ſie nur in Venedig
achtzehen Jahr alt ſind. Deßwegen aber ſind ſie noch nicht in einem
Collegio, und muͤſſen noch lange warten, bis ſie darzu kommen. Nie-
mand aber darff dencken, als wenn in der Democratie der gantze peuple
herrſche, ſondern es iſt derſelbe in curias, in certas tribus eingetheilet,
daraus werden eine gewiſſe Zahl Magiſtrats-Perſohnen erwaͤhlet. Von
Rechtswegen ſollten huͤbſche Leute gewaͤhlet werden, nicht die aͤrmſten,
auch nicht die liederlichſten, ſondern die ſonſt einen guten Nahmen und
Leumund haben. Und wenn dieſes in acht genommen wird, ſo iſt in
einer Democratie wohl zu leben. Es iſt da alles wohlfeil/ man giebt
nichts, und kan das Seinige behalten, was man erworben; Ein jeder
wird protegirt ab injuriis potentiorum, und leidet man keine potentio-
res. Inter omnes
muß eine æqualitas obſerviret werden, daß keiner zu
reich, keiner zu maͤchtig werde. Die Griechen und Niederlaͤnder haben
ſehr inclinirt ad Democratiam. Von denen Niederlaͤndern hat es
Grotius obſerviret. Die Schweitzer incliniren auch ad Democratiam,
und wenn man Teutſchland anſiehet, ſo incliniren die meiſten in Fran-
cken und Schwaben dahin. Wer ſich einen rechten concept von einer
Democratie machen will, der muß den Bernegger leſen in Delineatione
Formæ Reip. Argentorat. in duodecimo.
Denn Straßburg iſt eine
rechte Democratie geweſen; Erſt war es eine Ariſtocratie, aber unter
Ludovico Bavaro iſts eine rechte Democratie worden. Ein ſimulacrum
von der Ariſtocratie iſt geblieben, daß ſie die Stadt-Meiſter gehabt,
denen ſie reverences erwieſen, welche aber keine poteſtatem gehabt;
Sie haben ſo gar Gaͤrtner und Leute vom Lande in ihre collegia ge-
nommen, damit der ſtatus nicht ſo leicht koͤnne geaͤndert werden. In
gewiſſer maſſen iſts noch eine Democratie, indem der Koͤnig in Franck-
reich alles gelaſſen; Nur, daß ſie einen Prætorem Regium haben. Ra-
tione modificationis
aͤuſſert ſich vieles in der Democratie, bisweilen weh-
let man mehr kluge, geſcheute, anſehnliche, bisweilen entſtehet eine Och-
locratia,
da fax populi regierte, bisweilen wird eine Monarchia in De-
mocratiam
verwandelt, wie in Engeland faſt geſchehen; Deßwegen hat
eben Hobbeſius den Thucydidem aus dem Griechiſchen ins Engliſche
uͤberſetzet, damit ihn die Engelaͤnder leſen moͤchten, und ſehen koͤnnten,
was die Democratie vor eine elende Geſtalt habe. Denn die reſpubli-

ca
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[474/0494] Cap. V. De prudentia §. 7. Man nennet eine Democratie, wo der populus das Regi- ment hat; die Collegia ſind da groß, und beſtehen offt aus 200-300 Perſonen; Dahingegen in einer Ariſtocratie uͤber 24-30. regierende Raths-Herren nicht ſind; Es koͤnnen daſelbſt auf dem Rathhauſe an- dere Patricii auf und abgehen und zuhoͤren: Wenn ſie nur in Venedig achtzehen Jahr alt ſind. Deßwegen aber ſind ſie noch nicht in einem Collegio, und muͤſſen noch lange warten, bis ſie darzu kommen. Nie- mand aber darff dencken, als wenn in der Democratie der gantze peuple herrſche, ſondern es iſt derſelbe in curias, in certas tribus eingetheilet, daraus werden eine gewiſſe Zahl Magiſtrats-Perſohnen erwaͤhlet. Von Rechtswegen ſollten huͤbſche Leute gewaͤhlet werden, nicht die aͤrmſten, auch nicht die liederlichſten, ſondern die ſonſt einen guten Nahmen und Leumund haben. Und wenn dieſes in acht genommen wird, ſo iſt in einer Democratie wohl zu leben. Es iſt da alles wohlfeil/ man giebt nichts, und kan das Seinige behalten, was man erworben; Ein jeder wird protegirt ab injuriis potentiorum, und leidet man keine potentio- res. Inter omnes muß eine æqualitas obſerviret werden, daß keiner zu reich, keiner zu maͤchtig werde. Die Griechen und Niederlaͤnder haben ſehr inclinirt ad Democratiam. Von denen Niederlaͤndern hat es Grotius obſerviret. Die Schweitzer incliniren auch ad Democratiam, und wenn man Teutſchland anſiehet, ſo incliniren die meiſten in Fran- cken und Schwaben dahin. Wer ſich einen rechten concept von einer Democratie machen will, der muß den Bernegger leſen in Delineatione Formæ Reip. Argentorat. in duodecimo. Denn Straßburg iſt eine rechte Democratie geweſen; Erſt war es eine Ariſtocratie, aber unter Ludovico Bavaro iſts eine rechte Democratie worden. Ein ſimulacrum von der Ariſtocratie iſt geblieben, daß ſie die Stadt-Meiſter gehabt, denen ſie reverences erwieſen, welche aber keine poteſtatem gehabt; Sie haben ſo gar Gaͤrtner und Leute vom Lande in ihre collegia ge- nommen, damit der ſtatus nicht ſo leicht koͤnne geaͤndert werden. In gewiſſer maſſen iſts noch eine Democratie, indem der Koͤnig in Franck- reich alles gelaſſen; Nur, daß ſie einen Prætorem Regium haben. Ra- tione modificationis aͤuſſert ſich vieles in der Democratie, bisweilen weh- let man mehr kluge, geſcheute, anſehnliche, bisweilen entſtehet eine Och- locratia, da fax populi regierte, bisweilen wird eine Monarchia in De- mocratiam verwandelt, wie in Engeland faſt geſchehen; Deßwegen hat eben Hobbeſius den Thucydidem aus dem Griechiſchen ins Engliſche uͤberſetzet, damit ihn die Engelaͤnder leſen moͤchten, und ſehen koͤnnten, was die Democratie vor eine elende Geſtalt habe. Denn die reſpubli- ca

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/494>, abgerufen am 24.11.2024.