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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V.
worden. Beym Ludovico XI. hat niemand mehr ausgerichtet, als sein
Leib-Barbier, beym N. war der Cammer-Diener an den sich alle Ge-
heimde Räthe addressiret und mit ihm Brüderschafft getruncken. Es
muß auch einer ein Judicium discretivum haben, daß er siehet, worzu er
sich schickt; Darum hat Gracian einen eigenen Ort darinnen er sagt:
es solle einer abwägen, worzu er sich schicke. Viele sind so beschaffen,
daß sie sich wollen lassen zu einer Charge emploiren, darzu sie sich doch
nicht schicken. Wer will ein Ober-Jäger-Meister werden, muß die Jä-
gerey ex fundamento verstehen; Wer ein Stall-Meister werden will,
muß das Reiten verstehen. Ich weiß einen der unter dem vorigen Kö-
nige unter die Guarde kam, wie aber der König ausgefahren, so konnte
er nicht so geschwind reiten als gefahren wurde, da wurde er abgesetzt.
Hätte er eine andere Charge gehabt, würde er dieselbe vielleicht besser
verwalten können, daher ist auch nicht zu verwundern, wenn bey Hof
bald dieser bald jener cassiret wird, und continuirliche Veränderungen vor-
gehen. Wer bey Hofe seyn will muß nicht pesant, sondern geschwind,
promt seyn. Die grossen Herren haben keine Gedult, und wenn du
denckst, sie sollen auf dich warten, sane periisti. Drum gehören geschwin-
de Köpffe an Hof, je promter einer ist, je besser kan er seine fortune machen.
Ich weiß einen Cavalier, welcher bloß dadurch seine fortune gemacht,
weil er beständig da gewesen und alles in acht genommen. Kein
Mensch wuste erst warum er gestiegen, der Herr sagte aber einesmahls
selbst: Er wüste wohl daß andere da wären welche mehr raffinement
hätten, aber dieser wäre doch accurat. Es kan einer pur tout seine for-
tune
machen bey Hofe, wo er hinkommt, wenn er patientissimus supplex
insinuant,
und gleich weiß einen Weg zu finden, wie es anzufangen. So
war der Charnace beschaffen, und ist der Mühe werth, den Articul beym
Bayle von ihm zu lesen. Die Königin Christina ist den Salvio günstiger
gewesen, als den Oxenstirn, Oxenstirn war pesant, da hingegen Salvius
promt
war, und eine dexterite blicken ließ. Der Comte d'Avaux war
von Jugend auf in publiquen affairen auferzogen worden, und viel nach-
dencklicher, als der Servien, und doch hat Mazarini den Servien mehr ge-
liebt. Dieselbige Schwermuth, ratione animi, kan einer sich vertreiben durch
conversation, ratione corporis, durch exercitia.

In Ansehung
des Willens.

§. 15. 16. 17. Es muß ein aulicus homo probus seyn; Sonst sagt man
zwar: Exeat aula, qui vult esse pius. Aber das wird keiner approbiren.
Die probitas ist zu allen Dingen nütze. Wenn die Menschen alle pro-
bit
ät verlassen, so ist kein Wunder, wenn sie verunglücken, in allerhand
Thorheiten fallen, und endlich gar ins Gefängniß kommen. Wir ha-

ben

Cap. V.
worden. Beym Ludovico XI. hat niemand mehr ausgerichtet, als ſein
Leib-Barbier, beym N. war der Cammer-Diener an den ſich alle Ge-
heimde Raͤthe addreſſiret und mit ihm Bruͤderſchafft getruncken. Es
muß auch einer ein Judicium diſcretivum haben, daß er ſiehet, worzu er
ſich ſchickt; Darum hat Gracian einen eigenen Ort darinnen er ſagt:
es ſolle einer abwaͤgen, worzu er ſich ſchicke. Viele ſind ſo beſchaffen,
daß ſie ſich wollen laſſen zu einer Charge emploiren, darzu ſie ſich doch
nicht ſchicken. Wer will ein Ober-Jaͤger-Meiſter werden, muß die Jaͤ-
gerey ex fundamento verſtehen; Wer ein Stall-Meiſter werden will,
muß das Reiten verſtehen. Ich weiß einen der unter dem vorigen Koͤ-
nige unter die Guarde kam, wie aber der Koͤnig ausgefahren, ſo konnte
er nicht ſo geſchwind reiten als gefahren wurde, da wurde er abgeſetzt.
Haͤtte er eine andere Charge gehabt, wuͤrde er dieſelbe vielleicht beſſer
verwalten koͤnnen, daher iſt auch nicht zu verwundern, wenn bey Hof
bald dieſer bald jener caſſiret wird, und continuirliche Veraͤnderungen vor-
gehen. Wer bey Hofe ſeyn will muß nicht peſant, ſondern geſchwind,
promt ſeyn. Die groſſen Herren haben keine Gedult, und wenn du
denckſt, ſie ſollen auf dich warten, ſane periiſti. Drum gehoͤren geſchwin-
de Koͤpffe an Hof, je promter einer iſt, je beſſer kan er ſeine fortune machen.
Ich weiß einen Cavalier, welcher bloß dadurch ſeine fortune gemacht,
weil er beſtaͤndig da geweſen und alles in acht genommen. Kein
Menſch wuſte erſt warum er geſtiegen, der Herr ſagte aber einesmahls
ſelbſt: Er wuͤſte wohl daß andere da waͤren welche mehr raffinement
haͤtten, aber dieſer waͤre doch accurat. Es kan einer pur tout ſeine for-
tune
machen bey Hofe, wo er hinkommt, wenn er patientiſſimus ſupplex
inſinuant,
und gleich weiß einen Weg zu finden, wie es anzufangen. So
war der Charnace beſchaffen, und iſt der Muͤhe werth, den Articul beym
Bayle von ihm zu leſen. Die Koͤnigin Chriſtina iſt den Salvio guͤnſtiger
geweſen, als den Oxenſtirn, Oxenſtirn war peſant, da hingegen Salvius
promt
war, und eine dexterité blicken ließ. Der Comte d’Avaux war
von Jugend auf in publiquen affairen auferzogen worden, und viel nach-
dencklicher, als der Servien, und doch hat Mazarini den Servien mehr ge-
liebt. Dieſelbige Schwermuth, ratione animi, kan einer ſich vertreiben durch
converſation, ratione corporis, durch exercitia.

In Anſehung
des Willens.

§. 15. 16. 17. Es muß ein aulicus homo probus ſeyn; Sonſt ſagt man
zwar: Exeat aula, qui vult eſſe pius. Aber das wird keiner approbiren.
Die probitas iſt zu allen Dingen nuͤtze. Wenn die Menſchen alle pro-
bit
aͤt verlaſſen, ſo iſt kein Wunder, wenn ſie verungluͤcken, in allerhand
Thorheiten fallen, und endlich gar ins Gefaͤngniß kommen. Wir ha-

ben
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[486/0506] Cap. V. worden. Beym Ludovico XI. hat niemand mehr ausgerichtet, als ſein Leib-Barbier, beym N. war der Cammer-Diener an den ſich alle Ge- heimde Raͤthe addreſſiret und mit ihm Bruͤderſchafft getruncken. Es muß auch einer ein Judicium diſcretivum haben, daß er ſiehet, worzu er ſich ſchickt; Darum hat Gracian einen eigenen Ort darinnen er ſagt: es ſolle einer abwaͤgen, worzu er ſich ſchicke. Viele ſind ſo beſchaffen, daß ſie ſich wollen laſſen zu einer Charge emploiren, darzu ſie ſich doch nicht ſchicken. Wer will ein Ober-Jaͤger-Meiſter werden, muß die Jaͤ- gerey ex fundamento verſtehen; Wer ein Stall-Meiſter werden will, muß das Reiten verſtehen. Ich weiß einen der unter dem vorigen Koͤ- nige unter die Guarde kam, wie aber der Koͤnig ausgefahren, ſo konnte er nicht ſo geſchwind reiten als gefahren wurde, da wurde er abgeſetzt. Haͤtte er eine andere Charge gehabt, wuͤrde er dieſelbe vielleicht beſſer verwalten koͤnnen, daher iſt auch nicht zu verwundern, wenn bey Hof bald dieſer bald jener caſſiret wird, und continuirliche Veraͤnderungen vor- gehen. Wer bey Hofe ſeyn will muß nicht peſant, ſondern geſchwind, promt ſeyn. Die groſſen Herren haben keine Gedult, und wenn du denckſt, ſie ſollen auf dich warten, ſane periiſti. Drum gehoͤren geſchwin- de Koͤpffe an Hof, je promter einer iſt, je beſſer kan er ſeine fortune machen. Ich weiß einen Cavalier, welcher bloß dadurch ſeine fortune gemacht, weil er beſtaͤndig da geweſen und alles in acht genommen. Kein Menſch wuſte erſt warum er geſtiegen, der Herr ſagte aber einesmahls ſelbſt: Er wuͤſte wohl daß andere da waͤren welche mehr raffinement haͤtten, aber dieſer waͤre doch accurat. Es kan einer pur tout ſeine for- tune machen bey Hofe, wo er hinkommt, wenn er patientiſſimus ſupplex inſinuant, und gleich weiß einen Weg zu finden, wie es anzufangen. So war der Charnace beſchaffen, und iſt der Muͤhe werth, den Articul beym Bayle von ihm zu leſen. Die Koͤnigin Chriſtina iſt den Salvio guͤnſtiger geweſen, als den Oxenſtirn, Oxenſtirn war peſant, da hingegen Salvius promt war, und eine dexterité blicken ließ. Der Comte d’Avaux war von Jugend auf in publiquen affairen auferzogen worden, und viel nach- dencklicher, als der Servien, und doch hat Mazarini den Servien mehr ge- liebt. Dieſelbige Schwermuth, ratione animi, kan einer ſich vertreiben durch converſation, ratione corporis, durch exercitia. §. 15. 16. 17. Es muß ein aulicus homo probus ſeyn; Sonſt ſagt man zwar: Exeat aula, qui vult eſſe pius. Aber das wird keiner approbiren. Die probitas iſt zu allen Dingen nuͤtze. Wenn die Menſchen alle pro- bitaͤt verlaſſen, ſo iſt kein Wunder, wenn ſie verungluͤcken, in allerhand Thorheiten fallen, und endlich gar ins Gefaͤngniß kommen. Wir ha- ben

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/506>, abgerufen am 24.11.2024.