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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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passio war; Die meisten Hof-Leute sind durch die Madame Montespan,
oder Maintenon, recommendiret worden. Sein gantzes Leben ist meli-
ret mit lauter amours, doch hat er sich so weit nicht lassen verleiten, daß
er nicht darbey auf seine Leute regardiret. Bey seinem Hofe sind auch
keine Leute gestiegen, als die entweder esprit gehabt, oder Poeten gewe-
sen. Drum sind die Poeten Racine und Boileau bey ihm in grossen
Gnaden gewesen, und haben pensiones bekommen. Henricus VIII. hat
den Buchananum aestimiret, wegen seines ingenii. Ingleichen hat er den
Deliderium Erasmum Roterod. in seine Dienste nehmen wollen, propter
colloquia;
aber Erasmus hat es ausgeschlagen. Hiervon kan man Nach-
richt finden in des Mons. le Clerc Bibliotheque choisie, da er einen ex-
tract
aus des Erasmi operibus und epistolis machet. Niemanden ist be-
schwerlicher zu dienen, als einem Herrn, der ein melancholicus, sonder-
lich, wenn es ein melancholico-sanguineus; So sind die Tyrannen be-
schaffen gewesen, wie sie Suetonius abmahlet, das sind die närrischten Leu-
te, welche von einem extremo auf das andere fallen. Wer jetzo einen
Discant und im Augenblick einen General-Baß singen wollte, der würde
ausgelachet. Uber alles lachet man, was auf extrema fället. Die
Pickelheringe, wenn sie die Leute wollen lachend machen, machen sich bald
klein bald groß; so ists bey einem melancholico-sanguineo, bald ist er
extrem traurig, bald wollen solche ihre Gemahlinen auffressen, bald todt
haben, bald erheben sie ihre Mignons bis in Himmel, bald stürtzen sie
solche in die Hölle, bald geben sie ihnen alles, bald werden sie neidisch,
bald sind sie in grosser Sicherheit, bald in grosser Furcht. Ein böser
cholerischer Herr wirfft einen geschwind übern Hauffen, aber nur zu ei-
ner solchen Zeit, da man sich nicht schmiegen und bücken kan; man darff
aber nur aus dem Wege gehen: hergegen ein Herr, welcher ein melan-
cholico-sanguineus
oder sanguineo-melancholicus hat kein iudicium,
kein imperium, der weiß sich nicht zu finden. In secundis rebus sind sie
inflati, bald wieder jaloux, fürchten sich und stürtzen ihre Ministres; sie
lieben närrische flatterien, schencken weg, hernach verdreußt sie es. Hen-
ricus S.
war so beschaffen, der erst den Meinwock viel geschencket, her-
nach verdroß es ihm, und nennete denselben seinen Satan. Ein solcher
Herr war auch der Louis XIII. bey dem Richelieu offt Gefahr gelauffen.
Wenn sie keinen rechten Premier-Ministre haben, und fallen in die Hand
eines fourbe, so ist das gantze Reich verlohren. So viel ist gewiß, man
muß sich nach dem Fürsten accommodiren, er mag eine inclination ha-
ben, was er vor eine will, denn wer will a la Cour avanciren, darff
sich nicht einbilden, daß sich der Fürst werde nach ihm accommodiren.

§. 32. 33.

Cap. V.
paſſio war; Die meiſten Hof-Leute ſind durch die Madame Monteſpan,
oder Maintenon, recommendiret worden. Sein gantzes Leben iſt meli-
ret mit lauter amours, doch hat er ſich ſo weit nicht laſſen verleiten, daß
er nicht darbey auf ſeine Leute regardiret. Bey ſeinem Hofe ſind auch
keine Leute geſtiegen, als die entweder eſprit gehabt, oder Poeten gewe-
ſen. Drum ſind die Poeten Racine und Boileau bey ihm in groſſen
Gnaden geweſen, und haben penſiones bekommen. Henricus VIII. hat
den Buchananum æſtimiret, wegen ſeines ingenii. Ingleichen hat er den
Deliderium Eraſmum Roterod. in ſeine Dienſte nehmen wollen, propter
colloquia;
aber Eraſmus hat es ausgeſchlagen. Hiervon kan man Nach-
richt finden in des Monſ. le Clerc Bibliotheque choiſiè, da er einen ex-
tract
aus des Eraſmi operibus und epiſtolis machet. Niemanden iſt be-
ſchwerlicher zu dienen, als einem Herrn, der ein melancholicus, ſonder-
lich, wenn es ein melancholico-ſanguineus; So ſind die Tyrannen be-
ſchaffen geweſen, wie ſie Suetonius abmahlet, das ſind die naͤrriſchten Leu-
te, welche von einem extremo auf das andere fallen. Wer jetzo einen
Discant und im Augenblick einen General-Baß ſingen wollte, der wuͤrde
ausgelachet. Uber alles lachet man, was auf extrema faͤllet. Die
Pickelheringe, wenn ſie die Leute wollen lachend machen, machen ſich bald
klein bald groß; ſo iſts bey einem melancholico-ſanguineo, bald iſt er
extrem traurig, bald wollen ſolche ihre Gemahlinen auffreſſen, bald todt
haben, bald erheben ſie ihre Mignons bis in Himmel, bald ſtuͤrtzen ſie
ſolche in die Hoͤlle, bald geben ſie ihnen alles, bald werden ſie neidiſch,
bald ſind ſie in groſſer Sicherheit, bald in groſſer Furcht. Ein boͤſer
choleriſcher Herr wirfft einen geſchwind uͤbern Hauffen, aber nur zu ei-
ner ſolchen Zeit, da man ſich nicht ſchmiegen und buͤcken kan; man darff
aber nur aus dem Wege gehen: hergegen ein Herr, welcher ein melan-
cholico-ſanguineus
oder ſanguineo-melancholicus hat kein iudicium,
kein imperium, der weiß ſich nicht zu finden. In ſecundis rebus ſind ſie
inflati, bald wieder jaloux, fuͤrchten ſich und ſtuͤrtzen ihre Miniſtres; ſie
lieben naͤrriſche flatterien, ſchencken weg, hernach verdreußt ſie es. Hen-
ricus S.
war ſo beſchaffen, der erſt den Meinwock viel geſchencket, her-
nach verdroß es ihm, und nennete denſelben ſeinen Satan. Ein ſolcher
Herr war auch der Louis XIII. bey dem Richelieu offt Gefahr gelauffen.
Wenn ſie keinen rechten Premier-Miniſtre haben, und fallen in die Hand
eines fourbe, ſo iſt das gantze Reich verlohren. So viel iſt gewiß, man
muß ſich nach dem Fuͤrſten accommodiren, er mag eine inclination ha-
ben, was er vor eine will, denn wer will a la Cour avanciren, darff
ſich nicht einbilden, daß ſich der Fuͤrſt werde nach ihm accommodiren.

§. 32. 33.
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[494/0514] Cap. V. paſſio war; Die meiſten Hof-Leute ſind durch die Madame Monteſpan, oder Maintenon, recommendiret worden. Sein gantzes Leben iſt meli- ret mit lauter amours, doch hat er ſich ſo weit nicht laſſen verleiten, daß er nicht darbey auf ſeine Leute regardiret. Bey ſeinem Hofe ſind auch keine Leute geſtiegen, als die entweder eſprit gehabt, oder Poeten gewe- ſen. Drum ſind die Poeten Racine und Boileau bey ihm in groſſen Gnaden geweſen, und haben penſiones bekommen. Henricus VIII. hat den Buchananum æſtimiret, wegen ſeines ingenii. Ingleichen hat er den Deliderium Eraſmum Roterod. in ſeine Dienſte nehmen wollen, propter colloquia; aber Eraſmus hat es ausgeſchlagen. Hiervon kan man Nach- richt finden in des Monſ. le Clerc Bibliotheque choiſiè, da er einen ex- tract aus des Eraſmi operibus und epiſtolis machet. Niemanden iſt be- ſchwerlicher zu dienen, als einem Herrn, der ein melancholicus, ſonder- lich, wenn es ein melancholico-ſanguineus; So ſind die Tyrannen be- ſchaffen geweſen, wie ſie Suetonius abmahlet, das ſind die naͤrriſchten Leu- te, welche von einem extremo auf das andere fallen. Wer jetzo einen Discant und im Augenblick einen General-Baß ſingen wollte, der wuͤrde ausgelachet. Uber alles lachet man, was auf extrema faͤllet. Die Pickelheringe, wenn ſie die Leute wollen lachend machen, machen ſich bald klein bald groß; ſo iſts bey einem melancholico-ſanguineo, bald iſt er extrem traurig, bald wollen ſolche ihre Gemahlinen auffreſſen, bald todt haben, bald erheben ſie ihre Mignons bis in Himmel, bald ſtuͤrtzen ſie ſolche in die Hoͤlle, bald geben ſie ihnen alles, bald werden ſie neidiſch, bald ſind ſie in groſſer Sicherheit, bald in groſſer Furcht. Ein boͤſer choleriſcher Herr wirfft einen geſchwind uͤbern Hauffen, aber nur zu ei- ner ſolchen Zeit, da man ſich nicht ſchmiegen und buͤcken kan; man darff aber nur aus dem Wege gehen: hergegen ein Herr, welcher ein melan- cholico-ſanguineus oder ſanguineo-melancholicus hat kein iudicium, kein imperium, der weiß ſich nicht zu finden. In ſecundis rebus ſind ſie inflati, bald wieder jaloux, fuͤrchten ſich und ſtuͤrtzen ihre Miniſtres; ſie lieben naͤrriſche flatterien, ſchencken weg, hernach verdreußt ſie es. Hen- ricus S. war ſo beſchaffen, der erſt den Meinwock viel geſchencket, her- nach verdroß es ihm, und nennete denſelben ſeinen Satan. Ein ſolcher Herr war auch der Louis XIII. bey dem Richelieu offt Gefahr gelauffen. Wenn ſie keinen rechten Premier-Miniſtre haben, und fallen in die Hand eines fourbe, ſo iſt das gantze Reich verlohren. So viel iſt gewiß, man muß ſich nach dem Fuͤrſten accommodiren, er mag eine inclination ha- ben, was er vor eine will, denn wer will a la Cour avanciren, darff ſich nicht einbilden, daß ſich der Fuͤrſt werde nach ihm accommodiren. §. 32. 33.

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/514>, abgerufen am 25.11.2024.