Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.De variis hominum Statibus. fordere eine grosse application. Die Music hat auch einen grossen Nutzen,excitat Melancholicos. Wir finden, daß Saul gescheut worden, wenn er hören auf der Harffe spielen. Man braucht sie auch respectu des Got- tesdienstes; daher sagt Barbeyrac, man könte noch allerhand raisons finden, dieselbe zu defendiren. Sie ist gegründet in der Mathematic, und hat viele effectus utiles, daß man sich also wohl darauf legen kan. Deß- wegen meynt Barbeyrac, man müsse bey denen perfectionibus keine Ent- husiasten hören, welche sagten: man könne es mißbrauchen. Denn man kan alles mißbrauchen, und wenn man es so genau nehmen wollte, müste man alle Handwercker abschaffen; die Leute müsten in Wald ge- hen, und daselbst Wurtzeln essen, und Wasser trincken, wie die Alten ge- than; Das verlanget aber unser HErr GOtt nicht von uns. Wir se- hen, daß CHristus und die Apostel nicht in Wald gelauffen, sondern sie haben sich bey andern Menschen aufgehalten. Paulus war selbst ein Teppichmacher, einen Teppich können wir auch noch entbehren, und brauchen ihn eben so nothwendig nicht. Man muß also nicht alle Pro- fessiones verwerffen, als die per se illicitae, oder welche eine insignem va- nitatem bey sich führen, wie die Profession der Gauckler. Man kan nicht alles so abschaffen, wie man es sich in seinem cerebello vorstellet. Da- her wird aber eben die quaestio schwer, was man sich vor eine Profession erwehlen solle? Alsdenn aber ist sie leicht, wenn etliche schon in einem statu leben. e. g. ein nobilis homo, was soll der werden? Resp. Ein homo no- bilis will helffen ad regendum, und dahin trachten, ut defendat rempu- blicam, daher sagt Callieres, ist kein ander Mittel, als daß homines no- biles sich legen, auf politische und moralische Sachen; auf Historie; Denn die Historie giebt mir Erfahrung, weil ich nicht allenthalben selbst hinkommen kan. Also ist absurd, wenn ein homo nobilis auf was anders fällt. e. g. Er will ein perfecter Musicus werden, das schickt sich wohl vor einen andern, und hat sich mancher sehr viel dadurch zuwege gebracht, aber einem Edelmann stehet das nicht an. Eben so ist es auch beschaffen, wenn ein nobilis sich wollte bloß auf mathesin legen, da sagt auch Osorius, er habe sein Lebtage nicht gehöret, daß ein Mathematicus, welcher gut punctiren und messen können, sich zum Regieren geschickt. Hauptsächlich hat ein nobilis zwey Stücke vor sich, la Guerre oder togam; daß er müsse in Krieg ziehen, oder studiren, auf was anders darff er sich nicht legen. Man wird sehen, daß diejenigen, welche in einen grossen Stand kom- men sind, ein groß Mißvergnügen bezeugen, wenn der Sohn sich mit Madame Trampel verlobet, und wieder unter das Pack kommt. Also kan ein jeder leicht sehen, was er vor eine Profession erwehlen kan. Quaer. Wie F 3
De variis hominum Statibus. fordere eine groſſe application. Die Muſic hat auch einen groſſen Nutzen,excitat Melancholicos. Wir finden, daß Saul geſcheut worden, wenn er hoͤren auf der Harffe ſpielen. Man braucht ſie auch reſpectu des Got- tesdienſtes; daher ſagt Barbeyrac, man koͤnte noch allerhand raiſons finden, dieſelbe zu defendiren. Sie iſt gegruͤndet in der Mathematic, und hat viele effectus utiles, daß man ſich alſo wohl darauf legen kan. Deß- wegen meynt Barbeyrac, man muͤſſe bey denen perfectionibus keine Ent- huſiaſten hoͤren, welche ſagten: man koͤnne es mißbrauchen. Denn man kan alles mißbrauchen, und wenn man es ſo genau nehmen wollte, muͤſte man alle Handwercker abſchaffen; die Leute muͤſten in Wald ge- hen, und daſelbſt Wurtzeln eſſen, und Waſſer trincken, wie die Alten ge- than; Das verlanget aber unſer HErr GOtt nicht von uns. Wir ſe- hen, daß CHriſtus und die Apoſtel nicht in Wald gelauffen, ſondern ſie haben ſich bey andern Menſchen aufgehalten. Paulus war ſelbſt ein Teppichmacher, einen Teppich koͤnnen wir auch noch entbehren, und brauchen ihn eben ſo nothwendig nicht. Man muß alſo nicht alle Pro- feſſiones verwerffen, als die per ſe illicitæ, oder welche eine inſignem va- nitatem bey ſich fuͤhren, wie die Profeſſion der Gauckler. Man kan nicht alles ſo abſchaffen, wie man es ſich in ſeinem cerebello vorſtellet. Da- her wird aber eben die quæſtio ſchwer, was man ſich vor eine Profeſſion erwehlen ſolle? Alsdenn aber iſt ſie leicht, wenn etliche ſchon in einem ſtatu leben. e. g. ein nobilis homo, was ſoll der werden? Reſp. Ein homo no- bilis will helffen ad regendum, und dahin trachten, ut defendat rempu- blicam, daher ſagt Callieres, iſt kein ander Mittel, als daß homines no- biles ſich legen, auf politiſche und moraliſche Sachen; auf Hiſtorie; Denn die Hiſtorie giebt mir Erfahrung, weil ich nicht allenthalben ſelbſt hinkommen kan. Alſo iſt abſurd, wenn ein homo nobilis auf was anders faͤllt. e. g. Er will ein perfecter Muſicus werden, das ſchickt ſich wohl vor einen andern, und hat ſich mancher ſehr viel dadurch zuwege gebracht, aber einem Edelmann ſtehet das nicht an. Eben ſo iſt es auch beſchaffen, wenn ein nobilis ſich wollte bloß auf matheſin legen, da ſagt auch Oſorius, er habe ſein Lebtage nicht gehoͤret, daß ein Mathematicus, welcher gut punctiren und meſſen koͤnnen, ſich zum Regieren geſchickt. Hauptſaͤchlich hat ein nobilis zwey Stuͤcke vor ſich, la Guerre oder togam; daß er muͤſſe in Krieg ziehen, oder ſtudiren, auf was anders darff er ſich nicht legen. Man wird ſehen, daß diejenigen, welche in einen groſſen Stand kom- men ſind, ein groß Mißvergnuͤgen bezeugen, wenn der Sohn ſich mit Madame Trampel verlobet, und wieder unter das Pack kommt. Alſo kan ein jeder leicht ſehen, was er vor eine Profeſſion erwehlen kan. Quær. Wie F 3
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excitat Melancholicos. Wir finden, daß Saul geſcheut worden, wenn
er hoͤren auf der Harffe ſpielen. Man braucht ſie auch reſpectu des Got-
tesdienſtes; daher ſagt Barbeyrac, man koͤnte noch allerhand raiſons
finden, dieſelbe zu defendiren. Sie iſt gegruͤndet in der Mathematic, und
hat viele effectus utiles, daß man ſich alſo wohl darauf legen kan. Deß-
wegen meynt Barbeyrac, man muͤſſe bey denen perfectionibus keine Ent-
huſiaſten hoͤren, welche ſagten: man koͤnne es mißbrauchen. Denn
man kan alles mißbrauchen, und wenn man es ſo genau nehmen wollte,
muͤſte man alle Handwercker abſchaffen; die Leute muͤſten in Wald ge-
hen, und daſelbſt Wurtzeln eſſen, und Waſſer trincken, wie die Alten ge-
than; Das verlanget aber unſer HErr GOtt nicht von uns. Wir ſe-
hen, daß CHriſtus und die Apoſtel nicht in Wald gelauffen, ſondern ſie
haben ſich bey andern Menſchen aufgehalten. Paulus war ſelbſt ein
Teppichmacher, einen Teppich koͤnnen wir auch noch entbehren, und
brauchen ihn eben ſo nothwendig nicht. Man muß alſo nicht alle Pro-
feſſiones verwerffen, als die per ſe illicitæ, oder welche eine inſignem va-
nitatem bey ſich fuͤhren, wie die Profeſſion der Gauckler. Man kan nicht
alles ſo abſchaffen, wie man es ſich in ſeinem cerebello vorſtellet. Da-
her wird aber eben die quæſtio ſchwer, was man ſich vor eine Profeſſion
erwehlen ſolle? Alsdenn aber iſt ſie leicht, wenn etliche ſchon in einem ſtatu
leben. e. g. ein nobilis homo, was ſoll der werden? Reſp. Ein homo no-
bilis will helffen ad regendum, und dahin trachten, ut defendat rempu-
blicam, daher ſagt Callieres, iſt kein ander Mittel, als daß homines no-
biles ſich legen, auf politiſche und moraliſche Sachen; auf Hiſtorie;
Denn die Hiſtorie giebt mir Erfahrung, weil ich nicht allenthalben ſelbſt
hinkommen kan. Alſo iſt abſurd, wenn ein homo nobilis auf was anders
faͤllt. e. g. Er will ein perfecter Muſicus werden, das ſchickt ſich wohl
vor einen andern, und hat ſich mancher ſehr viel dadurch zuwege gebracht,
aber einem Edelmann ſtehet das nicht an. Eben ſo iſt es auch beſchaffen,
wenn ein nobilis ſich wollte bloß auf matheſin legen, da ſagt auch Oſorius,
er habe ſein Lebtage nicht gehoͤret, daß ein Mathematicus, welcher gut
punctiren und meſſen koͤnnen, ſich zum Regieren geſchickt. Hauptſaͤchlich
hat ein nobilis zwey Stuͤcke vor ſich, la Guerre oder togam; daß er muͤſſe
in Krieg ziehen, oder ſtudiren, auf was anders darff er ſich nicht legen.
Man wird ſehen, daß diejenigen, welche in einen groſſen Stand kom-
men ſind, ein groß Mißvergnuͤgen bezeugen, wenn der Sohn ſich mit
Madame Trampel verlobet, und wieder unter das Pack kommt. Alſo
kan ein jeder leicht ſehen, was er vor eine Profeſſion erwehlen kan. Quær.
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