verstehen geben. Ich mögte noch den Rath da- bey ertheilen, dergleichen Uebungen nicht im- mer im Hause, sondern auch ganz besonders draussen vorzunehmen. Wir verbinden zwey, drey und mehreren Knaben von der Gesellschaft die Augen. Die Sehenden führen sie unter Be- gleitung ihres Aufsehers hinaus ins freye Feld, auf eine viertel und halbe Stunde weit vom Wohnorte weg. Hier öffnet man ihnen die Au- gen und verlangt, dass sie sich nach Hause finden sollen. Der Abend ist so dunkel, dass die Au- gen wenig oder gar keine Dienste leisten; das Feld unbekannt, denn man ist, gleichsam wie vom Himmel gefallen, dahin gekommen; keine Weltgegend ist bekannt. Weit schlimmer ist diess alles, wenn man zur Uebung ein anderes Mal einen Wald wählt. Ich setze indess voraus, dass die Zöglinge ihre vaterländische Gegend wenigstens im Ganzen etwas kennen; so geht dann die Untersuchung durch Gefühl und Ge- hör vor sich. Man untersucht die Natur des Bo- dens, man benezt mit dem Munde einen Finger, streckt ihn über den Kopf hinaus, um den Zug der Luft daran zu bemerken, man beobachtet die Wolken, den Stand der Sterne, die lezten Ueberreste der Abendröthe, das Moos an den Bäumen, man fühlt mit den Füssen nach einem Wege, man horcht auf entferntes Getöse u. s. w.
verſtehen geben. Ich mögte noch den Rath da- bey ertheilen, dergleichen Uebungen nicht im- mer im Hauſe, ſondern auch ganz beſonders drauſsen vorzunehmen. Wir verbinden zwey, drey und mehreren Knaben von der Geſellſchaft die Augen. Die Sehenden führen ſie unter Be- gleitung ihres Aufſehers hinaus ins freye Feld, auf eine viertel und halbe Stunde weit vom Wohnorte weg. Hier öffnet man ihnen die Au- gen und verlangt, daſs ſie ſich nach Hauſe finden ſollen. Der Abend iſt ſo dunkel, daſs die Au- gen wenig oder gar keine Dienſte leiſten; das Feld unbekannt, denn man iſt, gleichſam wie vom Himmel gefallen, dahin gekommen; keine Weltgegend iſt bekannt. Weit ſchlimmer iſt dieſs alles, wenn man zur Uebung ein anderes Mal einen Wald wählt. Ich ſetze indeſs voraus, daſs die Zöglinge ihre vaterländiſche Gegend wenigſtens im Ganzen etwas kennen; ſo geht dann die Unterſuchung durch Gefühl und Ge- hör vor ſich. Man unterſucht die Natur des Bo- dens, man benezt mit dem Munde einen Finger, ſtreckt ihn über den Kopf hinaus, um den Zug der Luft daran zu bemerken, man beobachtet die Wolken, den Stand der Sterne, die lezten Ueberreſte der Abendröthe, das Moos an den Bäumen, man fühlt mit den Füſsen nach einem Wege, man horcht auf entferntes Getöſe u. ſ. w.
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verſtehen geben. Ich mögte noch den Rath da-
bey ertheilen, dergleichen Uebungen nicht im-
mer im Hauſe, ſondern auch ganz beſonders
drauſsen vorzunehmen. Wir verbinden zwey,
drey und mehreren Knaben von der Geſellſchaft
die Augen. Die Sehenden führen ſie unter Be-
gleitung ihres Aufſehers hinaus ins freye Feld,
auf eine viertel und halbe Stunde weit vom
Wohnorte weg. Hier öffnet man ihnen die Au-
gen und verlangt, daſs ſie ſich nach Hauſe finden
ſollen. Der Abend iſt ſo dunkel, daſs die Au-
gen wenig oder gar keine Dienſte leiſten; das
Feld unbekannt, denn man iſt, gleichſam wie vom
Himmel gefallen, dahin gekommen; keine
Weltgegend iſt bekannt. Weit ſchlimmer iſt
dieſs alles, wenn man zur Uebung ein anderes
Mal einen Wald wählt. Ich ſetze indeſs voraus,
daſs die Zöglinge ihre vaterländiſche Gegend
wenigſtens im Ganzen etwas kennen; ſo geht
dann die Unterſuchung durch Gefühl und Ge-
hör vor ſich. Man unterſucht die Natur des Bo-
dens, man benezt mit dem Munde einen Finger,
ſtreckt ihn über den Kopf hinaus, um den Zug
der Luft daran zu bemerken, man beobachtet
die Wolken, den Stand der Sterne, die lezten
Ueberreſte der Abendröthe, das Moos an den
Bäumen, man fühlt mit den Füſsen nach einem
Wege, man horcht auf entferntes Getöſe u. ſ. w.
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Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/278>, abgerufen am 26.11.2024.
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