Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

und behauptet, daß beide Länder in ihrer Vereinigung das Geschick der Welt entscheiden würden. Eine solche Idee war damals, als Napoleon Staaten schuf und zertrümmerte, keine Chimäre. Die Entwickelung des Gedankenganges, sogar der Styl, alles trägt in diesen, besonders den noch ungedruckten Fragmenten, schon das Gepräge des spätern Börne'schen Charakters. Er entwirft ein lebhaftes Bild von der Lage Preußens vor der Schlacht bei Jena. Er nennt es den Geist der Mittelmäßigkeit was damals regiert hätte; nur durch seine Gewöhnlichkeit hätte man sich in der preußischen Verwaltung poussiren können. Seine Definition des Staates als eines umfassenden Bandes für jede freie menschliche Thätigkeit entspricht vollkommen den später von ihm vertheidigten Ansichten. Doch ist seine Polemik noch harmlos, seine Satyre noch in der Freude über die originelle Art, wie sie im Styl heraustritt, befangen. Vom Adel redend, sagt er: "die Deutschen werden regirt von Menschen, die es sich zur Ehre anrechnen, von Wegelagerern abzustammen." Er dringt darauf, daß "die Fürsten sich mit den Philosophen befreundeten," für welche harmlose Bundesgenossenschaft die spätre Aufregung das Wort: "Geist der Zeit," substituirte. Manche Bilder

und behauptet, daß beide Länder in ihrer Vereinigung das Geschick der Welt entscheiden würden. Eine solche Idee war damals, als Napoleon Staaten schuf und zertrümmerte, keine Chimäre. Die Entwickelung des Gedankenganges, sogar der Styl, alles trägt in diesen, besonders den noch ungedruckten Fragmenten, schon das Gepräge des spätern Börne’schen Charakters. Er entwirft ein lebhaftes Bild von der Lage Preußens vor der Schlacht bei Jena. Er nennt es den Geist der Mittelmäßigkeit was damals regiert hätte; nur durch seine Gewöhnlichkeit hätte man sich in der preußischen Verwaltung poussiren können. Seine Definition des Staates als eines umfassenden Bandes für jede freie menschliche Thätigkeit entspricht vollkommen den später von ihm vertheidigten Ansichten. Doch ist seine Polemik noch harmlos, seine Satyre noch in der Freude über die originelle Art, wie sie im Styl heraustritt, befangen. Vom Adel redend, sagt er: „die Deutschen werden regirt von Menschen, die es sich zur Ehre anrechnen, von Wegelagerern abzustammen.“ Er dringt darauf, daß „die Fürsten sich mit den Philosophen befreundeten,“ für welche harmlose Bundesgenossenschaft die spätre Aufregung das Wort: „Geist der Zeit,“ substituirte. Manche Bilder

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0124" n="82"/>
und behauptet, daß beide Länder in ihrer Vereinigung das Geschick der Welt entscheiden würden. Eine solche Idee war damals, als Napoleon Staaten schuf und zertrümmerte, keine Chimäre. Die Entwickelung des Gedankenganges, sogar der Styl, alles trägt in diesen, besonders den noch ungedruckten Fragmenten, schon das Gepräge des spätern Börne&#x2019;schen Charakters. Er entwirft ein lebhaftes Bild von der Lage Preußens vor der Schlacht bei Jena. Er nennt es den Geist der Mittelmäßigkeit was damals regiert hätte; nur durch seine Gewöhnlichkeit hätte man sich in der preußischen Verwaltung poussiren können. Seine Definition des Staates als eines umfassenden Bandes für jede freie menschliche Thätigkeit entspricht vollkommen den später von ihm vertheidigten Ansichten. Doch ist seine Polemik noch harmlos, seine Satyre noch in der Freude über die originelle Art, wie sie im Styl heraustritt, befangen. Vom Adel redend, sagt er: &#x201E;die Deutschen werden regirt von Menschen, die es sich zur Ehre anrechnen, von Wegelagerern abzustammen.&#x201C; Er dringt darauf, daß &#x201E;die Fürsten sich mit den <hi rendition="#g">Philosophen</hi> befreundeten,&#x201C; für welche harmlose Bundesgenossenschaft die spätre Aufregung das Wort: &#x201E;<hi rendition="#g">Geist der Zeit</hi>,&#x201C; substituirte. Manche Bilder
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0124] und behauptet, daß beide Länder in ihrer Vereinigung das Geschick der Welt entscheiden würden. Eine solche Idee war damals, als Napoleon Staaten schuf und zertrümmerte, keine Chimäre. Die Entwickelung des Gedankenganges, sogar der Styl, alles trägt in diesen, besonders den noch ungedruckten Fragmenten, schon das Gepräge des spätern Börne’schen Charakters. Er entwirft ein lebhaftes Bild von der Lage Preußens vor der Schlacht bei Jena. Er nennt es den Geist der Mittelmäßigkeit was damals regiert hätte; nur durch seine Gewöhnlichkeit hätte man sich in der preußischen Verwaltung poussiren können. Seine Definition des Staates als eines umfassenden Bandes für jede freie menschliche Thätigkeit entspricht vollkommen den später von ihm vertheidigten Ansichten. Doch ist seine Polemik noch harmlos, seine Satyre noch in der Freude über die originelle Art, wie sie im Styl heraustritt, befangen. Vom Adel redend, sagt er: „die Deutschen werden regirt von Menschen, die es sich zur Ehre anrechnen, von Wegelagerern abzustammen.“ Er dringt darauf, daß „die Fürsten sich mit den Philosophen befreundeten,“ für welche harmlose Bundesgenossenschaft die spätre Aufregung das Wort: „Geist der Zeit,“ substituirte. Manche Bilder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-07-03T11:49:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-03T11:49:31Z)
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-07-03T11:49:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/124
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/124>, abgerufen am 25.11.2024.