Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Mad. W. und Börne nicht einmal Statt. Das Interesse, welches sie aneinander nahmen, war nicht die Folge einer plötzlichen Ueberraschung und Eingebung, sondern einer längern gemüthlichen Gewöhnung, einer sittlich reinen Freundschaft. Börne verkehrte in der Familie, wo sie wohnte, als täglicher Gast. Seine Pläne und Aussichten fanden bei den jungen weiblichen Mitgliedern derselben freundlich rathenden Vorschub, man ermunterte ihn, man genoß seinen geistreich anregenden Umgang. Mad. W. und Börne rückten zum Einverständniß über viele eigne Leiden und Begegnisse zusammen, die man sich nicht gestehen kann, ohne mit dem Bewußtsein, ein Geheimniß zu haben, auch den Anschein einer innigeren Vertraulichkeit vor der Welt zu gewinnen. So fesselten sich beide immer mehr zu einer Freundschaft, die, von jedem geschlechtlichen Bewußtsein entfernt, ein seltnes Beispiel, bis über das Grab hinausdauerte.

Dies wunderbare Verhältniß erprobte sich aber nicht bloß bei persönlichen Begegnissen und im Briefwechsel, sondern die Beziehung war gesellig fast so eng wie die Ehe. Börne traf mit seiner Freundin auf Reisen zusammen, wohnte in ihrer Nähe, mischte nicht selten die beiderseitigen Existenzmittel zu einer gemeinschaftlichen

Mad. W. und Börne nicht einmal Statt. Das Interesse, welches sie aneinander nahmen, war nicht die Folge einer plötzlichen Ueberraschung und Eingebung, sondern einer längern gemüthlichen Gewöhnung, einer sittlich reinen Freundschaft. Börne verkehrte in der Familie, wo sie wohnte, als täglicher Gast. Seine Pläne und Aussichten fanden bei den jungen weiblichen Mitgliedern derselben freundlich rathenden Vorschub, man ermunterte ihn, man genoß seinen geistreich anregenden Umgang. Mad. W. und Börne rückten zum Einverständniß über viele eigne Leiden und Begegnisse zusammen, die man sich nicht gestehen kann, ohne mit dem Bewußtsein, ein Geheimniß zu haben, auch den Anschein einer innigeren Vertraulichkeit vor der Welt zu gewinnen. So fesselten sich beide immer mehr zu einer Freundschaft, die, von jedem geschlechtlichen Bewußtsein entfernt, ein seltnes Beispiel, bis über das Grab hinausdauerte.

Dies wunderbare Verhältniß erprobte sich aber nicht bloß bei persönlichen Begegnissen und im Briefwechsel, sondern die Beziehung war gesellig fast so eng wie die Ehe. Börne traf mit seiner Freundin auf Reisen zusammen, wohnte in ihrer Nähe, mischte nicht selten die beiderseitigen Existenzmittel zu einer gemeinschaftlichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0195" n="153"/>
Mad. W. und Börne nicht einmal Statt. Das Interesse, welches sie aneinander nahmen, war nicht die Folge einer plötzlichen Ueberraschung und Eingebung, sondern einer längern gemüthlichen Gewöhnung, einer sittlich reinen Freundschaft. Börne verkehrte in der Familie, wo sie wohnte, als täglicher Gast. Seine Pläne und Aussichten fanden bei den jungen weiblichen Mitgliedern derselben freundlich rathenden Vorschub, man ermunterte ihn, man genoß seinen geistreich anregenden Umgang. Mad. W. und Börne rückten zum Einverständniß über viele eigne Leiden und Begegnisse zusammen, die man sich nicht gestehen kann, ohne mit dem Bewußtsein, ein Geheimniß zu haben, auch den Anschein einer innigeren Vertraulichkeit vor der Welt zu gewinnen. So fesselten sich beide immer mehr zu einer Freundschaft, die, von jedem geschlechtlichen Bewußtsein entfernt, ein seltnes Beispiel, bis über das Grab hinausdauerte.</p>
        <p>Dies wunderbare Verhältniß erprobte sich aber nicht bloß bei persönlichen Begegnissen und im Briefwechsel, sondern die Beziehung war gesellig fast so eng wie die Ehe. Börne traf mit seiner Freundin auf Reisen zusammen, wohnte in ihrer Nähe, mischte nicht selten die beiderseitigen Existenzmittel zu einer gemeinschaftlichen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0195] Mad. W. und Börne nicht einmal Statt. Das Interesse, welches sie aneinander nahmen, war nicht die Folge einer plötzlichen Ueberraschung und Eingebung, sondern einer längern gemüthlichen Gewöhnung, einer sittlich reinen Freundschaft. Börne verkehrte in der Familie, wo sie wohnte, als täglicher Gast. Seine Pläne und Aussichten fanden bei den jungen weiblichen Mitgliedern derselben freundlich rathenden Vorschub, man ermunterte ihn, man genoß seinen geistreich anregenden Umgang. Mad. W. und Börne rückten zum Einverständniß über viele eigne Leiden und Begegnisse zusammen, die man sich nicht gestehen kann, ohne mit dem Bewußtsein, ein Geheimniß zu haben, auch den Anschein einer innigeren Vertraulichkeit vor der Welt zu gewinnen. So fesselten sich beide immer mehr zu einer Freundschaft, die, von jedem geschlechtlichen Bewußtsein entfernt, ein seltnes Beispiel, bis über das Grab hinausdauerte. Dies wunderbare Verhältniß erprobte sich aber nicht bloß bei persönlichen Begegnissen und im Briefwechsel, sondern die Beziehung war gesellig fast so eng wie die Ehe. Börne traf mit seiner Freundin auf Reisen zusammen, wohnte in ihrer Nähe, mischte nicht selten die beiderseitigen Existenzmittel zu einer gemeinschaftlichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-07-03T11:49:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-03T11:49:31Z)
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-07-03T11:49:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/195
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/195>, abgerufen am 18.05.2024.