Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.annehmen, er würde gleich, noch ehe er der Gesellschaft vorgestellt wäre, mit einem Witz über die Schwelle stolpern. Das hat viele Leute so gewundert, in Börne beim Umgang einen so stillen, harmlosen Mann zu finden, der keinesweges mit Bonmots und Calembourgs um sich warf und bei dem gesellschaftlichen Rundspiele: "Die Leber ist von einem Hecht" boshafte Malicen anbrachte. Börne hielt weder Reden, noch konnte er witzig auf Bestellung seyn. Er mußte eben so auch in seinen Schriften Stoff und Veranlassung zum Witze haben, und um recht witzig zu seyn, mußte er aus dem Vollen greifen, wie seine "Schilderungen aus Paris" beweisen, die unter allen seinen Schriften noch immer für das schlagendste Zeugniß seiner feinen Beobachtungsgabe und seiner geistreichen Satyre gegolten haben.*) *) Man hat den Styl Börne's öfters nicht ganz correkt finden wollen. Herr Theodor Mundt in Berlin hat sich unter Andern die Mühe gegeben, beweisen zu wollen, daß Börne kein Deutsch schreiben könne. Es hat damit gute Wege. Einige Abweichungen seines Ausdrucks vom gewöhnlichen sind Provinzialismen. Eine wunderliche Art von Inversion in solchen Fügungen wie: "Die Treue, die das Band sollte seyn, fehlte" ist das Auffallendste davon.
annehmen, er würde gleich, noch ehe er der Gesellschaft vorgestellt wäre, mit einem Witz über die Schwelle stolpern. Das hat viele Leute so gewundert, in Börne beim Umgang einen so stillen, harmlosen Mann zu finden, der keinesweges mit Bonmots und Calembourgs um sich warf und bei dem gesellschaftlichen Rundspiele: „Die Leber ist von einem Hecht“ boshafte Malicen anbrachte. Börne hielt weder Reden, noch konnte er witzig auf Bestellung seyn. Er mußte eben so auch in seinen Schriften Stoff und Veranlassung zum Witze haben, und um recht witzig zu seyn, mußte er aus dem Vollen greifen, wie seine „Schilderungen aus Paris“ beweisen, die unter allen seinen Schriften noch immer für das schlagendste Zeugniß seiner feinen Beobachtungsgabe und seiner geistreichen Satyre gegolten haben.*) *) Man hat den Styl Börne’s öfters nicht ganz correkt finden wollen. Herr Theodor Mundt in Berlin hat sich unter Andern die Mühe gegeben, beweisen zu wollen, daß Börne kein Deutsch schreiben könne. Es hat damit gute Wege. Einige Abweichungen seines Ausdrucks vom gewöhnlichen sind Provinzialismen. Eine wunderliche Art von Inversion in solchen Fügungen wie: „Die Treue, die das Band sollte seyn, fehlte“ ist das Auffallendste davon.
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annehmen, er würde gleich, noch ehe er der Gesellschaft vorgestellt wäre, mit einem Witz über die Schwelle stolpern. Das hat viele Leute so gewundert, in Börne beim Umgang einen so stillen, harmlosen Mann zu finden, der keinesweges mit Bonmots und Calembourgs um sich warf und bei dem gesellschaftlichen Rundspiele: „Die Leber ist von einem Hecht“ boshafte Malicen anbrachte. Börne hielt weder Reden, noch konnte er witzig auf Bestellung seyn. Er mußte eben so auch in seinen Schriften Stoff und Veranlassung zum Witze haben, und um recht witzig zu seyn, mußte er aus dem Vollen greifen, wie seine „Schilderungen aus Paris“ beweisen, die unter allen seinen Schriften noch immer für das schlagendste Zeugniß seiner feinen Beobachtungsgabe und seiner geistreichen Satyre gegolten haben. *)
*) Man hat den Styl Börne’s öfters nicht ganz correkt finden wollen. Herr Theodor Mundt in Berlin hat sich unter Andern die Mühe gegeben, beweisen zu wollen, daß Börne kein Deutsch schreiben könne. Es hat damit gute Wege. Einige Abweichungen seines Ausdrucks vom gewöhnlichen sind Provinzialismen. Eine wunderliche Art von Inversion in solchen Fügungen wie: „Die Treue, die das Band sollte seyn, fehlte“ ist das Auffallendste davon.
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/210>, abgerufen am 16.02.2025. |