Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Barmherzigkeit, die man gegen einen Verurtheilten ausübte, wenn man ihn mit kleinen Schritten zum Schaffot führte.


So lange Hr. v. Villele die Ultrapartei gebraucht hat, schmeichelte er ihren Leidenschaften; jetzt da er erster Minister geworden, wendet er, wie üblich, den Leuten den Rücken zu. Er thut, was jeder seiner Freunde auch thun würde, sobald er Premier-Minister geworden wäre. Als solcher würde es selbst Herr v. Peyronnet nicht besser, das heißt hier, nicht schlimmer machen als Hr. v. Villele. Denn einmal auf den Gipfel der Verwaltung gekommen, von wo man alle Verhältnisse überschaut, einmal diejenige Macht und dasjenige Ansehen erlangt, welche den höchsten Ehrgeiz befriedigen, lernte noch jeder Staatsmann bald einsehen, daß Frankreich in aristokratischem oder in der Canzeleisprache der Heuchelei zu reden, in royalistischem Sinne nicht mehr regiert werden könne, und daß, würde es versucht, nicht bloß Frankreich, welches eine Nebensache ist, sondern auch

Barmherzigkeit, die man gegen einen Verurtheilten ausübte, wenn man ihn mit kleinen Schritten zum Schaffot führte.


So lange Hr. v. Villèle die Ultrapartei gebraucht hat, schmeichelte er ihren Leidenschaften; jetzt da er erster Minister geworden, wendet er, wie üblich, den Leuten den Rücken zu. Er thut, was jeder seiner Freunde auch thun würde, sobald er Premier-Minister geworden wäre. Als solcher würde es selbst Herr v. Peyronnet nicht besser, das heißt hier, nicht schlimmer machen als Hr. v. Villèle. Denn einmal auf den Gipfel der Verwaltung gekommen, von wo man alle Verhältnisse überschaut, einmal diejenige Macht und dasjenige Ansehen erlangt, welche den höchsten Ehrgeiz befriedigen, lernte noch jeder Staatsmann bald einsehen, daß Frankreich in aristokratischem oder in der Canzeleisprache der Heuchelei zu reden, in royalistischem Sinne nicht mehr regiert werden könne, und daß, würde es versucht, nicht bloß Frankreich, welches eine Nebensache ist, sondern auch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0217" n="175"/>
Barmherzigkeit, die man gegen einen Verurtheilten ausübte, wenn man ihn mit <hi rendition="#g">kleinen Schritten</hi> zum Schaffot führte.</p>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>So lange Hr. v. <hi rendition="#g">Villèle</hi> die Ultrapartei gebraucht hat, schmeichelte er ihren Leidenschaften; jetzt da er erster Minister geworden, wendet er, wie üblich, den Leuten den Rücken zu. Er thut, was jeder seiner Freunde auch thun würde, sobald er Premier-Minister geworden wäre. Als solcher würde es selbst Herr v. Peyronnet nicht besser, das heißt hier, nicht schlimmer machen als Hr. v. Villèle. Denn einmal auf den Gipfel der Verwaltung gekommen, von wo man alle Verhältnisse überschaut, einmal diejenige Macht und dasjenige Ansehen erlangt, welche den höchsten Ehrgeiz befriedigen, lernte noch jeder Staatsmann bald einsehen, daß Frankreich in aristokratischem oder in der Canzeleisprache der Heuchelei zu reden, in royalistischem Sinne nicht mehr regiert werden könne, und daß, würde es versucht, nicht bloß Frankreich, welches eine Nebensache ist, sondern auch
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0217] Barmherzigkeit, die man gegen einen Verurtheilten ausübte, wenn man ihn mit kleinen Schritten zum Schaffot führte. So lange Hr. v. Villèle die Ultrapartei gebraucht hat, schmeichelte er ihren Leidenschaften; jetzt da er erster Minister geworden, wendet er, wie üblich, den Leuten den Rücken zu. Er thut, was jeder seiner Freunde auch thun würde, sobald er Premier-Minister geworden wäre. Als solcher würde es selbst Herr v. Peyronnet nicht besser, das heißt hier, nicht schlimmer machen als Hr. v. Villèle. Denn einmal auf den Gipfel der Verwaltung gekommen, von wo man alle Verhältnisse überschaut, einmal diejenige Macht und dasjenige Ansehen erlangt, welche den höchsten Ehrgeiz befriedigen, lernte noch jeder Staatsmann bald einsehen, daß Frankreich in aristokratischem oder in der Canzeleisprache der Heuchelei zu reden, in royalistischem Sinne nicht mehr regiert werden könne, und daß, würde es versucht, nicht bloß Frankreich, welches eine Nebensache ist, sondern auch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-07-03T11:49:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-03T11:49:31Z)
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-07-03T11:49:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/217
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/217>, abgerufen am 21.11.2024.