Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.persönlichen Verhältnissen an's Tageslicht gerissen, gekränkt in Vater und Mutter, Schwester und Gattin, geärgert von der rothwangigen Genügsamkeit, die seinem Treiben mit einer Art von Mitleid zusieht, verzerrt zu werden in eine Carrikatur und als ein Märtyrer für etwas zu fallen, das selbst die nicht einmal anerkennen, denen zu Liebe es ersonnen und mit dem Tode besiegelt wurde! Und wenn ich den edlen Mann nenne, welcher diese Betrachtungen bei mir weckte, Ludwig Börne, so gesellt sich zu ihnen noch eine andre hinzu, von der ich nicht weiß, soll man sie eben so schmerzlich oder einen Trost nennen? Kaum war die Kunde von Börne's Tod erschollen, so war das Urtheil der entgegengesetztesten Partheien versöhnt. Was man dem Lebenden nicht einräumte, räumte man dem Todten ein. Als man ihn bestattete, senkten alle Prinzipien ihre Fahnen und sagten: Es war ein Charakter! Den Werth der Ideen, für die er gelebt hatte, ließ man unentschieden; man bewunderte wenigstens, daß er auch mit ihnen gestorben war. Er hatte nichts widerrufen, er hatte keinen Priester an sein Bett kommen lassen, um ihm einen Brief zu diktiren, den er an den frankfurter Senat schreiben sollte, er hatte Wolfgang Menzel persönlichen Verhältnissen an’s Tageslicht gerissen, gekränkt in Vater und Mutter, Schwester und Gattin, geärgert von der rothwangigen Genügsamkeit, die seinem Treiben mit einer Art von Mitleid zusieht, verzerrt zu werden in eine Carrikatur und als ein Märtyrer für etwas zu fallen, das selbst die nicht einmal anerkennen, denen zu Liebe es ersonnen und mit dem Tode besiegelt wurde! Und wenn ich den edlen Mann nenne, welcher diese Betrachtungen bei mir weckte, Ludwig Börne, so gesellt sich zu ihnen noch eine andre hinzu, von der ich nicht weiß, soll man sie eben so schmerzlich oder einen Trost nennen? Kaum war die Kunde von Börne’s Tod erschollen, so war das Urtheil der entgegengesetztesten Partheien versöhnt. Was man dem Lebenden nicht einräumte, räumte man dem Todten ein. Als man ihn bestattete, senkten alle Prinzipien ihre Fahnen und sagten: Es war ein Charakter! Den Werth der Ideen, für die er gelebt hatte, ließ man unentschieden; man bewunderte wenigstens, daß er auch mit ihnen gestorben war. Er hatte nichts widerrufen, er hatte keinen Priester an sein Bett kommen lassen, um ihm einen Brief zu diktiren, den er an den frankfurter Senat schreiben sollte, er hatte Wolfgang Menzel <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0050" n="8"/> persönlichen Verhältnissen an’s Tageslicht gerissen, gekränkt in Vater und Mutter, Schwester und Gattin, geärgert von der rothwangigen Genügsamkeit, die seinem Treiben mit einer Art von Mitleid zusieht, verzerrt zu werden in eine Carrikatur und als ein Märtyrer für etwas zu fallen, das selbst <hi rendition="#g">die</hi> nicht einmal anerkennen, denen zu Liebe es ersonnen und mit dem Tode besiegelt wurde!</p> <p>Und wenn ich den edlen Mann nenne, welcher diese Betrachtungen bei mir weckte, <hi rendition="#g">Ludwig Börne</hi>, so gesellt sich zu ihnen noch eine andre hinzu, von der ich nicht weiß, soll man sie eben so schmerzlich oder einen Trost nennen? Kaum war die Kunde von Börne’s Tod erschollen, so war das Urtheil der entgegengesetztesten Partheien versöhnt. Was man dem Lebenden nicht einräumte, räumte man dem Todten ein. Als man ihn bestattete, senkten alle Prinzipien ihre Fahnen und sagten: Es war ein Charakter! Den Werth der Ideen, für die er gelebt hatte, ließ man unentschieden; man bewunderte wenigstens, daß er auch mit ihnen gestorben war. Er hatte nichts widerrufen, er hatte keinen Priester an sein Bett kommen lassen, um ihm einen Brief zu diktiren, den er an den frankfurter Senat schreiben sollte, er hatte Wolfgang Menzel </p> </div> </body> </text> </TEI> [8/0050]
persönlichen Verhältnissen an’s Tageslicht gerissen, gekränkt in Vater und Mutter, Schwester und Gattin, geärgert von der rothwangigen Genügsamkeit, die seinem Treiben mit einer Art von Mitleid zusieht, verzerrt zu werden in eine Carrikatur und als ein Märtyrer für etwas zu fallen, das selbst die nicht einmal anerkennen, denen zu Liebe es ersonnen und mit dem Tode besiegelt wurde!
Und wenn ich den edlen Mann nenne, welcher diese Betrachtungen bei mir weckte, Ludwig Börne, so gesellt sich zu ihnen noch eine andre hinzu, von der ich nicht weiß, soll man sie eben so schmerzlich oder einen Trost nennen? Kaum war die Kunde von Börne’s Tod erschollen, so war das Urtheil der entgegengesetztesten Partheien versöhnt. Was man dem Lebenden nicht einräumte, räumte man dem Todten ein. Als man ihn bestattete, senkten alle Prinzipien ihre Fahnen und sagten: Es war ein Charakter! Den Werth der Ideen, für die er gelebt hatte, ließ man unentschieden; man bewunderte wenigstens, daß er auch mit ihnen gestorben war. Er hatte nichts widerrufen, er hatte keinen Priester an sein Bett kommen lassen, um ihm einen Brief zu diktiren, den er an den frankfurter Senat schreiben sollte, er hatte Wolfgang Menzel
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