Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.so kindisch und so feig, daß sie nur durch ein Schauspiel, das vor ihnen aufgeführt wird, erschüttert werden können; oder soll man doch noch Vertrauen zu unserer Zeit schöpfen und denken: Es liegt doch noch etwas Edles in den Gemüthern verborgen, der Quell der Tugend ist nicht ganz versiegt und es ist immer möglich, daß Staatsmänner über das, was sie am Tage Böses wirken, des Nachts bittre Thränen der Reue vergießen? Ich gestehe - hier verläßt mich die Kenntniß meiner Zeit, und ich begnüge mich mit dem an sich erfreulichen Resultat, daß Börne's Charakter jetzt nicht mehr dem Mißverständnisse so ausgesetzt ist, wie zu seinen Lebzeiten, daß sich die Urtheile über ihn auffallend berichtigt haben, und dem Menschen in ihm schon dieselbe Genugthuung widerfährt, die der Schriftsteller Börne, der witzige, sinnreiche Kopf, der geschmackvolle Stylist und scharfsinnige Kritiker zu allen Zeiten gefunden hat. Eine Rettung in der Art, wie sie Lessing von Horaz und minder bedeutenden Namen schrieb, würde bei Börne nun nicht mehr nöthig sein. Wohl aber hat sein Leben Aehnlichkeit mit den Charakteren der französischen Revolution, von denen mancher allerdings bis auf den heutigen Tag unverantwortlich geblieben so kindisch und so feig, daß sie nur durch ein Schauspiel, das vor ihnen aufgeführt wird, erschüttert werden können; oder soll man doch noch Vertrauen zu unserer Zeit schöpfen und denken: Es liegt doch noch etwas Edles in den Gemüthern verborgen, der Quell der Tugend ist nicht ganz versiegt und es ist immer möglich, daß Staatsmänner über das, was sie am Tage Böses wirken, des Nachts bittre Thränen der Reue vergießen? Ich gestehe – hier verläßt mich die Kenntniß meiner Zeit, und ich begnüge mich mit dem an sich erfreulichen Resultat, daß Börne’s Charakter jetzt nicht mehr dem Mißverständnisse so ausgesetzt ist, wie zu seinen Lebzeiten, daß sich die Urtheile über ihn auffallend berichtigt haben, und dem Menschen in ihm schon dieselbe Genugthuung widerfährt, die der Schriftsteller Börne, der witzige, sinnreiche Kopf, der geschmackvolle Stylist und scharfsinnige Kritiker zu allen Zeiten gefunden hat. Eine Rettung in der Art, wie sie Lessing von Horaz und minder bedeutenden Namen schrieb, würde bei Börne nun nicht mehr nöthig sein. Wohl aber hat sein Leben Aehnlichkeit mit den Charakteren der französischen Revolution, von denen mancher allerdings bis auf den heutigen Tag unverantwortlich geblieben <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0052" n="10"/> so kindisch und so feig, daß sie nur durch ein Schauspiel, das vor ihnen aufgeführt wird, erschüttert werden können; oder soll man doch noch Vertrauen zu unserer Zeit schöpfen und denken: Es liegt doch noch etwas Edles in den Gemüthern verborgen, der Quell der Tugend ist nicht ganz versiegt und es ist immer möglich, daß Staatsmänner über das, was sie am Tage Böses wirken, des Nachts bittre Thränen der Reue vergießen? Ich gestehe – hier verläßt mich die Kenntniß meiner Zeit, und ich begnüge mich mit dem an sich erfreulichen Resultat, daß Börne’s Charakter jetzt nicht mehr dem Mißverständnisse so ausgesetzt ist, wie zu seinen Lebzeiten, daß sich die Urtheile über ihn auffallend berichtigt haben, und dem <hi rendition="#g">Menschen</hi> in ihm schon dieselbe Genugthuung widerfährt, die der <hi rendition="#g">Schriftsteller</hi> Börne, der witzige, sinnreiche Kopf, der geschmackvolle Stylist und scharfsinnige Kritiker zu allen Zeiten gefunden hat.</p> <p>Eine <hi rendition="#g">Rettung</hi> in der Art, wie sie Lessing von Horaz und minder bedeutenden Namen schrieb, würde bei Börne nun nicht mehr nöthig sein. Wohl aber hat sein Leben Aehnlichkeit mit den Charakteren der französischen Revolution, von denen mancher allerdings bis auf den heutigen Tag unverantwortlich geblieben </p> </div> </body> </text> </TEI> [10/0052]
so kindisch und so feig, daß sie nur durch ein Schauspiel, das vor ihnen aufgeführt wird, erschüttert werden können; oder soll man doch noch Vertrauen zu unserer Zeit schöpfen und denken: Es liegt doch noch etwas Edles in den Gemüthern verborgen, der Quell der Tugend ist nicht ganz versiegt und es ist immer möglich, daß Staatsmänner über das, was sie am Tage Böses wirken, des Nachts bittre Thränen der Reue vergießen? Ich gestehe – hier verläßt mich die Kenntniß meiner Zeit, und ich begnüge mich mit dem an sich erfreulichen Resultat, daß Börne’s Charakter jetzt nicht mehr dem Mißverständnisse so ausgesetzt ist, wie zu seinen Lebzeiten, daß sich die Urtheile über ihn auffallend berichtigt haben, und dem Menschen in ihm schon dieselbe Genugthuung widerfährt, die der Schriftsteller Börne, der witzige, sinnreiche Kopf, der geschmackvolle Stylist und scharfsinnige Kritiker zu allen Zeiten gefunden hat.
Eine Rettung in der Art, wie sie Lessing von Horaz und minder bedeutenden Namen schrieb, würde bei Börne nun nicht mehr nöthig sein. Wohl aber hat sein Leben Aehnlichkeit mit den Charakteren der französischen Revolution, von denen mancher allerdings bis auf den heutigen Tag unverantwortlich geblieben
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-07-03T11:49:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-07-03T11:49:31Z)
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-07-03T11:49:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |