Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.Das Leben Börne's ist, abgesehen von dem persönlichen Interesse, welches die Neugier daran nehmen kann, noch in manchen Beziehungen merkwürdig. Angedeutet ist schon, wie es uns die Stellung des Genies und des Charakters zu unsrer Zeit versinnlicht. Auch in Börne's Stellung zur Literatur, wie diese sich allmälig ergeben hat, liegen Gedankenreihen, die man an ihn zuerst anknüpfen muß, und die in der bisherigen litterarischen Erfahrung zu bilden gar nicht möglich war. Außer dem denkwürdigen Einflusse, den Börne auf die politische Bildung des deutschen Volkes hatte, gewann er, da er diesen Einfluß grade in so geistreicher Form und Sprache geltend machte, noch im besondern zur Literatur eine Stellung, die, man kann wohl sagen, epochemachend gewesen ist. Nun war es aber die harmloseste Art, wie Börne zur Literatur kam, die unbewußteste. Bisher sind wir gewohnt gewesen, daß Beamte oder Gelehrte in ihren Mußestunden in die Leier griffen und das Lob der Frauen, des Frühlings und des Weines sangen; junge Studenten dichteten Dramen, versäumten, sich die Antworten einzulernen, welche sie einst auf die in den Staatsprüfungen vorgelegten Fragen zu geben hatten, erwählten den Dichter- und Schriftstellerberuf als einen aus- Das Leben Börne’s ist, abgesehen von dem persönlichen Interesse, welches die Neugier daran nehmen kann, noch in manchen Beziehungen merkwürdig. Angedeutet ist schon, wie es uns die Stellung des Genies und des Charakters zu unsrer Zeit versinnlicht. Auch in Börne’s Stellung zur Literatur, wie diese sich allmälig ergeben hat, liegen Gedankenreihen, die man an ihn zuerst anknüpfen muß, und die in der bisherigen litterarischen Erfahrung zu bilden gar nicht möglich war. Außer dem denkwürdigen Einflusse, den Börne auf die politische Bildung des deutschen Volkes hatte, gewann er, da er diesen Einfluß grade in so geistreicher Form und Sprache geltend machte, noch im besondern zur Literatur eine Stellung, die, man kann wohl sagen, epochemachend gewesen ist. Nun war es aber die harmloseste Art, wie Börne zur Literatur kam, die unbewußteste. Bisher sind wir gewohnt gewesen, daß Beamte oder Gelehrte in ihren Mußestunden in die Leier griffen und das Lob der Frauen, des Frühlings und des Weines sangen; junge Studenten dichteten Dramen, versäumten, sich die Antworten einzulernen, welche sie einst auf die in den Staatsprüfungen vorgelegten Fragen zu geben hatten, erwählten den Dichter- und Schriftstellerberuf als einen aus- <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0055" n="13"/> <p> Das Leben Börne’s ist, abgesehen von dem persönlichen Interesse, welches die Neugier daran nehmen kann, noch in manchen Beziehungen merkwürdig. Angedeutet ist schon, wie es uns die Stellung des Genies und des Charakters zu unsrer Zeit versinnlicht. Auch in Börne’s Stellung zur Literatur, wie diese sich allmälig ergeben hat, liegen Gedankenreihen, die man an ihn zuerst anknüpfen muß, und die in der bisherigen litterarischen Erfahrung zu bilden gar nicht möglich war. Außer dem denkwürdigen Einflusse, den Börne auf die politische Bildung des deutschen Volkes hatte, gewann er, da er diesen Einfluß grade in so geistreicher Form und Sprache geltend machte, noch im besondern zur <hi rendition="#g">Literatur</hi> eine Stellung, die, man kann wohl sagen, epochemachend gewesen ist. Nun war es aber die harmloseste Art, wie Börne zur Literatur kam, die unbewußteste. Bisher sind wir gewohnt gewesen, daß Beamte oder Gelehrte in ihren Mußestunden in die Leier griffen und das Lob der Frauen, des Frühlings und des Weines sangen; junge Studenten dichteten Dramen, versäumten, sich die Antworten einzulernen, welche sie einst auf die in den Staatsprüfungen vorgelegten Fragen zu geben hatten, erwählten den Dichter- und Schriftstellerberuf als einen aus- </p> </div> </body> </text> </TEI> [13/0055]
Das Leben Börne’s ist, abgesehen von dem persönlichen Interesse, welches die Neugier daran nehmen kann, noch in manchen Beziehungen merkwürdig. Angedeutet ist schon, wie es uns die Stellung des Genies und des Charakters zu unsrer Zeit versinnlicht. Auch in Börne’s Stellung zur Literatur, wie diese sich allmälig ergeben hat, liegen Gedankenreihen, die man an ihn zuerst anknüpfen muß, und die in der bisherigen litterarischen Erfahrung zu bilden gar nicht möglich war. Außer dem denkwürdigen Einflusse, den Börne auf die politische Bildung des deutschen Volkes hatte, gewann er, da er diesen Einfluß grade in so geistreicher Form und Sprache geltend machte, noch im besondern zur Literatur eine Stellung, die, man kann wohl sagen, epochemachend gewesen ist. Nun war es aber die harmloseste Art, wie Börne zur Literatur kam, die unbewußteste. Bisher sind wir gewohnt gewesen, daß Beamte oder Gelehrte in ihren Mußestunden in die Leier griffen und das Lob der Frauen, des Frühlings und des Weines sangen; junge Studenten dichteten Dramen, versäumten, sich die Antworten einzulernen, welche sie einst auf die in den Staatsprüfungen vorgelegten Fragen zu geben hatten, erwählten den Dichter- und Schriftstellerberuf als einen aus-
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