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Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.

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Kirche und vermischte Gegenstände enthielt, aus dem Französischen des Borgne, er las Schröckhs Weltgeschichte, Schillers Geschichte des dreißigjährigen Krieges. Alte Memoiren wechselten mit Blumauers travestirter Aeneide, Schubarts, des Patrioten, Gedichte mit den alten Jahrgängen der Neuwieder Zeitung, welche in den neunziger Jahren wegen ihres Witzes und Freimuths sehr beliebt war. Seinen eigenen spätern Aeußerungen zufolge las er (vielleicht erst später in Gießen) heimlich viel Romane von Lafontaine, die er sich ohne Vorwissen seines Lehrers zu verschaffen wußte. Jeder gedruckte Buchstabe schien ihm lesenswerth, so daß er sich sogar in Bücher vertiefte, die ihm auch nicht das geringste Interesse gewähren konnten.

Auf den Unterricht seiner Kinder verwandte Herr Baruch viel Sorgfalt. Da er sie nun fest glaubte in der Kenntniß des Hebräischen und der Religion, so räumte er auch eine weitre Ausbildung in Sprachen und Realwissenschaften ein. Ein Hauptgegenstand des Unterrichts war die deutsche Sprache. Obgleich die Kinder keinen Umgang mit gewöhnlichen Judenknaben und dadurch sich ein fehlerhaftes Gewälsch in der Sprache anzugewöhnen Gelegenheit hatten, so bot doch selbst

Kirche und vermischte Gegenstände enthielt, aus dem Französischen des Borgne, er las Schröckhs Weltgeschichte, Schillers Geschichte des dreißigjährigen Krieges. Alte Memoiren wechselten mit Blumauers travestirter Aeneide, Schubarts, des Patrioten, Gedichte mit den alten Jahrgängen der Neuwieder Zeitung, welche in den neunziger Jahren wegen ihres Witzes und Freimuths sehr beliebt war. Seinen eigenen spätern Aeußerungen zufolge las er (vielleicht erst später in Gießen) heimlich viel Romane von Lafontaine, die er sich ohne Vorwissen seines Lehrers zu verschaffen wußte. Jeder gedruckte Buchstabe schien ihm lesenswerth, so daß er sich sogar in Bücher vertiefte, die ihm auch nicht das geringste Interesse gewähren konnten.

Auf den Unterricht seiner Kinder verwandte Herr Baruch viel Sorgfalt. Da er sie nun fest glaubte in der Kenntniß des Hebräischen und der Religion, so räumte er auch eine weitre Ausbildung in Sprachen und Realwissenschaften ein. Ein Hauptgegenstand des Unterrichts war die deutsche Sprache. Obgleich die Kinder keinen Umgang mit gewöhnlichen Judenknaben und dadurch sich ein fehlerhaftes Gewälsch in der Sprache anzugewöhnen Gelegenheit hatten, so bot doch selbst

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Kirche und vermischte Gegenstände enthielt, aus dem Französischen des Borgne, er las Schröckhs Weltgeschichte, Schillers Geschichte des dreißigjährigen Krieges. Alte Memoiren wechselten mit Blumauers travestirter Aeneide, Schubarts, des Patrioten, Gedichte mit den alten Jahrgängen der Neuwieder Zeitung, welche in den neunziger Jahren wegen ihres Witzes und Freimuths sehr beliebt war. Seinen eigenen spätern Aeußerungen zufolge las er (vielleicht erst später in Gießen) heimlich viel Romane von Lafontaine, die er sich ohne Vorwissen seines Lehrers zu verschaffen wußte. Jeder gedruckte Buchstabe schien ihm lesenswerth, so daß er sich sogar in Bücher vertiefte, die ihm auch nicht das geringste Interesse gewähren konnten.</p>
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[48/0090] Kirche und vermischte Gegenstände enthielt, aus dem Französischen des Borgne, er las Schröckhs Weltgeschichte, Schillers Geschichte des dreißigjährigen Krieges. Alte Memoiren wechselten mit Blumauers travestirter Aeneide, Schubarts, des Patrioten, Gedichte mit den alten Jahrgängen der Neuwieder Zeitung, welche in den neunziger Jahren wegen ihres Witzes und Freimuths sehr beliebt war. Seinen eigenen spätern Aeußerungen zufolge las er (vielleicht erst später in Gießen) heimlich viel Romane von Lafontaine, die er sich ohne Vorwissen seines Lehrers zu verschaffen wußte. Jeder gedruckte Buchstabe schien ihm lesenswerth, so daß er sich sogar in Bücher vertiefte, die ihm auch nicht das geringste Interesse gewähren konnten. Auf den Unterricht seiner Kinder verwandte Herr Baruch viel Sorgfalt. Da er sie nun fest glaubte in der Kenntniß des Hebräischen und der Religion, so räumte er auch eine weitre Ausbildung in Sprachen und Realwissenschaften ein. Ein Hauptgegenstand des Unterrichts war die deutsche Sprache. Obgleich die Kinder keinen Umgang mit gewöhnlichen Judenknaben und dadurch sich ein fehlerhaftes Gewälsch in der Sprache anzugewöhnen Gelegenheit hatten, so bot doch selbst

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/90>, abgerufen am 21.11.2024.