Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.Art, als gewöhnlich, entzündet. Von Schaalheit und sehr viel Albernheit, die er früh durchschaute, umgeben, mußte sein Verstand früh zum überwiegenden Lenker seiner innern Thätigkeiten erhoben werden. Man machte ihm die Zumuthung, sich für Dinge zu erwärmen, die ihn geistig nicht anregen konnten; kleinliche Familienereignisse traten mit Ansprüchen auf seine Theilnahme auf, die er nicht erwiedern konnte. So bekam er früh sein eignes apartes Wesen, trennte sich von seinen Umgebungen los und lebte sich in Gedankenreihen und Gemüthszustände hinein, in welche ihm Niemand folgen konnte. Es bedurfte der Verpflanzung in einen ganz neuen Boden, um eine geistige und gemüthliche Selbstständigkeit in ihm zu wecken und ihn darauf aufmerksam zu machen, daß das Leben für Jedes und Alles, was es bietet, ein Urtheil, einen Willen, ein Gefühl verlangt. Im Hause seiner Eltern befand sich sein ganzes geistiges Leben noch in chaotischer Unordnung. Es ist wahr, zu den meisten im spätern Alter in uns aufknospenden Gefühlen und Stimmungen müssen wir schon in der Jugend den Saamen gestreut haben. Die beseligendsten Gefühle des Alters sind die der Rückerinnerung an die Jugend. Eine Empfin- Art, als gewöhnlich, entzündet. Von Schaalheit und sehr viel Albernheit, die er früh durchschaute, umgeben, mußte sein Verstand früh zum überwiegenden Lenker seiner innern Thätigkeiten erhoben werden. Man machte ihm die Zumuthung, sich für Dinge zu erwärmen, die ihn geistig nicht anregen konnten; kleinliche Familienereignisse traten mit Ansprüchen auf seine Theilnahme auf, die er nicht erwiedern konnte. So bekam er früh sein eignes apartes Wesen, trennte sich von seinen Umgebungen los und lebte sich in Gedankenreihen und Gemüthszustände hinein, in welche ihm Niemand folgen konnte. Es bedurfte der Verpflanzung in einen ganz neuen Boden, um eine geistige und gemüthliche Selbstständigkeit in ihm zu wecken und ihn darauf aufmerksam zu machen, daß das Leben für Jedes und Alles, was es bietet, ein Urtheil, einen Willen, ein Gefühl verlangt. Im Hause seiner Eltern befand sich sein ganzes geistiges Leben noch in chaotischer Unordnung. Es ist wahr, zu den meisten im spätern Alter in uns aufknospenden Gefühlen und Stimmungen müssen wir schon in der Jugend den Saamen gestreut haben. Die beseligendsten Gefühle des Alters sind die der Rückerinnerung an die Jugend. Eine Empfin- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0097" n="55"/> Art, als gewöhnlich, entzündet. Von Schaalheit und sehr viel Albernheit, die er früh durchschaute, umgeben, mußte sein Verstand früh zum überwiegenden Lenker seiner innern Thätigkeiten erhoben werden. Man machte ihm die Zumuthung, sich für Dinge zu erwärmen, die ihn geistig nicht anregen konnten; kleinliche Familienereignisse traten mit Ansprüchen auf seine Theilnahme auf, die er nicht erwiedern konnte. So bekam er früh sein eignes apartes Wesen, trennte sich von seinen Umgebungen los und lebte sich in Gedankenreihen und Gemüthszustände hinein, in welche ihm Niemand folgen konnte. Es bedurfte der Verpflanzung in einen ganz neuen Boden, um eine geistige und gemüthliche Selbstständigkeit in ihm zu wecken und ihn darauf aufmerksam zu machen, daß das Leben für Jedes und Alles, was es bietet, ein Urtheil, einen Willen, ein Gefühl verlangt. Im Hause seiner Eltern befand sich sein ganzes geistiges Leben noch in chaotischer Unordnung.</p> <p>Es ist wahr, zu den meisten im spätern Alter in uns aufknospenden Gefühlen und Stimmungen müssen wir schon in der Jugend den Saamen gestreut haben. Die beseligendsten Gefühle des Alters sind die der Rückerinnerung an die Jugend. Eine Empfin- </p> </div> </body> </text> </TEI> [55/0097]
Art, als gewöhnlich, entzündet. Von Schaalheit und sehr viel Albernheit, die er früh durchschaute, umgeben, mußte sein Verstand früh zum überwiegenden Lenker seiner innern Thätigkeiten erhoben werden. Man machte ihm die Zumuthung, sich für Dinge zu erwärmen, die ihn geistig nicht anregen konnten; kleinliche Familienereignisse traten mit Ansprüchen auf seine Theilnahme auf, die er nicht erwiedern konnte. So bekam er früh sein eignes apartes Wesen, trennte sich von seinen Umgebungen los und lebte sich in Gedankenreihen und Gemüthszustände hinein, in welche ihm Niemand folgen konnte. Es bedurfte der Verpflanzung in einen ganz neuen Boden, um eine geistige und gemüthliche Selbstständigkeit in ihm zu wecken und ihn darauf aufmerksam zu machen, daß das Leben für Jedes und Alles, was es bietet, ein Urtheil, einen Willen, ein Gefühl verlangt. Im Hause seiner Eltern befand sich sein ganzes geistiges Leben noch in chaotischer Unordnung.
Es ist wahr, zu den meisten im spätern Alter in uns aufknospenden Gefühlen und Stimmungen müssen wir schon in der Jugend den Saamen gestreut haben. Die beseligendsten Gefühle des Alters sind die der Rückerinnerung an die Jugend. Eine Empfin-
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