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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.

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Mehemed Ali von Aegypten.
gegen Feinde, welche er sich im Süden seiner Provinz
aufsuchte.

Dazu kam eine Maxime, welche er von der euro¬
päischen Monarchie gelernt zu haben scheint, seine Fa¬
milie so populair als möglich zu machen: er brauchte
Kriege, um seinen Söhnen und Schwiegersöhnen Ge¬
legenheit zu glänzenden Waffenthaten zu geben. Sein
Erstgeborner machte im Kriege gegen die Wechabiten
kein Glück, er liebte die Frauen, und starb in den Ar¬
men einer schönen Georgierin. Ibrahim Pascha nahm
die verlorne Sache wieder auf, ein trefflicher Soldat,
damals mäßig, nüchtern, nicht ohne humane Grund¬
sätze, und selbst großmüthig, noch nicht verwildert durch
den Kampf aus Morea. Die Wechabiten wurden ge¬
schlagen und zu neuen Angriffen unfähig gemacht.
Mehemed Ali hatte die Freude, seinen Sohn im glän¬
zendsten Triumphe in Cairo einziehen zu sehen. Er ist
ein liebender Vater, schwärmerisch für seine Familie,
und nicht wenig auf die Descendenz bedacht. Er hat
sechs Wärterinnen eines Kindes, das seinem Sohne
Ibrahim starb, ohne Weiteres im Nil ersäufen lassen.

Wenn man die Reformen Mahmuds mit denen
Mehemeds vergleicht, so muß man gestehen, daß der
Sultan der öffentlichen Meinung von Europa zu im¬

Mehemed Ali von Aegypten.
gegen Feinde, welche er ſich im Suͤden ſeiner Provinz
aufſuchte.

Dazu kam eine Maxime, welche er von der euro¬
paͤiſchen Monarchie gelernt zu haben ſcheint, ſeine Fa¬
milie ſo populair als moͤglich zu machen: er brauchte
Kriege, um ſeinen Soͤhnen und Schwiegerſoͤhnen Ge¬
legenheit zu glaͤnzenden Waffenthaten zu geben. Sein
Erſtgeborner machte im Kriege gegen die Wechabiten
kein Gluͤck, er liebte die Frauen, und ſtarb in den Ar¬
men einer ſchoͤnen Georgierin. Ibrahim Paſcha nahm
die verlorne Sache wieder auf, ein trefflicher Soldat,
damals maͤßig, nuͤchtern, nicht ohne humane Grund¬
ſaͤtze, und ſelbſt großmuͤthig, noch nicht verwildert durch
den Kampf aus Morea. Die Wechabiten wurden ge¬
ſchlagen und zu neuen Angriffen unfaͤhig gemacht.
Mehemed Ali hatte die Freude, ſeinen Sohn im glaͤn¬
zendſten Triumphe in Cairo einziehen zu ſehen. Er iſt
ein liebender Vater, ſchwaͤrmeriſch fuͤr ſeine Familie,
und nicht wenig auf die Deſcendenz bedacht. Er hat
ſechs Waͤrterinnen eines Kindes, das ſeinem Sohne
Ibrahim ſtarb, ohne Weiteres im Nil erſaͤufen laſſen.

Wenn man die Reformen Mahmuds mit denen
Mehemeds vergleicht, ſo muß man geſtehen, daß der
Sultan der oͤffentlichen Meinung von Europa zu im¬

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[104/0122] Mehemed Ali von Aegypten. gegen Feinde, welche er ſich im Suͤden ſeiner Provinz aufſuchte. Dazu kam eine Maxime, welche er von der euro¬ paͤiſchen Monarchie gelernt zu haben ſcheint, ſeine Fa¬ milie ſo populair als moͤglich zu machen: er brauchte Kriege, um ſeinen Soͤhnen und Schwiegerſoͤhnen Ge¬ legenheit zu glaͤnzenden Waffenthaten zu geben. Sein Erſtgeborner machte im Kriege gegen die Wechabiten kein Gluͤck, er liebte die Frauen, und ſtarb in den Ar¬ men einer ſchoͤnen Georgierin. Ibrahim Paſcha nahm die verlorne Sache wieder auf, ein trefflicher Soldat, damals maͤßig, nuͤchtern, nicht ohne humane Grund¬ ſaͤtze, und ſelbſt großmuͤthig, noch nicht verwildert durch den Kampf aus Morea. Die Wechabiten wurden ge¬ ſchlagen und zu neuen Angriffen unfaͤhig gemacht. Mehemed Ali hatte die Freude, ſeinen Sohn im glaͤn¬ zendſten Triumphe in Cairo einziehen zu ſehen. Er iſt ein liebender Vater, ſchwaͤrmeriſch fuͤr ſeine Familie, und nicht wenig auf die Deſcendenz bedacht. Er hat ſechs Waͤrterinnen eines Kindes, das ſeinem Sohne Ibrahim ſtarb, ohne Weiteres im Nil erſaͤufen laſſen. Wenn man die Reformen Mahmuds mit denen Mehemeds vergleicht, ſo muß man geſtehen, daß der Sultan der oͤffentlichen Meinung von Europa zu im¬

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/122>, abgerufen am 24.11.2024.