bar. Vielleicht glaubt Mehemed Ali sich erst in den völligen Besitz Syriens setzen zu müssen, ehe er die Entscheidung gibt. Vielleicht gibt er sie nicht einmal, um noch Größeres vorzubereiten.
Man hat gesagt, in seinem Plane läge der Thron von Konstantinopel selbst, wenigstens für seinen Sohn. Diese Katastrophe wäre merkwürdig, und kann den po¬ litischen Witz verführen, hier schon im Voraus seine Kombinationen zu machen. Aber abgesehen davon, daß eine solche Veränderung ohne Rußland nicht geschehen kann, ohne Rußland, welches über Persien den Rücken der Türkei umschleicht, und jede Dynastie, die es hier findet, mit zwei Armen erdrücken wird, läßt sich auch aus der ganzen Physiognomie der ägyptischen Herr¬ schaft, aus dieser besorglichen, zeitvergeudenden Tergi¬ versation Mehemed Ali's, und den zweifelhaften poli¬ tischen Talenten Ibrahim Pascha's, keine Zukunft die¬ ser Art voraussehen. Seit den fabelhaften Zeiten des Sesostris war Aegypten niemals ein Sitz der Eroberer, wohl aber solcher Helden, welche von ihren anderweiti¬ gen Siegen ausruhten.
Vielmehr möchte Aegypten genug damit zu thun haben, zweien Ereignissen, welche es treffen können, die Spitze zu bieten, entweder der Reaktion der alten mu¬
Mehemed Ali von Aegypten.
bar. Vielleicht glaubt Mehemed Ali ſich erſt in den voͤlligen Beſitz Syriens ſetzen zu muͤſſen, ehe er die Entſcheidung gibt. Vielleicht gibt er ſie nicht einmal, um noch Groͤßeres vorzubereiten.
Man hat geſagt, in ſeinem Plane laͤge der Thron von Konſtantinopel ſelbſt, wenigſtens fuͤr ſeinen Sohn. Dieſe Kataſtrophe waͤre merkwuͤrdig, und kann den po¬ litiſchen Witz verfuͤhren, hier ſchon im Voraus ſeine Kombinationen zu machen. Aber abgeſehen davon, daß eine ſolche Veraͤnderung ohne Rußland nicht geſchehen kann, ohne Rußland, welches uͤber Perſien den Ruͤcken der Tuͤrkei umſchleicht, und jede Dynaſtie, die es hier findet, mit zwei Armen erdruͤcken wird, laͤßt ſich auch aus der ganzen Phyſiognomie der aͤgyptiſchen Herr¬ ſchaft, aus dieſer beſorglichen, zeitvergeudenden Tergi¬ verſation Mehemed Ali's, und den zweifelhaften poli¬ tiſchen Talenten Ibrahim Paſcha's, keine Zukunft die¬ ſer Art vorausſehen. Seit den fabelhaften Zeiten des Seſoſtris war Aegypten niemals ein Sitz der Eroberer, wohl aber ſolcher Helden, welche von ihren anderweiti¬ gen Siegen ausruhten.
Vielmehr moͤchte Aegypten genug damit zu thun haben, zweien Ereigniſſen, welche es treffen koͤnnen, die Spitze zu bieten, entweder der Reaktion der alten mu¬
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Mehemed Ali von Aegypten.
bar. Vielleicht glaubt Mehemed Ali ſich erſt in den
voͤlligen Beſitz Syriens ſetzen zu muͤſſen, ehe er die
Entſcheidung gibt. Vielleicht gibt er ſie nicht einmal,
um noch Groͤßeres vorzubereiten.
Man hat geſagt, in ſeinem Plane laͤge der Thron
von Konſtantinopel ſelbſt, wenigſtens fuͤr ſeinen Sohn.
Dieſe Kataſtrophe waͤre merkwuͤrdig, und kann den po¬
litiſchen Witz verfuͤhren, hier ſchon im Voraus ſeine
Kombinationen zu machen. Aber abgeſehen davon, daß
eine ſolche Veraͤnderung ohne Rußland nicht geſchehen
kann, ohne Rußland, welches uͤber Perſien den Ruͤcken
der Tuͤrkei umſchleicht, und jede Dynaſtie, die es hier
findet, mit zwei Armen erdruͤcken wird, laͤßt ſich auch
aus der ganzen Phyſiognomie der aͤgyptiſchen Herr¬
ſchaft, aus dieſer beſorglichen, zeitvergeudenden Tergi¬
verſation Mehemed Ali's, und den zweifelhaften poli¬
tiſchen Talenten Ibrahim Paſcha's, keine Zukunft die¬
ſer Art vorausſehen. Seit den fabelhaften Zeiten des
Seſoſtris war Aegypten niemals ein Sitz der Eroberer,
wohl aber ſolcher Helden, welche von ihren anderweiti¬
gen Siegen ausruhten.
Vielmehr moͤchte Aegypten genug damit zu thun
haben, zweien Ereigniſſen, welche es treffen koͤnnen, die
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/126>, abgerufen am 16.02.2025.
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