ten, welche die Wahrheit an die Nachwelt über¬ liefern.
Ich gestehe, daß ich neben dem Zwecke der Entlarvung auch noch einen künstlerischen hatte, und ich muß mir deshalb einen zwiefachen Vor¬ wurf gefallen lassen.
Einmal wird man sagen, ich sei, um nur die plastische Einheit und Ruhe in meine Auffassung der Individualitäten zu bringen, oft sehr mild und schonend zu Werke gegangen und habe durch man¬ chen Hieb des Meißels getilgt, was freilich das Auge beleidigt hätte, was aber auch die Mensch¬ heit beleidigt. Doch wird dis immer eine Conse¬ quenz sein, die wenn ihre Prämissen nur da wa¬ ren, nicht genannt zu werden brauchte. Die Mi߬ lichkeit der Zeiten entschuldige mich! Ich habe die Blumen der Poesie auf die dürren, schlotternden Charaktere der großen Welt nicht geworfen, um die Narben ihrer Ehre, oder die offenen Schäden ihres Verstandes zu verdecken, sondern um Euch zu zeigen, wie erhaben Ihr steht über Allen und
Vorrede.
ten, welche die Wahrheit an die Nachwelt uͤber¬ liefern.
Ich geſtehe, daß ich neben dem Zwecke der Entlarvung auch noch einen kuͤnſtleriſchen hatte, und ich muß mir deshalb einen zwiefachen Vor¬ wurf gefallen laſſen.
Einmal wird man ſagen, ich ſei, um nur die plaſtiſche Einheit und Ruhe in meine Auffaſſung der Individualitaͤten zu bringen, oft ſehr mild und ſchonend zu Werke gegangen und habe durch man¬ chen Hieb des Meißels getilgt, was freilich das Auge beleidigt haͤtte, was aber auch die Menſch¬ heit beleidigt. Doch wird dis immer eine Conſe¬ quenz ſein, die wenn ihre Praͤmiſſen nur da wa¬ ren, nicht genannt zu werden brauchte. Die Mi߬ lichkeit der Zeiten entſchuldige mich! Ich habe die Blumen der Poeſie auf die duͤrren, ſchlotternden Charaktere der großen Welt nicht geworfen, um die Narben ihrer Ehre, oder die offenen Schaͤden ihres Verſtandes zu verdecken, ſondern um Euch zu zeigen, wie erhaben Ihr ſteht uͤber Allen und
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[VIII/0014]
Vorrede.
ten, welche die Wahrheit an die Nachwelt uͤber¬
liefern.
Ich geſtehe, daß ich neben dem Zwecke der
Entlarvung auch noch einen kuͤnſtleriſchen hatte,
und ich muß mir deshalb einen zwiefachen Vor¬
wurf gefallen laſſen.
Einmal wird man ſagen, ich ſei, um nur die
plaſtiſche Einheit und Ruhe in meine Auffaſſung
der Individualitaͤten zu bringen, oft ſehr mild und
ſchonend zu Werke gegangen und habe durch man¬
chen Hieb des Meißels getilgt, was freilich das
Auge beleidigt haͤtte, was aber auch die Menſch¬
heit beleidigt. Doch wird dis immer eine Conſe¬
quenz ſein, die wenn ihre Praͤmiſſen nur da wa¬
ren, nicht genannt zu werden brauchte. Die Mi߬
lichkeit der Zeiten entſchuldige mich! Ich habe die
Blumen der Poeſie auf die duͤrren, ſchlotternden
Charaktere der großen Welt nicht geworfen, um
die Narben ihrer Ehre, oder die offenen Schaͤden
ihres Verſtandes zu verdecken, ſondern um Euch
zu zeigen, wie erhaben Ihr ſteht uͤber Allen und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/14>, abgerufen am 21.11.2024.
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