Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Daniel O'Connell. oft ihr versprochen hat, sie in sechs Monaten zu demglücklichsten Lande der Erde zu machen, und im Par¬ lament die kleinste Beschwerde aufzuheben, die den Kleinsten drückt. Die Völker tragen nichts nach: sie tragen O'Connell nicht nach, daß er einst vor Georg IV. kniete, weil er versichert, daß er sich jetzt dessen schäme: sie tragen ihm die Zwangsbill nicht nach, gegen die er erst stimmte, und deren Erneuerung er später zuzulassen versprach; denn sie wissen, daß er es auf Rechnung größerer Zugeständnisse that, zu welchen sich die Verwaltung bereit erklärt hatte. Keine Macht ist gegen den guten Willen nachsichtiger, als das Volk, das sich in seiner Gesammtheit zu stark und zu gro߬ müthig fühlt, die Schwäche eines Einzelnen zu rügen. O'Connell kennt diese sanfte und linde Moral der Daniel O'Connell. oft ihr verſprochen hat, ſie in ſechs Monaten zu demgluͤcklichſten Lande der Erde zu machen, und im Par¬ lament die kleinſte Beſchwerde aufzuheben, die den Kleinſten druͤckt. Die Voͤlker tragen nichts nach: ſie tragen O'Connell nicht nach, daß er einſt vor Georg IV. kniete, weil er verſichert, daß er ſich jetzt deſſen ſchaͤme: ſie tragen ihm die Zwangsbill nicht nach, gegen die er erſt ſtimmte, und deren Erneuerung er ſpaͤter zuzulaſſen verſprach; denn ſie wiſſen, daß er es auf Rechnung groͤßerer Zugeſtaͤndniſſe that, zu welchen ſich die Verwaltung bereit erklaͤrt hatte. Keine Macht iſt gegen den guten Willen nachſichtiger, als das Volk, das ſich in ſeiner Geſammtheit zu ſtark und zu gro߬ muͤthig fuͤhlt, die Schwaͤche eines Einzelnen zu ruͤgen. O'Connell kennt dieſe ſanfte und linde Moral der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0205" n="187"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Daniel O'Connell</hi>.<lb/></fw> oft ihr verſprochen hat, ſie in ſechs Monaten zu dem<lb/> gluͤcklichſten Lande der Erde zu machen, und im Par¬<lb/> lament die kleinſte Beſchwerde aufzuheben, die den<lb/> Kleinſten druͤckt. Die Voͤlker tragen nichts nach: ſie<lb/> tragen O'Connell nicht nach, daß er einſt vor Georg<lb/><hi rendition="#aq">IV.</hi> kniete, weil er verſichert, daß er ſich jetzt deſſen<lb/> ſchaͤme: ſie tragen ihm die Zwangsbill nicht nach, gegen<lb/> die er erſt ſtimmte, und deren Erneuerung er ſpaͤter<lb/> zuzulaſſen verſprach; denn ſie wiſſen, daß er es auf<lb/> Rechnung groͤßerer Zugeſtaͤndniſſe that, zu welchen ſich<lb/> die Verwaltung bereit erklaͤrt hatte. Keine Macht iſt<lb/> gegen den guten Willen nachſichtiger, als das Volk,<lb/> das ſich in ſeiner Geſammtheit zu ſtark und zu gro߬<lb/> muͤthig fuͤhlt, die Schwaͤche eines Einzelnen zu ruͤgen.</p><lb/> <p>O'Connell kennt dieſe ſanfte und linde Moral der<lb/> Voͤlker, und ordnet ſich deßhalb der Laune ſeiner Na¬<lb/> tion gaͤnzlich unter. Man hoͤre, wie er zitternd ein¬<lb/> lenkte, als ſeine neuliche Erklaͤrung uͤber den Zehnten<lb/> auf einen Augenblick ſeine Zuhoͤrer ſtaunen machte!<lb/> Wer ſich in die Seele großer Maͤnner zu verſetzen<lb/> weiß, wird eine Thraͤne uͤber jenes ungerechte Oh! nicht<lb/> haben zuruͤckhalten koͤnnen; denn wenn es ſchmerzlich<lb/> iſt, die Treue verkannt zu ſehen, ſo iſt es noch ſchmerz¬<lb/> licher, wenn die Treue den Schein der Dienſtbarkeit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [187/0205]
Daniel O'Connell.
oft ihr verſprochen hat, ſie in ſechs Monaten zu dem
gluͤcklichſten Lande der Erde zu machen, und im Par¬
lament die kleinſte Beſchwerde aufzuheben, die den
Kleinſten druͤckt. Die Voͤlker tragen nichts nach: ſie
tragen O'Connell nicht nach, daß er einſt vor Georg
IV. kniete, weil er verſichert, daß er ſich jetzt deſſen
ſchaͤme: ſie tragen ihm die Zwangsbill nicht nach, gegen
die er erſt ſtimmte, und deren Erneuerung er ſpaͤter
zuzulaſſen verſprach; denn ſie wiſſen, daß er es auf
Rechnung groͤßerer Zugeſtaͤndniſſe that, zu welchen ſich
die Verwaltung bereit erklaͤrt hatte. Keine Macht iſt
gegen den guten Willen nachſichtiger, als das Volk,
das ſich in ſeiner Geſammtheit zu ſtark und zu gro߬
muͤthig fuͤhlt, die Schwaͤche eines Einzelnen zu ruͤgen.
O'Connell kennt dieſe ſanfte und linde Moral der
Voͤlker, und ordnet ſich deßhalb der Laune ſeiner Na¬
tion gaͤnzlich unter. Man hoͤre, wie er zitternd ein¬
lenkte, als ſeine neuliche Erklaͤrung uͤber den Zehnten
auf einen Augenblick ſeine Zuhoͤrer ſtaunen machte!
Wer ſich in die Seele großer Maͤnner zu verſetzen
weiß, wird eine Thraͤne uͤber jenes ungerechte Oh! nicht
haben zuruͤckhalten koͤnnen; denn wenn es ſchmerzlich
iſt, die Treue verkannt zu ſehen, ſo iſt es noch ſchmerz¬
licher, wenn die Treue den Schein der Dienſtbarkeit
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeAb Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr] Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |