Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Rothschild. gang an der schlimmen Mauer; doch waren es nichtdie verführerischen Lockungen der Poesie, welche ihn umgaukelten, sondern die heiligen Schnörkel des Tal¬ mud, die glänzenden Urim und Thummim des Ho¬ henpriesters blendeten seine Phantasie, er wollte auf dem Stuhle der Synagoge stehen und die Thora pre¬ digen, das Gesetz der Gerechten. In Fürth holte er sich aus alten, schweinsleder¬ Als sich das Projekt, im Violettkleide ein Prie¬ Rothſchild. gang an der ſchlimmen Mauer; doch waren es nichtdie verfuͤhreriſchen Lockungen der Poeſie, welche ihn umgaukelten, ſondern die heiligen Schnoͤrkel des Tal¬ mud, die glaͤnzenden Urim und Thummim des Ho¬ henprieſters blendeten ſeine Phantaſie, er wollte auf dem Stuhle der Synagoge ſtehen und die Thora pre¬ digen, das Geſetz der Gerechten. In Fuͤrth holte er ſich aus alten, ſchweinsleder¬ Als ſich das Projekt, im Violettkleide ein Prie¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0302" n="284"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Rothſchild</hi>.<lb/></fw> gang an der ſchlimmen Mauer; doch waren es nicht<lb/> die verfuͤhreriſchen Lockungen der Poeſie, welche ihn<lb/> umgaukelten, ſondern die heiligen Schnoͤrkel des Tal¬<lb/> mud, die glaͤnzenden Urim und Thummim des Ho¬<lb/> henprieſters blendeten ſeine Phantaſie, er wollte auf<lb/> dem Stuhle der Synagoge ſtehen und die Thora pre¬<lb/> digen, das Geſetz der Gerechten.</p><lb/> <p>In Fuͤrth holte er ſich aus alten, ſchweinsleder¬<lb/> nen Buͤchern, aus urweltlichen, ungedruckten Perga¬<lb/> menten das lautere Wort Jehovahs, und was Mai¬<lb/> monides und Raſche beigebracht haben, um es zu er¬<lb/> klaͤren. Er lernte was Keri und Ketiph iſt, und folgte<lb/> der Weisheit Mayer Hallevis, des großen Rabbi von<lb/> Toledo, der zuerſt den Werth der Maſora aufgedeckt<lb/> hat. David Kimchi und David ben Jechiel, die Dic¬<lb/> tionaire der Sprache Gottes, kamen nie aus ſeiner<lb/> Hand; noch dachte er nicht an Dividenden und Looſe,<lb/> er ſuchte ſtatt der Wahrheit der Erde die Wahrheit<lb/> des Himmels.</p><lb/> <p>Als ſich das Projekt, im Violettkleide ein Prie¬<lb/> ſter zu werden zerſchlug, da war Mayer Anſelm noch<lb/> immer nicht auf die Praxis des Lebens geſtellt, auf<lb/> die klingende Muͤnze, auf die Vierundzwanziger Ma¬<lb/> rien Thereſiens und den Unterſchied der preußiſchen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [284/0302]
Rothſchild.
gang an der ſchlimmen Mauer; doch waren es nicht
die verfuͤhreriſchen Lockungen der Poeſie, welche ihn
umgaukelten, ſondern die heiligen Schnoͤrkel des Tal¬
mud, die glaͤnzenden Urim und Thummim des Ho¬
henprieſters blendeten ſeine Phantaſie, er wollte auf
dem Stuhle der Synagoge ſtehen und die Thora pre¬
digen, das Geſetz der Gerechten.
In Fuͤrth holte er ſich aus alten, ſchweinsleder¬
nen Buͤchern, aus urweltlichen, ungedruckten Perga¬
menten das lautere Wort Jehovahs, und was Mai¬
monides und Raſche beigebracht haben, um es zu er¬
klaͤren. Er lernte was Keri und Ketiph iſt, und folgte
der Weisheit Mayer Hallevis, des großen Rabbi von
Toledo, der zuerſt den Werth der Maſora aufgedeckt
hat. David Kimchi und David ben Jechiel, die Dic¬
tionaire der Sprache Gottes, kamen nie aus ſeiner
Hand; noch dachte er nicht an Dividenden und Looſe,
er ſuchte ſtatt der Wahrheit der Erde die Wahrheit
des Himmels.
Als ſich das Projekt, im Violettkleide ein Prie¬
ſter zu werden zerſchlug, da war Mayer Anſelm noch
immer nicht auf die Praxis des Lebens geſtellt, auf
die klingende Muͤnze, auf die Vierundzwanziger Ma¬
rien Thereſiens und den Unterſchied der preußiſchen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeAb Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr] Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |