Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

theurer Bruder, hat Dein Prinz schon meine Abhandlung über das radicale Böse gelesen? o trag' sie ihm doch ja vor! sie ist so ganz auf das Eine abgesehen, was jetzt der Menschheit Noth thut!" Welch' unschuldige Täuschung! Wenn deutsche Fürsten ihre Regierung zur praktischen Anwendung des Unterrichts, den irgend ein aus den bestäubten Winkeln seines Museums hervorgeholter Schulphilosoph oder Moraltheolog ihnen beigebracht hatte, machen wollten, glaubten sie nicht da das Edelste zu thun? Tugend und allgemeine Wohlfahrt, Herrschaft der Vernunft, Aufklärung, die edle Gönnerhuld als Beförderung der Künste und Wissenschaften, Friede, Edelmuth, Moral in Beispielen--o warum hat es doch eine französische Revolution, einen Napoleon geben müssen! Weinen möchte ich, wenn ich die Folge von Friede und Zufriedenheit bedenke, die bei solchen Gesinnungen, bei so wohl angewandtem Fleiße der auf die Regentschaft präparirten Prinzen über unser glückliches Vaterland hätten einziehen können! Jetzt will man den Herrschern gern das Schulgeld wieder erstatten, will ihnen die saure Mühe, die sie sich in ihren Studien über Volksbeglückung gegeben haben, gern bezahlen. Der Thron, den sie verlassen sollen, enthält wohl noch so viel Gold,

theurer Bruder, hat Dein Prinz schon meine Abhandlung über das radicale Böse gelesen? o trag’ sie ihm doch ja vor! sie ist so ganz auf das Eine abgesehen, was jetzt der Menschheit Noth thut!" Welch’ unschuldige Täuschung! Wenn deutsche Fürsten ihre Regierung zur praktischen Anwendung des Unterrichts, den irgend ein aus den bestäubten Winkeln seines Museums hervorgeholter Schulphilosoph oder Moraltheolog ihnen beigebracht hatte, machen wollten, glaubten sie nicht da das Edelste zu thun? Tugend und allgemeine Wohlfahrt, Herrschaft der Vernunft, Aufklärung, die edle Gönnerhuld als Beförderung der Künste und Wissenschaften, Friede, Edelmuth, Moral in Beispielen—o warum hat es doch eine französische Revolution, einen Napoleon geben müssen! Weinen möchte ich, wenn ich die Folge von Friede und Zufriedenheit bedenke, die bei solchen Gesinnungen, bei so wohl angewandtem Fleiße der auf die Regentschaft präparirten Prinzen über unser glückliches Vaterland hätten einziehen können! Jetzt will man den Herrschern gern das Schulgeld wieder erstatten, will ihnen die saure Mühe, die sie sich in ihren Studien über Volksbeglückung gegeben haben, gern bezahlen. Der Thron, den sie verlassen sollen, enthält wohl noch so viel Gold,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0105" n="92"/>
theurer Bruder, hat Dein Prinz schon meine Abhandlung über das radicale Böse gelesen? o trag&#x2019; sie ihm doch ja vor! sie ist so ganz auf das Eine abgesehen, was jetzt der Menschheit Noth thut!" Welch&#x2019; unschuldige Täuschung! Wenn deutsche Fürsten ihre Regierung zur praktischen Anwendung des Unterrichts, den irgend ein aus den bestäubten Winkeln seines Museums hervorgeholter Schulphilosoph oder Moraltheolog ihnen beigebracht hatte, machen wollten, glaubten sie nicht da das Edelste zu thun? Tugend und allgemeine Wohlfahrt, Herrschaft der Vernunft, Aufklärung, die edle Gönnerhuld als Beförderung der Künste und Wissenschaften, Friede, Edelmuth, Moral in Beispielen&#x2014;o warum hat es doch eine französische Revolution, einen Napoleon geben müssen! Weinen möchte ich, wenn ich die Folge von Friede und Zufriedenheit bedenke, die bei solchen Gesinnungen, bei so wohl angewandtem Fleiße der auf die Regentschaft präparirten Prinzen über unser glückliches Vaterland hätten einziehen können! Jetzt will man den Herrschern gern das Schulgeld wieder erstatten, will ihnen die saure Mühe, die sie sich in ihren Studien über Volksbeglückung gegeben haben, gern bezahlen. Der Thron, den sie verlassen sollen, enthält wohl noch so viel Gold,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0105] theurer Bruder, hat Dein Prinz schon meine Abhandlung über das radicale Böse gelesen? o trag’ sie ihm doch ja vor! sie ist so ganz auf das Eine abgesehen, was jetzt der Menschheit Noth thut!" Welch’ unschuldige Täuschung! Wenn deutsche Fürsten ihre Regierung zur praktischen Anwendung des Unterrichts, den irgend ein aus den bestäubten Winkeln seines Museums hervorgeholter Schulphilosoph oder Moraltheolog ihnen beigebracht hatte, machen wollten, glaubten sie nicht da das Edelste zu thun? Tugend und allgemeine Wohlfahrt, Herrschaft der Vernunft, Aufklärung, die edle Gönnerhuld als Beförderung der Künste und Wissenschaften, Friede, Edelmuth, Moral in Beispielen—o warum hat es doch eine französische Revolution, einen Napoleon geben müssen! Weinen möchte ich, wenn ich die Folge von Friede und Zufriedenheit bedenke, die bei solchen Gesinnungen, bei so wohl angewandtem Fleiße der auf die Regentschaft präparirten Prinzen über unser glückliches Vaterland hätten einziehen können! Jetzt will man den Herrschern gern das Schulgeld wieder erstatten, will ihnen die saure Mühe, die sie sich in ihren Studien über Volksbeglückung gegeben haben, gern bezahlen. Der Thron, den sie verlassen sollen, enthält wohl noch so viel Gold,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts. (2013-07-01T14:33:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Zeilenumbrüche innerhalb eines Absatzes werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Anmerkungen und Erläuterungen der Herausgeber der Gutzkow-Edition sind im XML mit <ref target="[Ziel]">...</ref> wiedergegeben. [Ziel] benennt die HTM-Datei und den Abschnitt der jeweiligen Erläuterung auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.
  • Druckfehler und andere Fehler der Vorlage wurden in der Transkription behoben. Zu den hierbei vorgenommenen Textänderungen und zu problematischen Textstellen siehe Abschnitt 2.1.1: Textänderungen auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/105
Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/105>, abgerufen am 21.11.2024.