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[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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der sich überredet stellt. Der Egoismus setzt zwar nie einen fremden Willen, aber immer eine fremde Meinung voraus. Bis er die Hände seines Opfers braucht, wird er sie gefesselt lassen, den Mund kann er sich schon nicht enthalten zuweilen von seinem Zaume zu lösen, wie sollt' er anders sein Lob und die Beistimmung des Andern vernehmen!

Wie glücklich die Unterthanen doch sind! Auf beiden Wegen wird immer noch ein wenig Luft und Sonnenschein in den Kerker unseres Lebens kommen. Wir billigen, und aus Dankbarkeit macht man das Gehorchen weniger schwer. Wir gehorchen, wollen aber nicht billigen, wird man uns dann jenes nicht auch erleichtern, um uns nur zu diesem zu bewegen! Als Galiläi die Daumenschrauben und die Schmerzen der Tortur fühlte, ließ er die Bewegung der Sonne um die Erde gelten: so oft er wieder frei war, trat er heftig mit dem Fuß auf, und rief: es ist doch nicht wahr! Warum sollen es wir nicht ebenso machen?

Die Herrscher wollen ihre Forderungen gern für eine Wahrheit, am liebsten für eine Wohlthat anerkannt wissen. Darum liegt auch nichts so sehr in ihrem Interesse, als jedem ihrer Vorrechte und Gewaltschritte die Form eines Vertrags und einer den Unterthanen selbst schuldigen Verantwortlichkeit zu geben. Man wird nie einen Krieg

der sich überredet stellt. Der Egoismus setzt zwar nie einen fremden Willen, aber immer eine fremde Meinung voraus. Bis er die Hände seines Opfers braucht, wird er sie gefesselt lassen, den Mund kann er sich schon nicht enthalten zuweilen von seinem Zaume zu lösen, wie sollt’ er anders sein Lob und die Beistimmung des Andern vernehmen!

Wie glücklich die Unterthanen doch sind! Auf beiden Wegen wird immer noch ein wenig Luft und Sonnenschein in den Kerker unseres Lebens kommen. Wir billigen, und aus Dankbarkeit macht man das Gehorchen weniger schwer. Wir gehorchen, wollen aber nicht billigen, wird man uns dann jenes nicht auch erleichtern, um uns nur zu diesem zu bewegen! Als Galiläi die Daumenschrauben und die Schmerzen der Tortur fühlte, ließ er die Bewegung der Sonne um die Erde gelten: so oft er wieder frei war, trat er heftig mit dem Fuß auf, und rief: es ist doch nicht wahr! Warum sollen es wir nicht ebenso machen?

Die Herrscher wollen ihre Forderungen gern für eine Wahrheit, am liebsten für eine Wohlthat anerkannt wissen. Darum liegt auch nichts so sehr in ihrem Interesse, als jedem ihrer Vorrechte und Gewaltschritte die Form eines Vertrags und einer den Unterthanen selbst schuldigen Verantwortlichkeit zu geben. Man wird nie einen Krieg

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[115/0128] der sich überredet stellt. Der Egoismus setzt zwar nie einen fremden Willen, aber immer eine fremde Meinung voraus. Bis er die Hände seines Opfers braucht, wird er sie gefesselt lassen, den Mund kann er sich schon nicht enthalten zuweilen von seinem Zaume zu lösen, wie sollt’ er anders sein Lob und die Beistimmung des Andern vernehmen! Wie glücklich die Unterthanen doch sind! Auf beiden Wegen wird immer noch ein wenig Luft und Sonnenschein in den Kerker unseres Lebens kommen. Wir billigen, und aus Dankbarkeit macht man das Gehorchen weniger schwer. Wir gehorchen, wollen aber nicht billigen, wird man uns dann jenes nicht auch erleichtern, um uns nur zu diesem zu bewegen! Als Galiläi die Daumenschrauben und die Schmerzen der Tortur fühlte, ließ er die Bewegung der Sonne um die Erde gelten: so oft er wieder frei war, trat er heftig mit dem Fuß auf, und rief: es ist doch nicht wahr! Warum sollen es wir nicht ebenso machen? Die Herrscher wollen ihre Forderungen gern für eine Wahrheit, am liebsten für eine Wohlthat anerkannt wissen. Darum liegt auch nichts so sehr in ihrem Interesse, als jedem ihrer Vorrechte und Gewaltschritte die Form eines Vertrags und einer den Unterthanen selbst schuldigen Verantwortlichkeit zu geben. Man wird nie einen Krieg

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/128>, abgerufen am 23.05.2024.