[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.ganz ohne Rücksicht auf! Ich fürchte und zittere für Dich, Du möchtest Dich beim Verweilen in solchen Anschauungen zu einer Kälte der Empfindung und Grausamkeit des Gedankens steigern, die entsetzlich ist. Du gehörst zu jenen gräßlichen Schriftstellern, die auch Nichts, gar Nichts zeigen, woran man sie noch als Menschen, als empfindungsfähige Herzen erkennen möchte! Ich liebe es, und freue mich darüber, wenn der Heuchelei die Larve abgerissen wird, wenn sich die entdeckte Schuld vor ihrem Richter im Staube windet, aber ich wende mich dann ab, und fliehe das grausame Entzücken dieses Anblicks. Zeige immerhin den Stachel Deines gerechten Spottes, Du brauchst ihn nicht einmal zu verhüllen, nur entferne ihn zuweilen, tritt dann mit menschlich fühlendem Herzen zu dem wehmüthig klagenden Bruder, zu mir, der ich ja an Nichts glaube, als an Liebe und Treue, weine dann in meinen Armen. Selbst einen Galgen haben die Mädchen in Posen mit Blumen bekränzt, und Du willst nicht einmal von Deinen blutigen Dornen gestehen, daß sie an dem Stengel sitzen, auf dem oben sich eine Rose wiegt! Ja, Geliebte! ich hoffe es bei Dem, was Dir nur am heiligsten sein kann, bei diesem Gefühle für Recht und Wahrheit, bei dem, was Dich zu solchen Ansichten und Urtheilen treibt, ganz ohne Rücksicht auf! Ich fürchte und zittere für Dich, Du möchtest Dich beim Verweilen in solchen Anschauungen zu einer Kälte der Empfindung und Grausamkeit des Gedankens steigern, die entsetzlich ist. Du gehörst zu jenen gräßlichen Schriftstellern, die auch Nichts, gar Nichts zeigen, woran man sie noch als Menschen, als empfindungsfähige Herzen erkennen möchte! Ich liebe es, und freue mich darüber, wenn der Heuchelei die Larve abgerissen wird, wenn sich die entdeckte Schuld vor ihrem Richter im Staube windet, aber ich wende mich dann ab, und fliehe das grausame Entzücken dieses Anblicks. Zeige immerhin den Stachel Deines gerechten Spottes, Du brauchst ihn nicht einmal zu verhüllen, nur entferne ihn zuweilen, tritt dann mit menschlich fühlendem Herzen zu dem wehmüthig klagenden Bruder, zu mir, der ich ja an Nichts glaube, als an Liebe und Treue, weine dann in meinen Armen. Selbst einen Galgen haben die Mädchen in Posen mit Blumen bekränzt, und Du willst nicht einmal von Deinen blutigen Dornen gestehen, daß sie an dem Stengel sitzen, auf dem oben sich eine Rose wiegt! Ja, Geliebte! ich hoffe es bei Dem, was Dir nur am heiligsten sein kann, bei diesem Gefühle für Recht und Wahrheit, bei dem, was Dich zu solchen Ansichten und Urtheilen treibt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0135" n="122"/> ganz ohne Rücksicht auf! Ich fürchte und zittere für Dich, Du möchtest Dich beim Verweilen in solchen Anschauungen zu einer Kälte der Empfindung und Grausamkeit des Gedankens steigern, die entsetzlich ist. Du gehörst zu jenen gräßlichen Schriftstellern, die auch Nichts, gar Nichts zeigen, woran man sie noch als Menschen, als empfindungsfähige Herzen erkennen möchte! Ich liebe es, und freue mich darüber, wenn der Heuchelei die Larve abgerissen wird, wenn sich die entdeckte Schuld vor ihrem Richter im Staube windet, aber ich wende mich dann ab, und fliehe das grausame Entzücken dieses Anblicks. Zeige immerhin den Stachel Deines gerechten Spottes, Du brauchst ihn nicht einmal zu verhüllen, nur entferne ihn zuweilen, tritt dann mit menschlich fühlendem Herzen zu dem wehmüthig klagenden Bruder, zu mir, der ich ja an Nichts glaube, als an Liebe und Treue, weine dann in meinen Armen. Selbst einen Galgen haben die Mädchen in Posen mit Blumen bekränzt, und Du willst nicht einmal von Deinen blutigen Dornen gestehen, daß sie an dem Stengel sitzen, auf dem oben sich eine Rose wiegt!</p> <p>Ja, Geliebte! ich hoffe es bei Dem, was Dir nur am heiligsten sein kann, bei diesem Gefühle für Recht und Wahrheit, bei dem, was Dich zu solchen Ansichten und Urtheilen treibt, </p> </div> </body> </text> </TEI> [122/0135]
ganz ohne Rücksicht auf! Ich fürchte und zittere für Dich, Du möchtest Dich beim Verweilen in solchen Anschauungen zu einer Kälte der Empfindung und Grausamkeit des Gedankens steigern, die entsetzlich ist. Du gehörst zu jenen gräßlichen Schriftstellern, die auch Nichts, gar Nichts zeigen, woran man sie noch als Menschen, als empfindungsfähige Herzen erkennen möchte! Ich liebe es, und freue mich darüber, wenn der Heuchelei die Larve abgerissen wird, wenn sich die entdeckte Schuld vor ihrem Richter im Staube windet, aber ich wende mich dann ab, und fliehe das grausame Entzücken dieses Anblicks. Zeige immerhin den Stachel Deines gerechten Spottes, Du brauchst ihn nicht einmal zu verhüllen, nur entferne ihn zuweilen, tritt dann mit menschlich fühlendem Herzen zu dem wehmüthig klagenden Bruder, zu mir, der ich ja an Nichts glaube, als an Liebe und Treue, weine dann in meinen Armen. Selbst einen Galgen haben die Mädchen in Posen mit Blumen bekränzt, und Du willst nicht einmal von Deinen blutigen Dornen gestehen, daß sie an dem Stengel sitzen, auf dem oben sich eine Rose wiegt!
Ja, Geliebte! ich hoffe es bei Dem, was Dir nur am heiligsten sein kann, bei diesem Gefühle für Recht und Wahrheit, bei dem, was Dich zu solchen Ansichten und Urtheilen treibt,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/135 |
Zitationshilfe: | [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/135>, abgerufen am 16.02.2025. |