[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.nen Pflug eine Weile stehen läßt, und mit dem Pflüger auf der andern im Schatten der Gränzeiche ein vertrauliches Gespräch halten kann, so lange noch keine Mauer verhindert, daß sie sich einander die Hand reichen, wollen wir nicht fürchten, die Wahrheit möchte abhanden kommen. Zwang und Gewaltthätigkeit kann wohl verhindern, daß man in Lausau weiß, was der Amtsschreiber in Kauzen den Bauern für Grobheiten sagt; aber daß man in China ein erbärmliches Leben führt, hat selbst durch die hohe und lange Mauer nicht können verschwiegen werden. Durch Endliches läßt sich die Erkenntniß des Unendlichen weder befördern noch hindern. Wenn die Baumeister des babylonischen Thurms das Wesen Gottes mit Kalk und Steinen begreifen wollten, so ist das dieselbe Thorheit, die in den Versuchen der Gewalthaber liegt, wenn sie einen mächtigen Strom dämmen wollen. Der Strom glaubt ja nicht mehr an die Nothwendigkeit seines alten Bettes, wird er hier aufgehalten, so bahnt er sich dort einen neuen Weg, und das mit reißender, zerstörender Gewalt. So verfehlen sie nicht nur an der einen Seite ihre Absicht, sondern machen an einer andern Seite den Schaden größer, als er je zuvor war. Mit Congressen, Protokollen und verschärften Maßregeln droht man die Völker zu beglücken. Das nen Pflug eine Weile stehen läßt, und mit dem Pflüger auf der andern im Schatten der Gränzeiche ein vertrauliches Gespräch halten kann, so lange noch keine Mauer verhindert, daß sie sich einander die Hand reichen, wollen wir nicht fürchten, die Wahrheit möchte abhanden kommen. Zwang und Gewaltthätigkeit kann wohl verhindern, daß man in Lausau weiß, was der Amtsschreiber in Kauzen den Bauern für Grobheiten sagt; aber daß man in China ein erbärmliches Leben führt, hat selbst durch die hohe und lange Mauer nicht können verschwiegen werden. Durch Endliches läßt sich die Erkenntniß des Unendlichen weder befördern noch hindern. Wenn die Baumeister des babylonischen Thurms das Wesen Gottes mit Kalk und Steinen begreifen wollten, so ist das dieselbe Thorheit, die in den Versuchen der Gewalthaber liegt, wenn sie einen mächtigen Strom dämmen wollen. Der Strom glaubt ja nicht mehr an die Nothwendigkeit seines alten Bettes, wird er hier aufgehalten, so bahnt er sich dort einen neuen Weg, und das mit reißender, zerstörender Gewalt. So verfehlen sie nicht nur an der einen Seite ihre Absicht, sondern machen an einer andern Seite den Schaden größer, als er je zuvor war. Mit Congressen, Protokollen und verschärften Maßregeln droht man die Völker zu beglücken. Das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0204" n="191"/> nen Pflug eine Weile stehen läßt, und mit dem Pflüger auf der andern im Schatten der Gränzeiche ein vertrauliches Gespräch halten kann, so lange noch keine Mauer verhindert, daß sie sich einander die Hand reichen, wollen wir nicht fürchten, die Wahrheit möchte abhanden kommen. Zwang und Gewaltthätigkeit kann wohl verhindern, daß man in Lausau weiß, was der Amtsschreiber in Kauzen den Bauern für Grobheiten sagt; aber daß man in China ein erbärmliches Leben führt, hat selbst durch die hohe und lange Mauer nicht können verschwiegen werden. Durch Endliches läßt sich die Erkenntniß des Unendlichen weder befördern noch hindern. Wenn die Baumeister des babylonischen Thurms das Wesen Gottes mit Kalk und Steinen begreifen wollten, so ist das dieselbe Thorheit, die in den Versuchen der Gewalthaber liegt, wenn sie einen mächtigen Strom dämmen wollen. Der Strom glaubt ja nicht mehr an die Nothwendigkeit seines alten Bettes, wird er hier aufgehalten, so bahnt er sich dort einen neuen Weg, und das mit reißender, zerstörender Gewalt. So verfehlen sie nicht nur an der einen Seite ihre Absicht, sondern machen an einer andern Seite den Schaden größer, als er je zuvor war. Mit Congressen, Protokollen und verschärften Maßregeln droht man die Völker zu beglücken. Das </p> </div> </body> </text> </TEI> [191/0204]
nen Pflug eine Weile stehen läßt, und mit dem Pflüger auf der andern im Schatten der Gränzeiche ein vertrauliches Gespräch halten kann, so lange noch keine Mauer verhindert, daß sie sich einander die Hand reichen, wollen wir nicht fürchten, die Wahrheit möchte abhanden kommen. Zwang und Gewaltthätigkeit kann wohl verhindern, daß man in Lausau weiß, was der Amtsschreiber in Kauzen den Bauern für Grobheiten sagt; aber daß man in China ein erbärmliches Leben führt, hat selbst durch die hohe und lange Mauer nicht können verschwiegen werden. Durch Endliches läßt sich die Erkenntniß des Unendlichen weder befördern noch hindern. Wenn die Baumeister des babylonischen Thurms das Wesen Gottes mit Kalk und Steinen begreifen wollten, so ist das dieselbe Thorheit, die in den Versuchen der Gewalthaber liegt, wenn sie einen mächtigen Strom dämmen wollen. Der Strom glaubt ja nicht mehr an die Nothwendigkeit seines alten Bettes, wird er hier aufgehalten, so bahnt er sich dort einen neuen Weg, und das mit reißender, zerstörender Gewalt. So verfehlen sie nicht nur an der einen Seite ihre Absicht, sondern machen an einer andern Seite den Schaden größer, als er je zuvor war. Mit Congressen, Protokollen und verschärften Maßregeln droht man die Völker zu beglücken. Das
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts.
(2013-07-01T14:33:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-07-01T14:33:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |