Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

deutschen Fürsten können uns doch auf keinem Wege, selbst auf dem langweiligsten, dem Wege Rechtens nicht entgehen! Man wird sie zu vernichten drohen, und sie zittern. Man wird sie verehren wollen, und sie entsetzen sich. Ueberall sind ihnen die Hände gebunden. Einer hat dem Andern ein Versprechen gegeben; sie möchten Alle davon befreit sein, und wagen doch ohne dasselbe nicht, auf der Parade zu erscheinen. Selbst das verschlagene Preußen hat sich eine Grube gegraben. Warum gilt der Spruch scriptum manet? Warum mußten wir vor zehen Jahren Concessionen geben, nach deren Erfüllung sich jetzt Niemand mehr sehnt? Jetzt fühlt sich bei uns Alles glücklich und befriedigt; hätten wir je das Wort: allgemeine ständische Versammlungen brauchen dürfen? O hätten wir doch in dem unseligen Edict über Feststellung der Reichsschuld nie von "künftigen Reichsständen" gesprochen! Geliebte, was hilft Dir nun Dein sammtnes Kleid, Dein goldener Schmuck, Dein Glanzgeschmeid? Wohlangestellte Leute können es beweisen, daß wir Preußen ohne Vertretung glücklich sind; und nun dürfen wir die Kinder unseres eigenen Geistes, die schönen Früchte der Gesinnungen, die die Regierung bei uns nur hat aufkommen lassen, nicht anerkennen und genießen! Wir müssen einmal mit

deutschen Fürsten können uns doch auf keinem Wege, selbst auf dem langweiligsten, dem Wege Rechtens nicht entgehen! Man wird sie zu vernichten drohen, und sie zittern. Man wird sie verehren wollen, und sie entsetzen sich. Ueberall sind ihnen die Hände gebunden. Einer hat dem Andern ein Versprechen gegeben; sie möchten Alle davon befreit sein, und wagen doch ohne dasselbe nicht, auf der Parade zu erscheinen. Selbst das verschlagene Preußen hat sich eine Grube gegraben. Warum gilt der Spruch scriptum manet? Warum mußten wir vor zehen Jahren Concessionen geben, nach deren Erfüllung sich jetzt Niemand mehr sehnt? Jetzt fühlt sich bei uns Alles glücklich und befriedigt; hätten wir je das Wort: allgemeine ständische Versammlungen brauchen dürfen? O hätten wir doch in dem unseligen Edict über Feststellung der Reichsschuld nie von »künftigen Reichsständen« gesprochen! Geliebte, was hilft Dir nun Dein sammtnes Kleid, Dein goldener Schmuck, Dein Glanzgeschmeid? Wohlangestellte Leute können es beweisen, daß wir Preußen ohne Vertretung glücklich sind; und nun dürfen wir die Kinder unseres eigenen Geistes, die schönen Früchte der Gesinnungen, die die Regierung bei uns nur hat aufkommen lassen, nicht anerkennen und genießen! Wir müssen einmal mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0214" n="201"/>
deutschen Fürsten können uns doch auf keinem Wege, selbst auf dem langweiligsten, dem Wege Rechtens nicht entgehen! Man wird sie zu vernichten drohen, und sie zittern. Man wird sie verehren wollen, und sie entsetzen sich. Ueberall sind ihnen die Hände gebunden. Einer hat dem Andern ein Versprechen gegeben; sie möchten Alle davon befreit sein, und wagen doch ohne dasselbe nicht, auf der Parade zu erscheinen. Selbst das verschlagene Preußen hat sich eine Grube gegraben. Warum gilt der Spruch <hi rendition="#aq">scriptum manet</hi>? Warum mußten wir vor zehen Jahren Concessionen geben, nach deren Erfüllung sich jetzt Niemand mehr sehnt? Jetzt fühlt sich bei uns Alles glücklich und befriedigt; hätten wir je das Wort: <hi rendition="#g">allgemeine</hi> ständische Versammlungen brauchen dürfen? O hätten wir doch in dem unseligen Edict über Feststellung der Reichsschuld nie von »künftigen Reichsständen« gesprochen! Geliebte, was hilft Dir nun Dein sammtnes Kleid, Dein goldener Schmuck, Dein Glanzgeschmeid? Wohlangestellte Leute können es beweisen, daß wir Preußen ohne Vertretung glücklich sind; und nun dürfen wir die Kinder unseres eigenen Geistes, die schönen Früchte der Gesinnungen, die die Regierung bei uns nur hat aufkommen lassen, nicht anerkennen und genießen! Wir müssen einmal mit
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[201/0214] deutschen Fürsten können uns doch auf keinem Wege, selbst auf dem langweiligsten, dem Wege Rechtens nicht entgehen! Man wird sie zu vernichten drohen, und sie zittern. Man wird sie verehren wollen, und sie entsetzen sich. Ueberall sind ihnen die Hände gebunden. Einer hat dem Andern ein Versprechen gegeben; sie möchten Alle davon befreit sein, und wagen doch ohne dasselbe nicht, auf der Parade zu erscheinen. Selbst das verschlagene Preußen hat sich eine Grube gegraben. Warum gilt der Spruch scriptum manet? Warum mußten wir vor zehen Jahren Concessionen geben, nach deren Erfüllung sich jetzt Niemand mehr sehnt? Jetzt fühlt sich bei uns Alles glücklich und befriedigt; hätten wir je das Wort: allgemeine ständische Versammlungen brauchen dürfen? O hätten wir doch in dem unseligen Edict über Feststellung der Reichsschuld nie von »künftigen Reichsständen« gesprochen! Geliebte, was hilft Dir nun Dein sammtnes Kleid, Dein goldener Schmuck, Dein Glanzgeschmeid? Wohlangestellte Leute können es beweisen, daß wir Preußen ohne Vertretung glücklich sind; und nun dürfen wir die Kinder unseres eigenen Geistes, die schönen Früchte der Gesinnungen, die die Regierung bei uns nur hat aufkommen lassen, nicht anerkennen und genießen! Wir müssen einmal mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts. (2013-07-01T14:33:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Zeilenumbrüche innerhalb eines Absatzes werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Anmerkungen und Erläuterungen der Herausgeber der Gutzkow-Edition sind im XML mit <ref target="[Ziel]">...</ref> wiedergegeben. [Ziel] benennt die HTM-Datei und den Abschnitt der jeweiligen Erläuterung auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.
  • Druckfehler und andere Fehler der Vorlage wurden in der Transkription behoben. Zu den hierbei vorgenommenen Textänderungen und zu problematischen Textstellen siehe Abschnitt 2.1.1: Textänderungen auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/214
Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/214>, abgerufen am 21.11.2024.