[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.Neunzehnter Brief. Wenn der Schwätzer Plutarch noch lebte, Theure, so müßt' er die Parallelen unserer Lebensgeschichte ziehen. Aber wenn Du glaubst, wir Beide zusammen machten erst ein vollkommenes Ganze, so irrst Du Dich. Ich fühle mich wohl gern in Deiner warmen Lebenshelle, Du milde Sonne, aber ich will doch lieber durch Dich erklärt, als von Dir ergänzt sein. Wenn Du in die Dunkelheit meines Lebens wie Sonnenlicht fällst, so denk' ich, Finsterniß kann nicht ohne Helle hell werden, aber wer schon wie Du, hell ist, bedarf der Nacht nicht. Ich könnte meinen Werth durch Deine Mischung erhöhen, aber Du verlierst durch die Zuthat meiner Schwäche. Gerade will ich klein sein, um Deine Größe bewundern zu können. Neunzehnter Brief. Wenn der Schwätzer Plutarch noch lebte, Theure, so müßt’ er die Parallelen unserer Lebensgeschichte ziehen. Aber wenn Du glaubst, wir Beide zusammen machten erst ein vollkommenes Ganze, so irrst Du Dich. Ich fühle mich wohl gern in Deiner warmen Lebenshelle, Du milde Sonne, aber ich will doch lieber durch Dich erklärt, als von Dir ergänzt sein. Wenn Du in die Dunkelheit meines Lebens wie Sonnenlicht fällst, so denk’ ich, Finsterniß kann nicht ohne Helle hell werden, aber wer schon wie Du, hell ist, bedarf der Nacht nicht. Ich könnte meinen Werth durch Deine Mischung erhöhen, aber Du verlierst durch die Zuthat meiner Schwäche. Gerade will ich klein sein, um Deine Größe bewundern zu können. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0234" n="221"/> <head> <hi rendition="#g">Neunzehnter Brief.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Wenn der Schwätzer Plutarch noch lebte, Theure, so müßt’ er die Parallelen unserer Lebensgeschichte ziehen. Aber wenn Du glaubst, wir Beide zusammen machten erst ein vollkommenes Ganze, so irrst Du Dich. Ich fühle mich wohl gern in Deiner warmen Lebenshelle, Du milde Sonne, aber ich will doch lieber durch Dich erklärt, als von Dir ergänzt sein. Wenn Du in die Dunkelheit meines Lebens wie Sonnenlicht fällst, so denk’ ich, Finsterniß kann nicht ohne Helle hell werden, aber wer schon wie Du, hell ist, bedarf der Nacht nicht. Ich könnte meinen Werth durch Deine Mischung erhöhen, aber Du verlierst durch die Zuthat meiner Schwäche. Gerade will ich klein sein, um Deine Größe bewundern zu können.</p> </div> </body> </text> </TEI> [221/0234]
Neunzehnter Brief.
Wenn der Schwätzer Plutarch noch lebte, Theure, so müßt’ er die Parallelen unserer Lebensgeschichte ziehen. Aber wenn Du glaubst, wir Beide zusammen machten erst ein vollkommenes Ganze, so irrst Du Dich. Ich fühle mich wohl gern in Deiner warmen Lebenshelle, Du milde Sonne, aber ich will doch lieber durch Dich erklärt, als von Dir ergänzt sein. Wenn Du in die Dunkelheit meines Lebens wie Sonnenlicht fällst, so denk’ ich, Finsterniß kann nicht ohne Helle hell werden, aber wer schon wie Du, hell ist, bedarf der Nacht nicht. Ich könnte meinen Werth durch Deine Mischung erhöhen, aber Du verlierst durch die Zuthat meiner Schwäche. Gerade will ich klein sein, um Deine Größe bewundern zu können.
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