Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

so gern das Außerordentliche dem Gewöhnlichen vorziehen, selbst wenn sie Schlechteres statt Besseres eintauschen!

Ich weiß nicht, bist Du es, die mich heute so monarchisch stimmt? Die Republik versagt jedem Bunde die Existenz, der nicht so groß ist, als sie selbst. Nun ist es aber wieder ein altes Gesetz, daß die Gesellschaft sich gern in Gruppen sondert, abgelegene Oerter sucht, um im Stillen mit den Liebhabereien seines Herzens zu buhlen. Man flüstert sich zu, und auf dem mondscheinglänzenden Rüttli hebt man so gern die drei vermessenen Finger zum Schwure auf. Die Monarchie macht keinem Geheimbunde sein Recht streitig, wenn sie sich von seiner Unschädlichkeit überzeugt hat. Dagegen wurde z. B. die Freimaurei von der Republik untersagt, ein Verbot, das der Menschheit grausam scheinen muß, weil sie weiß, daß in einem Lande vielleicht in der That kein Raum für den salomonischen Tempel, aber doch immer Platz genug für eine Tafel von hundert Gedecken vorhanden sein wird.

Die Brücke, die zur Wahrheit führt, ist oft nur eine Eselsbrücke. Auf diesem Wege kommen vielleicht noch einmal die Freimaurer zu ihr. Ich hätte mich schon längst Dir gegenüber zum wärmsten Vertheidiger dieser modernen Tempelherren aufgeworfen, wenn ich die Menschheit und ihr

so gern das Außerordentliche dem Gewöhnlichen vorziehen, selbst wenn sie Schlechteres statt Besseres eintauschen!

Ich weiß nicht, bist Du es, die mich heute so monarchisch stimmt? Die Republik versagt jedem Bunde die Existenz, der nicht so groß ist, als sie selbst. Nun ist es aber wieder ein altes Gesetz, daß die Gesellschaft sich gern in Gruppen sondert, abgelegene Oerter sucht, um im Stillen mit den Liebhabereien seines Herzens zu buhlen. Man flüstert sich zu, und auf dem mondscheinglänzenden Rüttli hebt man so gern die drei vermessenen Finger zum Schwure auf. Die Monarchie macht keinem Geheimbunde sein Recht streitig, wenn sie sich von seiner Unschädlichkeit überzeugt hat. Dagegen wurde z. B. die Freimaurei von der Republik untersagt, ein Verbot, das der Menschheit grausam scheinen muß, weil sie weiß, daß in einem Lande vielleicht in der That kein Raum für den salomonischen Tempel, aber doch immer Platz genug für eine Tafel von hundert Gedecken vorhanden sein wird.

Die Brücke, die zur Wahrheit führt, ist oft nur eine Eselsbrücke. Auf diesem Wege kommen vielleicht noch einmal die Freimaurer zu ihr. Ich hätte mich schon längst Dir gegenüber zum wärmsten Vertheidiger dieser modernen Tempelherren aufgeworfen, wenn ich die Menschheit und ihr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0251" n="238"/>
so gern das Außerordentliche dem Gewöhnlichen vorziehen, selbst wenn sie Schlechteres statt Besseres eintauschen!</p>
        <p>Ich weiß nicht, bist Du es, die mich heute so monarchisch stimmt? Die Republik versagt jedem Bunde die Existenz, der nicht so groß ist, als sie selbst. Nun ist es aber wieder ein altes Gesetz, daß die Gesellschaft sich gern in Gruppen sondert, abgelegene Oerter sucht, um im Stillen mit den Liebhabereien seines Herzens zu buhlen. Man flüstert sich zu, und auf dem mondscheinglänzenden Rüttli hebt man so gern die drei vermessenen Finger zum Schwure auf. Die Monarchie macht keinem Geheimbunde sein Recht streitig, wenn sie sich von seiner Unschädlichkeit überzeugt hat. Dagegen wurde z. B. die Freimaurei von der Republik untersagt, ein Verbot, das der Menschheit grausam scheinen muß, weil sie weiß, daß in einem Lande vielleicht in der That kein Raum für den salomonischen Tempel, aber doch immer Platz genug für eine Tafel von hundert Gedecken vorhanden sein wird.</p>
        <p>Die Brücke, die zur Wahrheit führt, ist oft nur eine Eselsbrücke. Auf diesem Wege kommen vielleicht noch einmal die Freimaurer zu ihr. Ich hätte mich schon längst Dir gegenüber zum wärmsten Vertheidiger dieser modernen Tempelherren aufgeworfen, wenn ich die Menschheit und ihr
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[238/0251] so gern das Außerordentliche dem Gewöhnlichen vorziehen, selbst wenn sie Schlechteres statt Besseres eintauschen! Ich weiß nicht, bist Du es, die mich heute so monarchisch stimmt? Die Republik versagt jedem Bunde die Existenz, der nicht so groß ist, als sie selbst. Nun ist es aber wieder ein altes Gesetz, daß die Gesellschaft sich gern in Gruppen sondert, abgelegene Oerter sucht, um im Stillen mit den Liebhabereien seines Herzens zu buhlen. Man flüstert sich zu, und auf dem mondscheinglänzenden Rüttli hebt man so gern die drei vermessenen Finger zum Schwure auf. Die Monarchie macht keinem Geheimbunde sein Recht streitig, wenn sie sich von seiner Unschädlichkeit überzeugt hat. Dagegen wurde z. B. die Freimaurei von der Republik untersagt, ein Verbot, das der Menschheit grausam scheinen muß, weil sie weiß, daß in einem Lande vielleicht in der That kein Raum für den salomonischen Tempel, aber doch immer Platz genug für eine Tafel von hundert Gedecken vorhanden sein wird. Die Brücke, die zur Wahrheit führt, ist oft nur eine Eselsbrücke. Auf diesem Wege kommen vielleicht noch einmal die Freimaurer zu ihr. Ich hätte mich schon längst Dir gegenüber zum wärmsten Vertheidiger dieser modernen Tempelherren aufgeworfen, wenn ich die Menschheit und ihr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts. (2013-07-01T14:33:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Zeilenumbrüche innerhalb eines Absatzes werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Anmerkungen und Erläuterungen der Herausgeber der Gutzkow-Edition sind im XML mit <ref target="[Ziel]">...</ref> wiedergegeben. [Ziel] benennt die HTM-Datei und den Abschnitt der jeweiligen Erläuterung auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.
  • Druckfehler und andere Fehler der Vorlage wurden in der Transkription behoben. Zu den hierbei vorgenommenen Textänderungen und zu problematischen Textstellen siehe Abschnitt 2.1.1: Textänderungen auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/251
Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/251>, abgerufen am 22.11.2024.