Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

doch auch durch meine Seele wie ein Dolch fahren? als müßt' ich betäubt, entsetzt vor irgend einem Anblick, mein Gesicht abwenden, und das Schwert nicht aus meiner Scheide ziehen, sondern erst aus den Händen rachefordernder Manen empfangen? Schwester, solltest Du das Opfer des Tyrannenfrevels werden? Bei jenen Tempelhöhen des capitolinischen Jupiter! ich schwöre Dir unerhörte Sühne.

Solche ahnungstrübe Gedanken engen oft hart die Straße, die ich wandle. Dann fahr' ich entsetzt wie vor Gespenstern zurück. Und über Schwäger und Vettern, die mich nur im duldenden Blödsinne zu sehen gewohnt sind, kommt ein Schauder und Schrecken, daß sie das starre Weiß in meinen Augen nicht ertragen können. Wie sehn' ich mich nach der Stunde der Erlösung!

Wer weise sein will, der werde ein Narr in dieser Welt! Ist dies die Art unseres Jahrhunderts, daß, wer sein Vaterland retten will, sich für verrückt ausgeben muß? Wie ein toller Sänger zieh' ich durchs Land, und singe Lieder mit entsetzlicher Stimme, und schlage dazu Töne, lachend bald, bald weinend. Hier lärm' und donnr' ich, rede wie in Aprilschauern dort, und dann wieder wie Frühlingsglanz und Sonnenwärme. Das Volk gafft den Gaukler an, schlägt aber immer ein

doch auch durch meine Seele wie ein Dolch fahren? als müßt’ ich betäubt, entsetzt vor irgend einem Anblick, mein Gesicht abwenden, und das Schwert nicht aus meiner Scheide ziehen, sondern erst aus den Händen rachefordernder Manen empfangen? Schwester, solltest Du das Opfer des Tyrannenfrevels werden? Bei jenen Tempelhöhen des capitolinischen Jupiter! ich schwöre Dir unerhörte Sühne.

Solche ahnungstrübe Gedanken engen oft hart die Straße, die ich wandle. Dann fahr’ ich entsetzt wie vor Gespenstern zurück. Und über Schwäger und Vettern, die mich nur im duldenden Blödsinne zu sehen gewohnt sind, kommt ein Schauder und Schrecken, daß sie das starre Weiß in meinen Augen nicht ertragen können. Wie sehn’ ich mich nach der Stunde der Erlösung!

Wer weise sein will, der werde ein Narr in dieser Welt! Ist dies die Art unseres Jahrhunderts, daß, wer sein Vaterland retten will, sich für verrückt ausgeben muß? Wie ein toller Sänger zieh’ ich durchs Land, und singe Lieder mit entsetzlicher Stimme, und schlage dazu Töne, lachend bald, bald weinend. Hier lärm’ und donnr’ ich, rede wie in Aprilschauern dort, und dann wieder wie Frühlingsglanz und Sonnenwärme. Das Volk gafft den Gaukler an, schlägt aber immer ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0333" n="320"/>
doch auch durch meine Seele wie ein Dolch fahren? als müßt&#x2019; ich betäubt, entsetzt vor irgend einem Anblick, mein Gesicht abwenden, und das Schwert nicht aus meiner Scheide ziehen, sondern erst aus den Händen rachefordernder Manen empfangen? Schwester, solltest Du das Opfer des Tyrannenfrevels werden? Bei jenen Tempelhöhen des capitolinischen Jupiter! ich schwöre Dir unerhörte Sühne.</p>
        <p>Solche ahnungstrübe Gedanken engen oft hart die Straße, die ich wandle. Dann fahr&#x2019; ich entsetzt wie vor Gespenstern zurück. Und über Schwäger und Vettern, die mich nur im duldenden Blödsinne zu sehen gewohnt sind, kommt ein Schauder und Schrecken, daß sie das starre Weiß in meinen Augen nicht ertragen können. Wie sehn&#x2019; ich mich nach der Stunde der Erlösung!</p>
        <p>Wer weise sein will, der werde ein Narr in dieser Welt! Ist dies die Art unseres Jahrhunderts, daß, wer sein Vaterland retten will, sich für verrückt ausgeben muß? Wie ein toller Sänger zieh&#x2019; ich durchs Land, und singe Lieder mit entsetzlicher Stimme, und schlage dazu Töne, lachend bald, bald weinend. Hier lärm&#x2019; und donnr&#x2019; ich, rede wie in Aprilschauern dort, und dann wieder wie Frühlingsglanz und Sonnenwärme. Das Volk gafft den Gaukler an, schlägt aber immer ein
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0333] doch auch durch meine Seele wie ein Dolch fahren? als müßt’ ich betäubt, entsetzt vor irgend einem Anblick, mein Gesicht abwenden, und das Schwert nicht aus meiner Scheide ziehen, sondern erst aus den Händen rachefordernder Manen empfangen? Schwester, solltest Du das Opfer des Tyrannenfrevels werden? Bei jenen Tempelhöhen des capitolinischen Jupiter! ich schwöre Dir unerhörte Sühne. Solche ahnungstrübe Gedanken engen oft hart die Straße, die ich wandle. Dann fahr’ ich entsetzt wie vor Gespenstern zurück. Und über Schwäger und Vettern, die mich nur im duldenden Blödsinne zu sehen gewohnt sind, kommt ein Schauder und Schrecken, daß sie das starre Weiß in meinen Augen nicht ertragen können. Wie sehn’ ich mich nach der Stunde der Erlösung! Wer weise sein will, der werde ein Narr in dieser Welt! Ist dies die Art unseres Jahrhunderts, daß, wer sein Vaterland retten will, sich für verrückt ausgeben muß? Wie ein toller Sänger zieh’ ich durchs Land, und singe Lieder mit entsetzlicher Stimme, und schlage dazu Töne, lachend bald, bald weinend. Hier lärm’ und donnr’ ich, rede wie in Aprilschauern dort, und dann wieder wie Frühlingsglanz und Sonnenwärme. Das Volk gafft den Gaukler an, schlägt aber immer ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts. (2013-07-01T14:33:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Zeilenumbrüche innerhalb eines Absatzes werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Anmerkungen und Erläuterungen der Herausgeber der Gutzkow-Edition sind im XML mit <ref target="[Ziel]">...</ref> wiedergegeben. [Ziel] benennt die HTM-Datei und den Abschnitt der jeweiligen Erläuterung auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.
  • Druckfehler und andere Fehler der Vorlage wurden in der Transkription behoben. Zu den hierbei vorgenommenen Textänderungen und zu problematischen Textstellen siehe Abschnitt 2.1.1: Textänderungen auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/333
Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/333>, abgerufen am 21.11.2024.