Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

len, und ein lichter Tag den Sehenden entgegenscheinen.

Jetzt, meine Schwester, sind wir noch Deinem Geschlecht in das zarte Werk seiner Hände gefallen. Wie wir heute z. B. zur Ostermesse 1832 schreiben, weben wir an einem großen Vorhange, der aber einst unter den Zeichen des Himmels zerreißen wird, wenn der neue Bund mit seinem Blut den Untergang des alten besiegelt. Weil dies Weben nur eine vorübergehende Beschäftigung ist, so ist es uns auch ungewohnt: denn mit den spitzen Nadeln fahren wir uns oft gar unsanft in die Hände. Aber ist der Vorhang zu Stande, so werfen wir die Nadeln weg, die neue Zeit wird uns anders beschäftigen.

Noch sind uns alle Wege zum Ziele mit schwarzem Trauerflor behangen. So viele junge Herzen, die sich entschlossen haben, auf ihr ganzes Leben den Belohnungen der Machthaber zu entsagen, wandeln diese Thränenstraße. Ueberall müssen sie sich an spitzen Dornen blutig ritzen. Kaum aus den Kreisen des häuslichen Lebens herausgetreten, mit kindlicher Hoffnung aus Liebe und Treue erwartend, werden sie schon von den rohen Schergen der Gewalt ergriffen. Ihre Hoffnung wird Mißtrauen, und dies bis zum Haß gesteigert. Wenn in die Köpfe der Deutschen während der

len, und ein lichter Tag den Sehenden entgegenscheinen.

Jetzt, meine Schwester, sind wir noch Deinem Geschlecht in das zarte Werk seiner Hände gefallen. Wie wir heute z. B. zur Ostermesse 1832 schreiben, weben wir an einem großen Vorhange, der aber einst unter den Zeichen des Himmels zerreißen wird, wenn der neue Bund mit seinem Blut den Untergang des alten besiegelt. Weil dies Weben nur eine vorübergehende Beschäftigung ist, so ist es uns auch ungewohnt: denn mit den spitzen Nadeln fahren wir uns oft gar unsanft in die Hände. Aber ist der Vorhang zu Stande, so werfen wir die Nadeln weg, die neue Zeit wird uns anders beschäftigen.

Noch sind uns alle Wege zum Ziele mit schwarzem Trauerflor behangen. So viele junge Herzen, die sich entschlossen haben, auf ihr ganzes Leben den Belohnungen der Machthaber zu entsagen, wandeln diese Thränenstraße. Ueberall müssen sie sich an spitzen Dornen blutig ritzen. Kaum aus den Kreisen des häuslichen Lebens herausgetreten, mit kindlicher Hoffnung aus Liebe und Treue erwartend, werden sie schon von den rohen Schergen der Gewalt ergriffen. Ihre Hoffnung wird Mißtrauen, und dies bis zum Haß gesteigert. Wenn in die Köpfe der Deutschen während der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0337" n="324"/>
len, und ein lichter Tag den Sehenden entgegenscheinen. </p>
        <p>Jetzt, meine Schwester, sind wir noch Deinem Geschlecht in das zarte Werk seiner Hände gefallen. Wie wir heute z. B. zur Ostermesse 1832 schreiben, weben wir an einem großen Vorhange, der aber einst unter den Zeichen des Himmels zerreißen wird, wenn der neue Bund mit seinem Blut den Untergang des alten besiegelt. Weil dies Weben nur eine vorübergehende Beschäftigung ist, so ist es uns auch ungewohnt: denn mit den spitzen Nadeln fahren wir uns oft gar unsanft in die Hände. Aber ist der Vorhang zu Stande, so werfen wir die Nadeln weg, die neue Zeit wird uns anders beschäftigen. </p>
        <p>Noch sind uns alle Wege zum Ziele mit schwarzem Trauerflor behangen. So viele junge Herzen, die sich entschlossen haben, auf ihr ganzes Leben den Belohnungen der Machthaber zu entsagen, wandeln diese Thränenstraße. Ueberall müssen sie sich an spitzen Dornen blutig ritzen. Kaum aus den Kreisen des häuslichen Lebens herausgetreten, mit kindlicher Hoffnung aus Liebe und Treue erwartend, werden sie schon von den rohen Schergen der Gewalt ergriffen. Ihre Hoffnung wird Mißtrauen, und dies bis zum Haß gesteigert. Wenn in die Köpfe der Deutschen während der
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[324/0337] len, und ein lichter Tag den Sehenden entgegenscheinen. Jetzt, meine Schwester, sind wir noch Deinem Geschlecht in das zarte Werk seiner Hände gefallen. Wie wir heute z. B. zur Ostermesse 1832 schreiben, weben wir an einem großen Vorhange, der aber einst unter den Zeichen des Himmels zerreißen wird, wenn der neue Bund mit seinem Blut den Untergang des alten besiegelt. Weil dies Weben nur eine vorübergehende Beschäftigung ist, so ist es uns auch ungewohnt: denn mit den spitzen Nadeln fahren wir uns oft gar unsanft in die Hände. Aber ist der Vorhang zu Stande, so werfen wir die Nadeln weg, die neue Zeit wird uns anders beschäftigen. Noch sind uns alle Wege zum Ziele mit schwarzem Trauerflor behangen. So viele junge Herzen, die sich entschlossen haben, auf ihr ganzes Leben den Belohnungen der Machthaber zu entsagen, wandeln diese Thränenstraße. Ueberall müssen sie sich an spitzen Dornen blutig ritzen. Kaum aus den Kreisen des häuslichen Lebens herausgetreten, mit kindlicher Hoffnung aus Liebe und Treue erwartend, werden sie schon von den rohen Schergen der Gewalt ergriffen. Ihre Hoffnung wird Mißtrauen, und dies bis zum Haß gesteigert. Wenn in die Köpfe der Deutschen während der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts. (2013-07-01T14:33:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Zeilenumbrüche innerhalb eines Absatzes werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Anmerkungen und Erläuterungen der Herausgeber der Gutzkow-Edition sind im XML mit <ref target="[Ziel]">...</ref> wiedergegeben. [Ziel] benennt die HTM-Datei und den Abschnitt der jeweiligen Erläuterung auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.
  • Druckfehler und andere Fehler der Vorlage wurden in der Transkription behoben. Zu den hierbei vorgenommenen Textänderungen und zu problematischen Textstellen siehe Abschnitt 2.1.1: Textänderungen auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/337
Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/337>, abgerufen am 24.11.2024.