Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenigsten erkannt wird. Vom Lächerlichen zum Erhabenen gibt es bekanntlich nur einen Schritt, wer bemerkt diesen einfachen Sprung? Falstaff wird von seinen Gesellen wirklich für tapfer gehalten. Die vermeinten Herren der Freisinnigkeit sind bei uns in dieser Weise oft die Unterthänigsten. Sachsen steckt voll solcher Leute, die in jedem ernsten Triumvirate nur den Lepidus abgeben müßten, die aber als Erzketzer im deutschen Reiche verschrieen sind. Sie schießen Jahr aus Jahr ein die giftigsten Pfeile in die Weite, noch kann ich mich aber keines entsinnen, den sie getödtet hätten. Sie könnten aber Satyren auf die Religion des sechsten Welttheils schreiben, sie würden noch immer als Heroen der Freiheit gelten.

Man kommt aber so am besten durch die Welt. Also, wohlan, du alte Stimmgabel, du hast mit den beiden Klammern deiner Fangarme schon so manches hoch schlagende Herz in den Kammerton zu stimmen gewußt, leg' einen guten Ton für mich ein, ich will fromm und geduldig werden, wie ein Lamm, und reden, als redete ich nicht. Verschaff' mir mit deiner silbernen und darum immer noch Goldes werthen Stimme irgend einen Lehrstuhl, etwa der politischen Natürlichkeiten, dem ich in frommer Ergebenheit Ehre machen werde. Echt biblisch will ich lehren, daß es natürlich

Wenigsten erkannt wird. Vom Lächerlichen zum Erhabenen gibt es bekanntlich nur einen Schritt, wer bemerkt diesen einfachen Sprung? Falstaff wird von seinen Gesellen wirklich für tapfer gehalten. Die vermeinten Herren der Freisinnigkeit sind bei uns in dieser Weise oft die Unterthänigsten. Sachsen steckt voll solcher Leute, die in jedem ernsten Triumvirate nur den Lepidus abgeben müßten, die aber als Erzketzer im deutschen Reiche verschrieen sind. Sie schießen Jahr aus Jahr ein die giftigsten Pfeile in die Weite, noch kann ich mich aber keines entsinnen, den sie getödtet hätten. Sie könnten aber Satyren auf die Religion des sechsten Welttheils schreiben, sie würden noch immer als Heroen der Freiheit gelten.

Man kommt aber so am besten durch die Welt. Also, wohlan, du alte Stimmgabel, du hast mit den beiden Klammern deiner Fangarme schon so manches hoch schlagende Herz in den Kammerton zu stimmen gewußt, leg’ einen guten Ton für mich ein, ich will fromm und geduldig werden, wie ein Lamm, und reden, als redete ich nicht. Verschaff’ mir mit deiner silbernen und darum immer noch Goldes werthen Stimme irgend einen Lehrstuhl, etwa der politischen Natürlichkeiten, dem ich in frommer Ergebenheit Ehre machen werde. Echt biblisch will ich lehren, daß es natürlich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0055" n="42"/>
Wenigsten erkannt wird. <ref xml:id="TEXTVomLaecherlichenzumErhabenen" target="BrN3E.htm#ERLVomLaecherlichenzumErhabenen">Vom Lächerlichen zum Erhabenen</ref> gibt es bekanntlich nur einen Schritt, wer bemerkt diesen einfachen Sprung? <ref xml:id="TEXTFalstaff" target="BrN3E.htm#ERLFalstaff">Falstaff</ref> wird von seinen Gesellen wirklich für tapfer gehalten. Die vermeinten Herren der Freisinnigkeit sind bei uns in dieser Weise oft die Unterthänigsten. Sachsen steckt voll solcher Leute, die in jedem ernsten Triumvirate nur den <ref xml:id="TEXTLepidus" target="BrN3E.htm#ERLLepidus">Lepidus</ref> abgeben müßten, die aber als Erzketzer im deutschen Reiche verschrieen sind. Sie schießen Jahr aus Jahr ein die giftigsten Pfeile in die Weite, noch kann ich mich aber keines entsinnen, den sie getödtet hätten. Sie könnten aber Satyren auf die Religion des sechsten Welttheils schreiben, sie würden noch immer als Heroen der Freiheit gelten.</p>
        <p>Man kommt aber so am besten durch die Welt. Also, wohlan, du alte Stimmgabel, du hast mit den beiden Klammern deiner Fangarme schon so manches hoch schlagende Herz in den Kammerton zu stimmen gewußt, leg&#x2019; einen guten Ton für mich ein, ich will fromm und geduldig werden, wie ein Lamm, und reden, als redete ich nicht. Verschaff&#x2019; mir mit deiner silbernen und darum immer noch Goldes werthen Stimme irgend einen Lehrstuhl, etwa der politischen Natürlichkeiten, dem ich in frommer Ergebenheit Ehre machen werde. Echt biblisch will ich lehren, daß es natürlich
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0055] Wenigsten erkannt wird. Vom Lächerlichen zum Erhabenen gibt es bekanntlich nur einen Schritt, wer bemerkt diesen einfachen Sprung? Falstaff wird von seinen Gesellen wirklich für tapfer gehalten. Die vermeinten Herren der Freisinnigkeit sind bei uns in dieser Weise oft die Unterthänigsten. Sachsen steckt voll solcher Leute, die in jedem ernsten Triumvirate nur den Lepidus abgeben müßten, die aber als Erzketzer im deutschen Reiche verschrieen sind. Sie schießen Jahr aus Jahr ein die giftigsten Pfeile in die Weite, noch kann ich mich aber keines entsinnen, den sie getödtet hätten. Sie könnten aber Satyren auf die Religion des sechsten Welttheils schreiben, sie würden noch immer als Heroen der Freiheit gelten. Man kommt aber so am besten durch die Welt. Also, wohlan, du alte Stimmgabel, du hast mit den beiden Klammern deiner Fangarme schon so manches hoch schlagende Herz in den Kammerton zu stimmen gewußt, leg’ einen guten Ton für mich ein, ich will fromm und geduldig werden, wie ein Lamm, und reden, als redete ich nicht. Verschaff’ mir mit deiner silbernen und darum immer noch Goldes werthen Stimme irgend einen Lehrstuhl, etwa der politischen Natürlichkeiten, dem ich in frommer Ergebenheit Ehre machen werde. Echt biblisch will ich lehren, daß es natürlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts. (2013-07-01T14:33:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Zeilenumbrüche innerhalb eines Absatzes werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Anmerkungen und Erläuterungen der Herausgeber der Gutzkow-Edition sind im XML mit <ref target="[Ziel]">...</ref> wiedergegeben. [Ziel] benennt die HTM-Datei und den Abschnitt der jeweiligen Erläuterung auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.
  • Druckfehler und andere Fehler der Vorlage wurden in der Transkription behoben. Zu den hierbei vorgenommenen Textänderungen und zu problematischen Textstellen siehe Abschnitt 2.1.1: Textänderungen auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/55
Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/55>, abgerufen am 21.11.2024.