[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.Aber es war mir nur um einige Seitenblicke auf die Rationalisten zu thun, die dem Manne es heut noch nicht vergeben können, daß er im neunten Jahrhunderte lebte, und ihm über den Stuhl Petri weder Luther noch sonst etwas ging. Mit dem inzwischen angekommenen Eilwagen fuhr ich gen Fuld, schnitt dem Könige in Baiern ein Duodezstück von seinem Lande ab, weshalb mir auch die Frankfurter weder den Eingang in ihr Gebiet noch in ihre Stadt--warum sie nur Beides so sondern!--schlechthin verweigerten. Noch vor Fuld zog der Morgen den Schleier der Nacht von einer Gestalt, die mir gegenüber saß. Aus einem dunkelgrauen, verschossenen Mantel flogen blitzende Pfeile. Die Augen, die sie entsandten, lagen tief wie grauer Nebel in den Thälern zwischen den Stirn-, Nasen- und Wangenknochengebirgen. Du weißt, ich liebe die Todtenköpfe. Die schwarzbeschlagene Capelle mit dem Altar, Crucifix und versilberten Schädel führ' ich noch immer bei mir. Wenn ich den küsse, so denk ich immer an Dich. Solltest Du denn schon todt sein? Welche Frage! wie könnt' ich dies sonst an Dich schreiben! Die Reden jenes Unheimlichen waren entsetzlich. Seine Lippen schienen aufzuthauen, und doch war es kaltes, furchtbares Eis, das an ihnen hing. Aber es war mir nur um einige Seitenblicke auf die Rationalisten zu thun, die dem Manne es heut noch nicht vergeben können, daß er im neunten Jahrhunderte lebte, und ihm über den Stuhl Petri weder Luther noch sonst etwas ging. Mit dem inzwischen angekommenen Eilwagen fuhr ich gen Fuld, schnitt dem Könige in Baiern ein Duodezstück von seinem Lande ab, weshalb mir auch die Frankfurter weder den Eingang in ihr Gebiet noch in ihre Stadt—warum sie nur Beides so sondern!—schlechthin verweigerten. Noch vor Fuld zog der Morgen den Schleier der Nacht von einer Gestalt, die mir gegenüber saß. Aus einem dunkelgrauen, verschossenen Mantel flogen blitzende Pfeile. Die Augen, die sie entsandten, lagen tief wie grauer Nebel in den Thälern zwischen den Stirn-, Nasen- und Wangenknochengebirgen. Du weißt, ich liebe die Todtenköpfe. Die schwarzbeschlagene Capelle mit dem Altar, Crucifix und versilberten Schädel führ’ ich noch immer bei mir. Wenn ich den küsse, so denk ich immer an Dich. Solltest Du denn schon todt sein? Welche Frage! wie könnt’ ich dies sonst an Dich schreiben! Die Reden jenes Unheimlichen waren entsetzlich. Seine Lippen schienen aufzuthauen, und doch war es kaltes, furchtbares Eis, das an ihnen hing. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0081" n="68"/> Aber es war mir nur um einige Seitenblicke auf die Rationalisten zu thun, die dem Manne es heut noch nicht vergeben können, daß er im neunten Jahrhunderte lebte, und ihm über den Stuhl Petri weder Luther noch sonst etwas ging.</p> <p>Mit dem inzwischen angekommenen Eilwagen fuhr ich gen Fuld, schnitt dem Könige in Baiern ein Duodezstück von seinem Lande ab, weshalb mir auch die Frankfurter weder den Eingang in ihr Gebiet noch in ihre Stadt—warum sie nur Beides so sondern!—schlechthin verweigerten.</p> <p>Noch vor Fuld zog der Morgen den Schleier der Nacht von einer Gestalt, die mir gegenüber saß. Aus einem dunkelgrauen, verschossenen Mantel flogen blitzende Pfeile. Die Augen, die sie entsandten, lagen tief wie grauer Nebel in den Thälern zwischen den Stirn-, Nasen- und Wangenknochengebirgen.</p> <p>Du weißt, ich liebe die Todtenköpfe. Die schwarzbeschlagene Capelle mit dem Altar, Crucifix und versilberten Schädel führ’ ich noch immer bei mir. Wenn ich den küsse, so denk ich immer an Dich. Solltest Du denn schon todt sein? Welche Frage! wie könnt’ ich dies sonst an Dich schreiben!</p> <p>Die Reden jenes Unheimlichen waren entsetzlich. Seine Lippen schienen aufzuthauen, und doch war es kaltes, furchtbares Eis, das an ihnen hing. </p> </div> </body> </text> </TEI> [68/0081]
Aber es war mir nur um einige Seitenblicke auf die Rationalisten zu thun, die dem Manne es heut noch nicht vergeben können, daß er im neunten Jahrhunderte lebte, und ihm über den Stuhl Petri weder Luther noch sonst etwas ging.
Mit dem inzwischen angekommenen Eilwagen fuhr ich gen Fuld, schnitt dem Könige in Baiern ein Duodezstück von seinem Lande ab, weshalb mir auch die Frankfurter weder den Eingang in ihr Gebiet noch in ihre Stadt—warum sie nur Beides so sondern!—schlechthin verweigerten.
Noch vor Fuld zog der Morgen den Schleier der Nacht von einer Gestalt, die mir gegenüber saß. Aus einem dunkelgrauen, verschossenen Mantel flogen blitzende Pfeile. Die Augen, die sie entsandten, lagen tief wie grauer Nebel in den Thälern zwischen den Stirn-, Nasen- und Wangenknochengebirgen.
Du weißt, ich liebe die Todtenköpfe. Die schwarzbeschlagene Capelle mit dem Altar, Crucifix und versilberten Schädel führ’ ich noch immer bei mir. Wenn ich den küsse, so denk ich immer an Dich. Solltest Du denn schon todt sein? Welche Frage! wie könnt’ ich dies sonst an Dich schreiben!
Die Reden jenes Unheimlichen waren entsetzlich. Seine Lippen schienen aufzuthauen, und doch war es kaltes, furchtbares Eis, das an ihnen hing.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts.
(2013-07-01T14:33:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-07-01T14:33:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |