[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.daß ich die Bivouakgemeinschaft, die Euch so brüderlich zu vereinen scheint, durch vorwitzige Bemerkungen über Eure etwaige Classification stören werde. Solche kurzsichtige Ansichten der Geschichte überlassen wir denen, welche die historischen Personen so gern zu Vehikeln ihres leeren Raisonnements machen. Beklagen würd' ich Euch also müssen, wenn Ihr etwa in der Absicht auf die Höhe dieses Standpunktes gestiegen seid, um in diesen wilden Natur- und Geschichtsschauern aus meinem Munde Declamationen und großartige Parallelen zu vernehmen. Hannibal, Cäsar und Napoleon sind für mich jetzt nicht mehr, als was mir ein Jeder von ihnen zu seiner Zeit gewesen wäre. Ich bewundere oder tadle gern in den Thaten historischer Helden auch zugleich die Reihe der durch sie veranlaßten Folgen, nie aber sollen wir von diesen letzteren aus, jene zu messen suchen. Es gibt nun einmal in der Geschichte außer der göttlichen keine andere Gerechtigkeit; politische ohnehin nicht, die poetische steckt nur in der Einbildungskraft schwacher Gemüther. Nichts thörichter, als den zweiten Band der Weltgeschichte wie einen Roman mit Augen zu lesen, die sich schon nicht enthalten können, nach dem sechsten zu schielen. Was in Beziehung auf Kommendes Vorurtheil ist, davon ist die extreme Umkehr eine gleichsam retro- daß ich die Bivouakgemeinschaft, die Euch so brüderlich zu vereinen scheint, durch vorwitzige Bemerkungen über Eure etwaige Classification stören werde. Solche kurzsichtige Ansichten der Geschichte überlassen wir denen, welche die historischen Personen so gern zu Vehikeln ihres leeren Raisonnements machen. Beklagen würd’ ich Euch also müssen, wenn Ihr etwa in der Absicht auf die Höhe dieses Standpunktes gestiegen seid, um in diesen wilden Natur- und Geschichtsschauern aus meinem Munde Declamationen und großartige Parallelen zu vernehmen. Hannibal, Cäsar und Napoleon sind für mich jetzt nicht mehr, als was mir ein Jeder von ihnen zu seiner Zeit gewesen wäre. Ich bewundere oder tadle gern in den Thaten historischer Helden auch zugleich die Reihe der durch sie veranlaßten Folgen, nie aber sollen wir von diesen letzteren aus, jene zu messen suchen. Es gibt nun einmal in der Geschichte außer der göttlichen keine andere Gerechtigkeit; politische ohnehin nicht, die poetische steckt nur in der Einbildungskraft schwacher Gemüther. Nichts thörichter, als den zweiten Band der Weltgeschichte wie einen Roman mit Augen zu lesen, die sich schon nicht enthalten können, nach dem sechsten zu schielen. Was in Beziehung auf Kommendes Vorurtheil ist, davon ist die extreme Umkehr eine gleichsam retro- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0094" n="81"/> daß ich die Bivouakgemeinschaft, die Euch so brüderlich zu vereinen scheint, durch vorwitzige Bemerkungen über Eure etwaige Classification stören werde. Solche kurzsichtige Ansichten der Geschichte überlassen wir denen, welche die historischen Personen so gern zu Vehikeln ihres leeren Raisonnements machen. Beklagen würd’ ich Euch also müssen, wenn Ihr etwa in der Absicht auf die Höhe dieses Standpunktes gestiegen seid, um in diesen wilden Natur- und Geschichtsschauern aus meinem Munde Declamationen und großartige Parallelen zu vernehmen. Hannibal, Cäsar und Napoleon sind für mich jetzt nicht mehr, als was mir ein Jeder von ihnen zu seiner Zeit gewesen wäre. Ich bewundere oder tadle gern in den Thaten historischer Helden auch zugleich die Reihe der durch sie veranlaßten Folgen, nie aber sollen wir von diesen letzteren aus, jene zu messen suchen. Es gibt nun einmal in der Geschichte außer der göttlichen keine andere Gerechtigkeit; politische ohnehin nicht, die poetische steckt nur in der Einbildungskraft schwacher Gemüther. Nichts thörichter, als den zweiten Band der Weltgeschichte wie einen Roman mit Augen zu lesen, die sich schon nicht enthalten können, nach dem sechsten zu schielen. Was in Beziehung auf Kommendes Vorurtheil ist, davon ist die extreme Umkehr eine gleichsam retro- </p> </div> </body> </text> </TEI> [81/0094]
daß ich die Bivouakgemeinschaft, die Euch so brüderlich zu vereinen scheint, durch vorwitzige Bemerkungen über Eure etwaige Classification stören werde. Solche kurzsichtige Ansichten der Geschichte überlassen wir denen, welche die historischen Personen so gern zu Vehikeln ihres leeren Raisonnements machen. Beklagen würd’ ich Euch also müssen, wenn Ihr etwa in der Absicht auf die Höhe dieses Standpunktes gestiegen seid, um in diesen wilden Natur- und Geschichtsschauern aus meinem Munde Declamationen und großartige Parallelen zu vernehmen. Hannibal, Cäsar und Napoleon sind für mich jetzt nicht mehr, als was mir ein Jeder von ihnen zu seiner Zeit gewesen wäre. Ich bewundere oder tadle gern in den Thaten historischer Helden auch zugleich die Reihe der durch sie veranlaßten Folgen, nie aber sollen wir von diesen letzteren aus, jene zu messen suchen. Es gibt nun einmal in der Geschichte außer der göttlichen keine andere Gerechtigkeit; politische ohnehin nicht, die poetische steckt nur in der Einbildungskraft schwacher Gemüther. Nichts thörichter, als den zweiten Band der Weltgeschichte wie einen Roman mit Augen zu lesen, die sich schon nicht enthalten können, nach dem sechsten zu schielen. Was in Beziehung auf Kommendes Vorurtheil ist, davon ist die extreme Umkehr eine gleichsam retro-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts.
(2013-07-01T14:33:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-07-01T14:33:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |