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Proben neuer Dramen. II: Patkul. Politisches Trauerspiel in 5 Aufzügen von Karl Gutzkow. In: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, I. Semester, S. 97-106.

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ein geborener Liefländer, der von seinem Vater den alten Haß gegen das
schwedische Regiment, das sein Vaterland bedrückt, geerbt hat. Das
durch vielfache Bedrückung aufgeregte schwedische Volk sendet ihn als
Fürsprecher nach Stockholm. Aber dort wird er als Verräther be-
handelt und zum Tode verurtheilt. Ein Zufall öffnet ihm das Gefängniß,
er entflieht und tritt endlich in sächsische Kriegsdienste. Friedrich August
der churfürstliche König von Sachsen-Polen ist von Karl XII. hart
bedrängt. Patkul commandirt die russischen Hülfstruppen. Aber die
siegreichen Schweden sind schon vor Leipzig und bedrohen Dresden mit
der Brandfackel. Der leichtsinnige, obschon gutmüthige Churfürst sucht sich
in Zerstreuungen zu betäuben. Seine Mutter, die alte würdige Anna
Sophie zerfließt in Thränen. -- Um ihr Gesellschaft zu leisten, werden
die beiden jungen Mädchen von der Oberhofmeisterin abgerufen. --

Zweite Scene.


Zimmer im russischen Botschaftshotel in Dresden.
Petrow, Muraview, Glinka mit noch vier Offizieren vom russischen Generalstab treten rasch ein. Iwan. Später Patkul und Julius v. Einsiedel.
Petrow. Ganz Dresden ist in Aufruhr.
Muraview. Sie wollen wissen, wie es mit Sachsen steht.
Glinka. Der ganze Markt wogt von der Menschenmenge. (Treten alle ans
Fenster).
Petrow. Sie halten den General an.
Muraview. Er soll ihnen Nachricht geben. Der König ist nach Pillnitz.
Die Minister bleiben verborgen. Dresden kann in vierundzwanzig Stunden in den
Händen der Schweden seyn.
Petrow. Sehen Sie da! -- Der General spricht zu der Menge.
Muraview. (horchend). Von seinem Haß gegen Schweden -- von Schweden
und Frankreich, die sich in Europa theilen wollen -- vom Krieg -- von der pol-
nischen Krone -- Churhut retten -- Deutschland retten -- Schweden im Land --
Jammer des dreißigjährigen Krieges -- Sachsen ein Juwel -- Friedrich August
ein Vater seines Volles -- Frieden schließen -- mit Karl -- um Sachsen zu retten,
Frieden schließen -- wie sie seinem begeisterten Worte lauschen!
Glinka. Sie kennen die Gefahr nicht in ihrer ganzen Größe.
Petrow. Sie begleiten den General hierher. Sie rufen -- (Man hört hinter
der Scene lautes Rufen, das sich immer mehr nähert: Hoch, General Patkul!)
Glinka. Kaum lassen sie ihn durch --
Petrow. Kommen Sie; der General!
Patkul (sehr aufgeregt). Das ist ein heißer Tag! Die armen Menschen dauern
mich. Sie suchen in der Irre und finden keinen Hirten! Wie stark ist noch unser
Corps?

ein geborener Liefländer, der von seinem Vater den alten Haß gegen das
schwedische Regiment, das sein Vaterland bedrückt, geerbt hat. Das
durch vielfache Bedrückung aufgeregte schwedische Volk sendet ihn als
Fürsprecher nach Stockholm. Aber dort wird er als Verräther be-
handelt und zum Tode verurtheilt. Ein Zufall öffnet ihm das Gefängniß,
er entflieht und tritt endlich in sächsische Kriegsdienste. Friedrich August
der churfürstliche König von Sachsen-Polen ist von Karl XII. hart
bedrängt. Patkul commandirt die russischen Hülfstruppen. Aber die
siegreichen Schweden sind schon vor Leipzig und bedrohen Dresden mit
der Brandfackel. Der leichtsinnige, obschon gutmüthige Churfürst sucht sich
in Zerstreuungen zu betäuben. Seine Mutter, die alte würdige Anna
Sophie zerfließt in Thränen. — Um ihr Gesellschaft zu leisten, werden
die beiden jungen Mädchen von der Oberhofmeisterin abgerufen. —

Zweite Scene.


Zimmer im russischen Botschaftshotel in Dresden.
Petrow, Muraview, Glinka mit noch vier Offizieren vom russischen Generalstab treten rasch ein. Iwan. Später Patkul und Julius v. Einsiedel.
Petrow. Ganz Dresden ist in Aufruhr.
Muraview. Sie wollen wissen, wie es mit Sachsen steht.
Glinka. Der ganze Markt wogt von der Menschenmenge. (Treten alle ans
Fenster).
Petrow. Sie halten den General an.
Muraview. Er soll ihnen Nachricht geben. Der König ist nach Pillnitz.
Die Minister bleiben verborgen. Dresden kann in vierundzwanzig Stunden in den
Händen der Schweden seyn.
Petrow. Sehen Sie da! — Der General spricht zu der Menge.
Muraview. (horchend). Von seinem Haß gegen Schweden — von Schweden
und Frankreich, die sich in Europa theilen wollen — vom Krieg — von der pol-
nischen Krone — Churhut retten — Deutschland retten — Schweden im Land —
Jammer des dreißigjährigen Krieges — Sachsen ein Juwel — Friedrich August
ein Vater seines Volles — Frieden schließen — mit Karl — um Sachsen zu retten,
Frieden schließen — wie sie seinem begeisterten Worte lauschen!
Glinka. Sie kennen die Gefahr nicht in ihrer ganzen Größe.
Petrow. Sie begleiten den General hierher. Sie rufen — (Man hört hinter
der Scene lautes Rufen, das sich immer mehr nähert: Hoch, General Patkul!)
Glinka. Kaum lassen sie ihn durch —
Petrow. Kommen Sie; der General!
Patkul (sehr aufgeregt). Das ist ein heißer Tag! Die armen Menschen dauern
mich. Sie suchen in der Irre und finden keinen Hirten! Wie stark ist noch unser
Corps?
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[98/0002] ein geborener Liefländer, der von seinem Vater den alten Haß gegen das schwedische Regiment, das sein Vaterland bedrückt, geerbt hat. Das durch vielfache Bedrückung aufgeregte schwedische Volk sendet ihn als Fürsprecher nach Stockholm. Aber dort wird er als Verräther be- handelt und zum Tode verurtheilt. Ein Zufall öffnet ihm das Gefängniß, er entflieht und tritt endlich in sächsische Kriegsdienste. Friedrich August der churfürstliche König von Sachsen-Polen ist von Karl XII. hart bedrängt. Patkul commandirt die russischen Hülfstruppen. Aber die siegreichen Schweden sind schon vor Leipzig und bedrohen Dresden mit der Brandfackel. Der leichtsinnige, obschon gutmüthige Churfürst sucht sich in Zerstreuungen zu betäuben. Seine Mutter, die alte würdige Anna Sophie zerfließt in Thränen. — Um ihr Gesellschaft zu leisten, werden die beiden jungen Mädchen von der Oberhofmeisterin abgerufen. — Zweite Scene. Zimmer im russischen Botschaftshotel in Dresden. Petrow, Muraview, Glinka mit noch vier Offizieren vom russischen Generalstab treten rasch ein. Iwan. Später Patkul und Julius v. Einsiedel. Petrow. Ganz Dresden ist in Aufruhr. Muraview. Sie wollen wissen, wie es mit Sachsen steht. Glinka. Der ganze Markt wogt von der Menschenmenge. (Treten alle ans Fenster). Petrow. Sie halten den General an. Muraview. Er soll ihnen Nachricht geben. Der König ist nach Pillnitz. Die Minister bleiben verborgen. Dresden kann in vierundzwanzig Stunden in den Händen der Schweden seyn. Petrow. Sehen Sie da! — Der General spricht zu der Menge. Muraview. (horchend). Von seinem Haß gegen Schweden — von Schweden und Frankreich, die sich in Europa theilen wollen — vom Krieg — von der pol- nischen Krone — Churhut retten — Deutschland retten — Schweden im Land — Jammer des dreißigjährigen Krieges — Sachsen ein Juwel — Friedrich August ein Vater seines Volles — Frieden schließen — mit Karl — um Sachsen zu retten, Frieden schließen — wie sie seinem begeisterten Worte lauschen! Glinka. Sie kennen die Gefahr nicht in ihrer ganzen Größe. Petrow. Sie begleiten den General hierher. Sie rufen — (Man hört hinter der Scene lautes Rufen, das sich immer mehr nähert: Hoch, General Patkul!) Glinka. Kaum lassen sie ihn durch — Petrow. Kommen Sie; der General! Patkul (sehr aufgeregt). Das ist ein heißer Tag! Die armen Menschen dauern mich. Sie suchen in der Irre und finden keinen Hirten! Wie stark ist noch unser Corps?

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Zitationshilfe: Proben neuer Dramen. II: Patkul. Politisches Trauerspiel in 5 Aufzügen von Karl Gutzkow. In: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, I. Semester, S. 97-106, hier S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_patkul_1842/2>, abgerufen am 23.11.2024.