Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.Ich bin nicht tugendhaft! sagte der Graf nach einer Weile, als er ruhiger geworden. Aber in Südamerika hörte ich eine Jesuitenpredigt, deren Thema lautete: Vermeidet die Gelegenheit zur Sünde! Die Tugend sei eine wohlberechnete Klugheit! Auch in Portugal habe ich diese Lehre besser von der Kanzel vortragen hören, als dergleichen von irgend einer evangelischen Kanzel gehört werden kann! Jetzt freilich - er drückte dabei seltsam Ottomars Hand - würde ich, und wenn die Frau noch so schön und verführerisch wäre, sie verlassen, wie ich gekommen. Ottomar dachte an seine Verlobung, an die Heirath, die unmittelbar bevorstand - Gefeit durch ein Wesen, das man liebt! fuhr der Graf mit Ekstase fort. Durch einen Engel, der in jeder Gefahr uns zur Seite steht! Ein weibliches Wesen, das den Himmel auf Erden in sich trägt! O, fuhr er fort, warum verleugnen wir doch die Natur! Warum folgen wir nicht dem Triebe, der uns sagt: Der Schöpfer wollte es so! Wer wagt es denn, Dich zu hindern, daß Du Dein Glück nimmst, wo Du es findest! Ottomar, der des Freundes Gedankenreihen nicht begriff, sagte lächelnd: Nach dieser Theorie hat Dich die Marloff mit einem einzigen verführerischen Blicke weg! Sie soll wirklich sehr schön sein. Ich bin nicht tugendhaft! sagte der Graf nach einer Weile, als er ruhiger geworden. Aber in Südamerika hörte ich eine Jesuitenpredigt, deren Thema lautete: Vermeidet die Gelegenheit zur Sünde! Die Tugend sei eine wohlberechnete Klugheit! Auch in Portugal habe ich diese Lehre besser von der Kanzel vortragen hören, als dergleichen von irgend einer evangelischen Kanzel gehört werden kann! Jetzt freilich – er drückte dabei seltsam Ottomars Hand – würde ich, und wenn die Frau noch so schön und verführerisch wäre, sie verlassen, wie ich gekommen. Ottomar dachte an seine Verlobung, an die Heirath, die unmittelbar bevorstand – Gefeit durch ein Wesen, das man liebt! fuhr der Graf mit Ekstase fort. Durch einen Engel, der in jeder Gefahr uns zur Seite steht! Ein weibliches Wesen, das den Himmel auf Erden in sich trägt! O, fuhr er fort, warum verleugnen wir doch die Natur! Warum folgen wir nicht dem Triebe, der uns sagt: Der Schöpfer wollte es so! Wer wagt es denn, Dich zu hindern, daß Du Dein Glück nimmst, wo Du es findest! Ottomar, der des Freundes Gedankenreihen nicht begriff, sagte lächelnd: Nach dieser Theorie hat Dich die Marloff mit einem einzigen verführerischen Blicke weg! Sie soll wirklich sehr schön sein. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0104" n="98"/> Ich bin nicht tugendhaft! sagte der Graf nach einer Weile, als er ruhiger geworden. Aber in Südamerika hörte ich eine Jesuitenpredigt, deren Thema lautete: Vermeidet die Gelegenheit zur Sünde! Die Tugend sei eine wohlberechnete Klugheit! Auch in Portugal habe ich diese Lehre besser von der Kanzel vortragen hören, als dergleichen von irgend einer evangelischen Kanzel gehört werden kann! Jetzt freilich – er drückte dabei seltsam Ottomars Hand – würde ich, und wenn die Frau noch so schön und verführerisch wäre, sie verlassen, wie ich gekommen. </p> <p>Ottomar dachte an seine Verlobung, an die Heirath, die unmittelbar bevorstand –</p> <p>Gefeit durch ein Wesen, das man liebt! fuhr der Graf mit Ekstase fort. Durch einen Engel, der in jeder Gefahr uns zur Seite steht! Ein weibliches Wesen, das den Himmel auf Erden in sich trägt! O, fuhr er fort, warum verleugnen wir doch die Natur! Warum folgen wir nicht dem Triebe, der uns sagt: Der Schöpfer wollte es so! Wer wagt es denn, Dich zu hindern, daß Du Dein Glück nimmst, wo Du es findest! </p> <p>Ottomar, der des Freundes Gedankenreihen nicht begriff, sagte lächelnd: Nach dieser Theorie hat Dich die Marloff mit einem einzigen verführerischen Blicke weg! Sie soll wirklich sehr schön sein. </p> <p> </p> </div> </body> </text> </TEI> [98/0104]
Ich bin nicht tugendhaft! sagte der Graf nach einer Weile, als er ruhiger geworden. Aber in Südamerika hörte ich eine Jesuitenpredigt, deren Thema lautete: Vermeidet die Gelegenheit zur Sünde! Die Tugend sei eine wohlberechnete Klugheit! Auch in Portugal habe ich diese Lehre besser von der Kanzel vortragen hören, als dergleichen von irgend einer evangelischen Kanzel gehört werden kann! Jetzt freilich – er drückte dabei seltsam Ottomars Hand – würde ich, und wenn die Frau noch so schön und verführerisch wäre, sie verlassen, wie ich gekommen.
Ottomar dachte an seine Verlobung, an die Heirath, die unmittelbar bevorstand –
Gefeit durch ein Wesen, das man liebt! fuhr der Graf mit Ekstase fort. Durch einen Engel, der in jeder Gefahr uns zur Seite steht! Ein weibliches Wesen, das den Himmel auf Erden in sich trägt! O, fuhr er fort, warum verleugnen wir doch die Natur! Warum folgen wir nicht dem Triebe, der uns sagt: Der Schöpfer wollte es so! Wer wagt es denn, Dich zu hindern, daß Du Dein Glück nimmst, wo Du es findest!
Ottomar, der des Freundes Gedankenreihen nicht begriff, sagte lächelnd: Nach dieser Theorie hat Dich die Marloff mit einem einzigen verführerischen Blicke weg! Sie soll wirklich sehr schön sein.
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