Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.nicht schreiben, sondern schickte mich, damit Ihr Herr Bruder sieht, daß es sich um eine ernste und nachdrückliche Ablehnung handelt. Ja, ja, ja! sagte Martha athemlos. Ihr schwindelten die Sinne. Denn wie im Geiste, so in persönlichen Beziehungen hatte sie sich längst von ihrem Bruder getrennt. Sie hatte an sich keinen Muth, mit dem Verwilderten anzubinden. Aber sie wollte das doch nicht dem verehrten Besuche eingestehen. Das eben machte sie halb ohnmächtig. Ich verlasse mich fest, Fräulein Martha! war vielleicht grausam betont, wenn man voraussetzen konnte, daß Ottomar Alles kannte, was in der Brust des gebeugten Mädchens vor sich ging. Die Arme, die ihm so zu sagen noch würdevoll das Geleite gab, während ihre Nerven schon durch die ungeduldig klingelnde Commerzienräthin in Erregung waren! Denn diese schenkte ihr wohl, wenn sie in elegische, bereuende, vom Leben Abschied nehmende Stimmungen kam, kostbare Kleider und Schmuck, war aber rücksichtslos, wenn das kleinste Bedürfniß nicht nach ihrem Willen befriedigt wurde. Ottomar fand Wolny nicht mehr in seinem Zimmer, hatte auch nicht die mindeste Lust, der Commerzienräthin, die ihn so übersehen, aufzuwarten, sondern schlich sich auf den Zehen durch den von Kohlenabfällen geschwärzten nicht schreiben, sondern schickte mich, damit Ihr Herr Bruder sieht, daß es sich um eine ernste und nachdrückliche Ablehnung handelt. Ja, ja, ja! sagte Martha athemlos. Ihr schwindelten die Sinne. Denn wie im Geiste, so in persönlichen Beziehungen hatte sie sich längst von ihrem Bruder getrennt. Sie hatte an sich keinen Muth, mit dem Verwilderten anzubinden. Aber sie wollte das doch nicht dem verehrten Besuche eingestehen. Das eben machte sie halb ohnmächtig. Ich verlasse mich fest, Fräulein Martha! war vielleicht grausam betont, wenn man voraussetzen konnte, daß Ottomar Alles kannte, was in der Brust des gebeugten Mädchens vor sich ging. Die Arme, die ihm so zu sagen noch würdevoll das Geleite gab, während ihre Nerven schon durch die ungeduldig klingelnde Commerzienräthin in Erregung waren! Denn diese schenkte ihr wohl, wenn sie in elegische, bereuende, vom Leben Abschied nehmende Stimmungen kam, kostbare Kleider und Schmuck, war aber rücksichtslos, wenn das kleinste Bedürfniß nicht nach ihrem Willen befriedigt wurde. Ottomar fand Wolny nicht mehr in seinem Zimmer, hatte auch nicht die mindeste Lust, der Commerzienräthin, die ihn so übersehen, aufzuwarten, sondern schlich sich auf den Zehen durch den von Kohlenabfällen geschwärzten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0148" n="142"/> nicht schreiben, sondern schickte mich, damit Ihr Herr Bruder sieht, daß es sich um eine ernste und nachdrückliche Ablehnung handelt. </p> <p>Ja, ja, ja! sagte Martha athemlos. Ihr schwindelten die Sinne. Denn wie im Geiste, so in persönlichen Beziehungen hatte sie sich längst von ihrem Bruder getrennt. Sie hatte an sich keinen Muth, mit dem Verwilderten anzubinden. Aber sie wollte das doch nicht dem verehrten Besuche eingestehen. Das eben machte sie halb ohnmächtig. </p> <p>Ich verlasse mich fest, Fräulein Martha! war vielleicht grausam betont, wenn man voraussetzen konnte, daß Ottomar Alles kannte, was in der Brust des gebeugten Mädchens vor sich ging. Die Arme, die ihm so zu sagen noch würdevoll das Geleite gab, während ihre Nerven schon durch die ungeduldig klingelnde Commerzienräthin in Erregung waren! Denn diese schenkte ihr wohl, wenn sie in elegische, bereuende, vom Leben Abschied nehmende Stimmungen kam, kostbare Kleider und Schmuck, war aber rücksichtslos, wenn das kleinste Bedürfniß nicht nach ihrem Willen befriedigt wurde. </p> <p>Ottomar fand Wolny nicht mehr in seinem Zimmer, hatte auch nicht die mindeste Lust, der Commerzienräthin, die ihn so übersehen, aufzuwarten, sondern schlich sich auf den Zehen durch den von Kohlenabfällen geschwärzten </p> </div> </body> </text> </TEI> [142/0148]
nicht schreiben, sondern schickte mich, damit Ihr Herr Bruder sieht, daß es sich um eine ernste und nachdrückliche Ablehnung handelt.
Ja, ja, ja! sagte Martha athemlos. Ihr schwindelten die Sinne. Denn wie im Geiste, so in persönlichen Beziehungen hatte sie sich längst von ihrem Bruder getrennt. Sie hatte an sich keinen Muth, mit dem Verwilderten anzubinden. Aber sie wollte das doch nicht dem verehrten Besuche eingestehen. Das eben machte sie halb ohnmächtig.
Ich verlasse mich fest, Fräulein Martha! war vielleicht grausam betont, wenn man voraussetzen konnte, daß Ottomar Alles kannte, was in der Brust des gebeugten Mädchens vor sich ging. Die Arme, die ihm so zu sagen noch würdevoll das Geleite gab, während ihre Nerven schon durch die ungeduldig klingelnde Commerzienräthin in Erregung waren! Denn diese schenkte ihr wohl, wenn sie in elegische, bereuende, vom Leben Abschied nehmende Stimmungen kam, kostbare Kleider und Schmuck, war aber rücksichtslos, wenn das kleinste Bedürfniß nicht nach ihrem Willen befriedigt wurde.
Ottomar fand Wolny nicht mehr in seinem Zimmer, hatte auch nicht die mindeste Lust, der Commerzienräthin, die ihn so übersehen, aufzuwarten, sondern schlich sich auf den Zehen durch den von Kohlenabfällen geschwärzten
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/148>, abgerufen am 16.02.2025. |