Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

genannt werden. Sie wohnen im großen Park draußen und laufen täglich eine halbe Meile in die neue Kirche, die Sie mit ihren wunderschönen Basreliefs schmücken helfen! Kein Mensch denkt wahrhaftig an Ihren, wie Sie vielleicht glauben, verkannten Genius, an Ihren durch einen Zeitungsartikel geschmälerten Ruhm, aber Sie bilden sich's ein, weil Ihnen auf dieser Promenade Tausende von Menschen in's Gesicht gaffen müssen und das mit ganzer Schärfe thun. Nun erscheinen Ihnen die unschuldigsten Gesichter Fratzen! Und das Peinlichste ist Ihnen weit eher die gräuliche Gleichgiltigkeit für Ihr Wirken und Schaffen, als die Vorstellung, man wüßte noch etwas von dem witzhaschenden Feuilleton, das vielleicht eine Ihrer Arbeiten schlechten Einfällen opferte!

Der Sanitätsrath empfahl sich immer mitten in seiner Rede. Bald hörte man seinen Wagen abrollen. Die übrigen Genossen der Tischrunde bemühten sich, dem Bildhauer das Schönste über seine Leistungen zu sagen. Aber der Künstler hörte aus Allem nur einen Ton des Mitleids heraus. Wußten doch auch Alle, daß der vortreffliche Meister seine Laufbahn mit einem großen Unglück begonnen hatte. Er hatte eine Gruppe: "Amor und Psyche" zur Ausstellung schicken wollen. Sie war noch im Thon, kaum getrocknet. Die ungeschickten Arbeiter ließen die Masse von dem Brett, auf dem sie

genannt werden. Sie wohnen im großen Park draußen und laufen täglich eine halbe Meile in die neue Kirche, die Sie mit ihren wunderschönen Basreliefs schmücken helfen! Kein Mensch denkt wahrhaftig an Ihren, wie Sie vielleicht glauben, verkannten Genius, an Ihren durch einen Zeitungsartikel geschmälerten Ruhm, aber Sie bilden sich’s ein, weil Ihnen auf dieser Promenade Tausende von Menschen in’s Gesicht gaffen müssen und das mit ganzer Schärfe thun. Nun erscheinen Ihnen die unschuldigsten Gesichter Fratzen! Und das Peinlichste ist Ihnen weit eher die gräuliche Gleichgiltigkeit für Ihr Wirken und Schaffen, als die Vorstellung, man wüßte noch etwas von dem witzhaschenden Feuilleton, das vielleicht eine Ihrer Arbeiten schlechten Einfällen opferte!

Der Sanitätsrath empfahl sich immer mitten in seiner Rede. Bald hörte man seinen Wagen abrollen. Die übrigen Genossen der Tischrunde bemühten sich, dem Bildhauer das Schönste über seine Leistungen zu sagen. Aber der Künstler hörte aus Allem nur einen Ton des Mitleids heraus. Wußten doch auch Alle, daß der vortreffliche Meister seine Laufbahn mit einem großen Unglück begonnen hatte. Er hatte eine Gruppe: „Amor und Psyche“ zur Ausstellung schicken wollen. Sie war noch im Thon, kaum getrocknet. Die ungeschickten Arbeiter ließen die Masse von dem Brett, auf dem sie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0018" n="12"/>
genannt werden. Sie wohnen im großen Park draußen und laufen täglich eine halbe Meile in die neue Kirche, die Sie mit ihren wunderschönen Basreliefs schmücken helfen! Kein Mensch denkt wahrhaftig an Ihren, wie Sie vielleicht glauben, verkannten Genius, an Ihren durch einen Zeitungsartikel geschmälerten Ruhm, aber Sie bilden sich&#x2019;s ein, weil Ihnen auf dieser Promenade Tausende von Menschen in&#x2019;s Gesicht gaffen müssen und das mit ganzer Schärfe thun. Nun erscheinen Ihnen die unschuldigsten Gesichter Fratzen! Und das Peinlichste ist Ihnen weit eher die gräuliche Gleichgiltigkeit für Ihr Wirken und Schaffen, als die Vorstellung, man wüßte noch etwas von dem witzhaschenden Feuilleton, das vielleicht eine Ihrer Arbeiten schlechten Einfällen opferte! </p>
        <p>Der Sanitätsrath empfahl sich immer mitten in seiner Rede. Bald hörte man seinen Wagen abrollen. Die übrigen Genossen der Tischrunde bemühten sich, dem Bildhauer das Schönste über seine Leistungen zu sagen. Aber der Künstler hörte aus Allem nur einen Ton des Mitleids heraus. Wußten doch auch Alle, daß der vortreffliche Meister seine Laufbahn mit einem großen Unglück begonnen hatte. Er hatte eine Gruppe: &#x201E;Amor und Psyche&#x201C; zur Ausstellung schicken wollen. Sie war noch im Thon, kaum getrocknet. Die ungeschickten Arbeiter ließen die Masse von dem Brett, auf dem sie
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0018] genannt werden. Sie wohnen im großen Park draußen und laufen täglich eine halbe Meile in die neue Kirche, die Sie mit ihren wunderschönen Basreliefs schmücken helfen! Kein Mensch denkt wahrhaftig an Ihren, wie Sie vielleicht glauben, verkannten Genius, an Ihren durch einen Zeitungsartikel geschmälerten Ruhm, aber Sie bilden sich’s ein, weil Ihnen auf dieser Promenade Tausende von Menschen in’s Gesicht gaffen müssen und das mit ganzer Schärfe thun. Nun erscheinen Ihnen die unschuldigsten Gesichter Fratzen! Und das Peinlichste ist Ihnen weit eher die gräuliche Gleichgiltigkeit für Ihr Wirken und Schaffen, als die Vorstellung, man wüßte noch etwas von dem witzhaschenden Feuilleton, das vielleicht eine Ihrer Arbeiten schlechten Einfällen opferte! Der Sanitätsrath empfahl sich immer mitten in seiner Rede. Bald hörte man seinen Wagen abrollen. Die übrigen Genossen der Tischrunde bemühten sich, dem Bildhauer das Schönste über seine Leistungen zu sagen. Aber der Künstler hörte aus Allem nur einen Ton des Mitleids heraus. Wußten doch auch Alle, daß der vortreffliche Meister seine Laufbahn mit einem großen Unglück begonnen hatte. Er hatte eine Gruppe: „Amor und Psyche“ zur Ausstellung schicken wollen. Sie war noch im Thon, kaum getrocknet. Die ungeschickten Arbeiter ließen die Masse von dem Brett, auf dem sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-02-19T12:27:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-02-19T12:27:44Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-1<a>) (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/18
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/18>, abgerufen am 21.11.2024.