Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.Die junge Welt hat auf Bällen eine Gleichgültigkeit für die alte, die vollkommen den Charakter des Jahrhunderts trägt. Den jungen Männern sieht man eine gewisse Abhängigkeit von der Pflicht an, sich, wenn nicht als Matadore zu zeigen, als kühne Tourenerfinder und sozusagen Grotesktänzer wie Jean Vogler oder als idealistische Pedanten, wie Dieterici, Tänzer, die im Cotillon um "eines Strohhalms Breite" ihre "Ehre" engagirt erklären und den Tanz für eine Aufgabe der höhern Gleichungen halten, doch, sage ich, von der Pflicht, sich ausschließlich den jungen Damen zu widmen. Der Besitzer des Phantasiefracks hatte besonders sein Augenmerk auf den regelrechten Gang des Programms gerichtet. Ja, selbst über die Naturkinder Sascha und Zerline aus der Bäckerstraße Beletage war eine gewisse feierliche Verklärung gekommen, die sie von ihren gewöhnlichen Quälereien der jungen Männer, die nicht von Liebe sprachen, ganz abstehen und den Tanz wie ein orphisches Geheimniß behandeln ließ. Sie wußten, daß graziösere Tänzerinnen da waren, Sylphiden, wahre Libellen, die sich mit Jean Vogler schwenkten, wie wenn sich Schmetterlinge über Rosen jagten. Die Schwester eines "wahrscheinlich nur auf das Souper ungeduldigen" Nichttänzers (so beurtheilten seine Bekannten eine gewisse an Max Forbeck sichtbare Unruhe) Die junge Welt hat auf Bällen eine Gleichgültigkeit für die alte, die vollkommen den Charakter des Jahrhunderts trägt. Den jungen Männern sieht man eine gewisse Abhängigkeit von der Pflicht an, sich, wenn nicht als Matadore zu zeigen, als kühne Tourenerfinder und sozusagen Grotesktänzer wie Jean Vogler oder als idealistische Pedanten, wie Dieterici, Tänzer, die im Cotillon um „eines Strohhalms Breite“ ihre „Ehre“ engagirt erklären und den Tanz für eine Aufgabe der höhern Gleichungen halten, doch, sage ich, von der Pflicht, sich ausschließlich den jungen Damen zu widmen. Der Besitzer des Phantasiefracks hatte besonders sein Augenmerk auf den regelrechten Gang des Programms gerichtet. Ja, selbst über die Naturkinder Sascha und Zerline aus der Bäckerstraße Beletage war eine gewisse feierliche Verklärung gekommen, die sie von ihren gewöhnlichen Quälereien der jungen Männer, die nicht von Liebe sprachen, ganz abstehen und den Tanz wie ein orphisches Geheimniß behandeln ließ. Sie wußten, daß graziösere Tänzerinnen da waren, Sylphiden, wahre Libellen, die sich mit Jean Vogler schwenkten, wie wenn sich Schmetterlinge über Rosen jagten. Die Schwester eines „wahrscheinlich nur auf das Souper ungeduldigen“ Nichttänzers (so beurtheilten seine Bekannten eine gewisse an Max Forbeck sichtbare Unruhe) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0244" n="238"/> Die junge Welt hat auf Bällen eine Gleichgültigkeit für die alte, die vollkommen den Charakter des Jahrhunderts trägt. Den jungen Männern sieht man eine gewisse Abhängigkeit von der Pflicht an, sich, wenn nicht als Matadore zu zeigen, als kühne Tourenerfinder und sozusagen Grotesktänzer wie Jean Vogler oder als idealistische Pedanten, wie Dieterici, Tänzer, die im <ref xml:id="TEXTCotillon" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLCotillon">Cotillon</ref> um „eines Strohhalms Breite“ ihre „Ehre“ engagirt erklären und den Tanz für eine Aufgabe der höhern Gleichungen halten, doch, sage ich, von der Pflicht, sich ausschließlich den jungen Damen zu widmen. Der Besitzer des Phantasiefracks hatte besonders sein Augenmerk auf den regelrechten Gang des Programms gerichtet. Ja, selbst über die Naturkinder Sascha und Zerline aus der Bäckerstraße Beletage war eine gewisse feierliche Verklärung gekommen, die sie von ihren gewöhnlichen Quälereien der jungen Männer, die nicht von Liebe sprachen, ganz abstehen und den Tanz wie ein <ref xml:id="TEXTorphischesGeheimniss" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLorphischesGeheimniss">orphisches Geheimniß</ref> behandeln ließ. Sie wußten, daß graziösere Tänzerinnen da waren, <ref xml:id="TEXTSylphiden" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLSylphiden">Sylphiden</ref>, wahre Libellen, die sich mit Jean Vogler schwenkten, wie wenn sich Schmetterlinge über Rosen jagten. </p> <p>Die Schwester eines „wahrscheinlich nur auf das Souper ungeduldigen“ Nichttänzers (so beurtheilten seine Bekannten eine gewisse an Max Forbeck sichtbare Unruhe) </p> </div> </body> </text> </TEI> [238/0244]
Die junge Welt hat auf Bällen eine Gleichgültigkeit für die alte, die vollkommen den Charakter des Jahrhunderts trägt. Den jungen Männern sieht man eine gewisse Abhängigkeit von der Pflicht an, sich, wenn nicht als Matadore zu zeigen, als kühne Tourenerfinder und sozusagen Grotesktänzer wie Jean Vogler oder als idealistische Pedanten, wie Dieterici, Tänzer, die im Cotillon um „eines Strohhalms Breite“ ihre „Ehre“ engagirt erklären und den Tanz für eine Aufgabe der höhern Gleichungen halten, doch, sage ich, von der Pflicht, sich ausschließlich den jungen Damen zu widmen. Der Besitzer des Phantasiefracks hatte besonders sein Augenmerk auf den regelrechten Gang des Programms gerichtet. Ja, selbst über die Naturkinder Sascha und Zerline aus der Bäckerstraße Beletage war eine gewisse feierliche Verklärung gekommen, die sie von ihren gewöhnlichen Quälereien der jungen Männer, die nicht von Liebe sprachen, ganz abstehen und den Tanz wie ein orphisches Geheimniß behandeln ließ. Sie wußten, daß graziösere Tänzerinnen da waren, Sylphiden, wahre Libellen, die sich mit Jean Vogler schwenkten, wie wenn sich Schmetterlinge über Rosen jagten.
Die Schwester eines „wahrscheinlich nur auf das Souper ungeduldigen“ Nichttänzers (so beurtheilten seine Bekannten eine gewisse an Max Forbeck sichtbare Unruhe)
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