Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

der Spruch einer geprüften Welterfahrung. La Rose hatte im diplomatischen Dienst soviel problematische Physiognomieen studirt, daß man auf sein Urtheil etwas geben konnte.

Graf Udo unterbrach jedoch den Ausdruck seiner Verwunderung mit der entschiedensten Ablehnung, den Herrn "Geometer" Marloff zu empfangen, der auch seine Karte übergeben hatte. Er würde ihm nächstens schreiben, oder zu ihm schicken - so ließ er hinaussagen.

Es ist ein Bettler! rief Ottomar.

La Rose schüttelte den Kopf und lächelte. Er hatte über vagirendes Lumpenthum Consulatserfahrungen. Doch verstand er zugleich, die erhaltene Weisung mit ebenso viel Bestimmtheit wie Delicatesse an den Mann zu bringen.

Althing ahnte, daß er hier eine Vermittlerrolle spielen sollte, die vielleicht mehr für seinen Principal, Justizrath Luzius, gepaßt hätte. Dieser fiel freilich bei ähnlichen Erpressungsfällen gleich mit der Thür in's Haus. An die Gerichte geht man in solcher Lage nicht gern des Aufsehens wegen. Luzius half sich in der Regel mit dem Hervorkehren des Uebermaßes seiner Geschäfte. Kurz und bündig! war seine Methode. Und in der That, man sah den Mann keuchen vom Stadtgericht zum Polizeigericht, vom Vormundschaftsamt zum Obergericht.

der Spruch einer geprüften Welterfahrung. La Rose hatte im diplomatischen Dienst soviel problematische Physiognomieen studirt, daß man auf sein Urtheil etwas geben konnte.

Graf Udo unterbrach jedoch den Ausdruck seiner Verwunderung mit der entschiedensten Ablehnung, den Herrn „Geometer“ Marloff zu empfangen, der auch seine Karte übergeben hatte. Er würde ihm nächstens schreiben, oder zu ihm schicken – so ließ er hinaussagen.

Es ist ein Bettler! rief Ottomar.

La Rose schüttelte den Kopf und lächelte. Er hatte über vagirendes Lumpenthum Consulatserfahrungen. Doch verstand er zugleich, die erhaltene Weisung mit ebenso viel Bestimmtheit wie Delicatesse an den Mann zu bringen.

Althing ahnte, daß er hier eine Vermittlerrolle spielen sollte, die vielleicht mehr für seinen Principal, Justizrath Luzius, gepaßt hätte. Dieser fiel freilich bei ähnlichen Erpressungsfällen gleich mit der Thür in’s Haus. An die Gerichte geht man in solcher Lage nicht gern des Aufsehens wegen. Luzius half sich in der Regel mit dem Hervorkehren des Uebermaßes seiner Geschäfte. Kurz und bündig! war seine Methode. Und in der That, man sah den Mann keuchen vom Stadtgericht zum Polizeigericht, vom Vormundschaftsamt zum Obergericht.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0049" n="43"/>
der Spruch einer geprüften Welterfahrung. La Rose hatte im diplomatischen Dienst soviel problematische Physiognomieen studirt, daß man auf sein Urtheil etwas geben konnte. </p>
        <p>Graf Udo unterbrach jedoch den Ausdruck seiner Verwunderung mit der entschiedensten Ablehnung, <ref xml:id="TEXTdenHerrnGeometer" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLdenHerrnGeometer">den Herrn &#x201E;Geometer&#x201C; </ref> Marloff zu empfangen, der auch seine Karte übergeben hatte. Er würde ihm nächstens schreiben, oder zu ihm schicken &#x2013; so ließ er hinaussagen. </p>
        <p>Es ist ein Bettler! rief Ottomar. </p>
        <p>La Rose schüttelte den Kopf und lächelte. Er hatte über <ref xml:id="TEXTvagirendesLumpenthum" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLvagirendesLumpenthum">vagirendes Lumpenthum</ref> Consulatserfahrungen. Doch verstand er zugleich, die erhaltene Weisung mit ebenso viel Bestimmtheit wie Delicatesse an den Mann zu bringen. </p>
        <p>Althing ahnte, daß er hier eine Vermittlerrolle spielen sollte, die vielleicht mehr für seinen Principal, Justizrath Luzius, gepaßt hätte. Dieser fiel freilich bei ähnlichen Erpressungsfällen gleich mit der Thür in&#x2019;s Haus. An die Gerichte geht man in solcher Lage nicht gern des Aufsehens wegen. Luzius half sich in der Regel mit dem Hervorkehren des Uebermaßes seiner Geschäfte. Kurz und bündig! war seine Methode. Und in der That, man sah den Mann keuchen vom Stadtgericht zum Polizeigericht, vom Vormundschaftsamt zum Obergericht.
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0049] der Spruch einer geprüften Welterfahrung. La Rose hatte im diplomatischen Dienst soviel problematische Physiognomieen studirt, daß man auf sein Urtheil etwas geben konnte. Graf Udo unterbrach jedoch den Ausdruck seiner Verwunderung mit der entschiedensten Ablehnung, den Herrn „Geometer“ Marloff zu empfangen, der auch seine Karte übergeben hatte. Er würde ihm nächstens schreiben, oder zu ihm schicken – so ließ er hinaussagen. Es ist ein Bettler! rief Ottomar. La Rose schüttelte den Kopf und lächelte. Er hatte über vagirendes Lumpenthum Consulatserfahrungen. Doch verstand er zugleich, die erhaltene Weisung mit ebenso viel Bestimmtheit wie Delicatesse an den Mann zu bringen. Althing ahnte, daß er hier eine Vermittlerrolle spielen sollte, die vielleicht mehr für seinen Principal, Justizrath Luzius, gepaßt hätte. Dieser fiel freilich bei ähnlichen Erpressungsfällen gleich mit der Thür in’s Haus. An die Gerichte geht man in solcher Lage nicht gern des Aufsehens wegen. Luzius half sich in der Regel mit dem Hervorkehren des Uebermaßes seiner Geschäfte. Kurz und bündig! war seine Methode. Und in der That, man sah den Mann keuchen vom Stadtgericht zum Polizeigericht, vom Vormundschaftsamt zum Obergericht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-02-19T12:27:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-02-19T12:27:44Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-1<a>) (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/49
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/49>, abgerufen am 03.12.2024.