Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

damit eine Anklage unserer ganzen Bildung, unserer ganzen Lebensweise, unserer Institutionen zugleich im Sinne! Der Gedanke, daß wir mit dem Tode Staub sind und den Plan der Schöpfung niemals erfahren werden, sollte unser ganzes Leben furchtbar umwandeln - (Ada hatte das auch einmal gesagt!) Schopenhauer hat der jüdischen Religion vorgeworfen, sie sei die schlechteste von allen Religionen, denn sie lehre keinen Glauben an ein jenseitiges Leben, welche Vorstellung man selbst bei den Religionen der Menschenfresser fände. Ich meine aber ganz im Gegentheil, eine Religion, die ein reines Diesseits lehrt, stünde viel höher! Das Judenthum hat übrigens verstanden, sich die Erde ergiebig zu machen!

Der Gerichtsrath Eller meinte: Wenn ich in unsern Bulletins über den letzten Krieg immer gelesen habe, Gott habe diesen oder jenen Sieg verliehen, so kann das bedeuten, daß Gott gleichsam in den Gährungen der Welt ein Vacuum ist, das all unser Dunst, all unsre Dämpfe nicht auszufüllen vermögen und das dann, manchmal freilich erst Jahrhunderte später, wie eine reine frische Luft irgendwo Raum gewinnt!

Das ist der reine Pantheismus -!

Eine unwürdige Vorstellung von Gott -!

Dieser Gott ließ auch Hussen verbrennen -

Seinen eignen Sohn kreuzigen -

damit eine Anklage unserer ganzen Bildung, unserer ganzen Lebensweise, unserer Institutionen zugleich im Sinne! Der Gedanke, daß wir mit dem Tode Staub sind und den Plan der Schöpfung niemals erfahren werden, sollte unser ganzes Leben furchtbar umwandeln – (Ada hatte das auch einmal gesagt!) Schopenhauer hat der jüdischen Religion vorgeworfen, sie sei die schlechteste von allen Religionen, denn sie lehre keinen Glauben an ein jenseitiges Leben, welche Vorstellung man selbst bei den Religionen der Menschenfresser fände. Ich meine aber ganz im Gegentheil, eine Religion, die ein reines Diesseits lehrt, stünde viel höher! Das Judenthum hat übrigens verstanden, sich die Erde ergiebig zu machen!

Der Gerichtsrath Eller meinte: Wenn ich in unsern Bulletins über den letzten Krieg immer gelesen habe, Gott habe diesen oder jenen Sieg verliehen, so kann das bedeuten, daß Gott gleichsam in den Gährungen der Welt ein Vacuum ist, das all unser Dunst, all unsre Dämpfe nicht auszufüllen vermögen und das dann, manchmal freilich erst Jahrhunderte später, wie eine reine frische Luft irgendwo Raum gewinnt!

Das ist der reine Pantheismus –!

Eine unwürdige Vorstellung von Gott –!

Dieser Gott ließ auch Hussen verbrennen –

Seinen eignen Sohn kreuzigen –

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0111" n="105"/>
damit eine Anklage unserer ganzen Bildung, unserer ganzen Lebensweise, unserer Institutionen zugleich im Sinne! Der Gedanke, daß wir mit dem Tode Staub sind und den Plan der Schöpfung niemals erfahren werden, sollte unser ganzes Leben furchtbar umwandeln &#x2013; (Ada hatte das auch einmal gesagt!) <ref xml:id="TEXTSchopenhauerBISLeben" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLSchopenhauerBISLeben">Schopenhauer hat der jüdischen Religion vorgeworfen, sie sei die schlechteste von allen Religionen, denn sie lehre keinen Glauben an ein jenseitiges Leben</ref>, welche Vorstellung man selbst bei den Religionen der Menschenfresser fände. Ich meine aber ganz im Gegentheil, eine Religion, die ein reines Diesseits lehrt, stünde viel höher! Das Judenthum hat übrigens verstanden, sich die Erde ergiebig zu machen!</p>
        <p>Der Gerichtsrath Eller meinte: Wenn ich in unsern Bulletins über den letzten Krieg immer gelesen habe, Gott habe diesen oder jenen Sieg verliehen, so kann das bedeuten, daß Gott gleichsam in den Gährungen der Welt ein Vacuum ist, das all unser Dunst, all unsre Dämpfe nicht auszufüllen vermögen und das dann, manchmal freilich erst Jahrhunderte später, wie eine reine frische Luft irgendwo Raum gewinnt! </p>
        <p>Das ist der reine Pantheismus &#x2013;! </p>
        <p>Eine unwürdige Vorstellung von Gott &#x2013;! </p>
        <p>Dieser Gott ließ auch Hussen verbrennen &#x2013; </p>
        <p>Seinen eignen Sohn kreuzigen &#x2013;</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0111] damit eine Anklage unserer ganzen Bildung, unserer ganzen Lebensweise, unserer Institutionen zugleich im Sinne! Der Gedanke, daß wir mit dem Tode Staub sind und den Plan der Schöpfung niemals erfahren werden, sollte unser ganzes Leben furchtbar umwandeln – (Ada hatte das auch einmal gesagt!) Schopenhauer hat der jüdischen Religion vorgeworfen, sie sei die schlechteste von allen Religionen, denn sie lehre keinen Glauben an ein jenseitiges Leben, welche Vorstellung man selbst bei den Religionen der Menschenfresser fände. Ich meine aber ganz im Gegentheil, eine Religion, die ein reines Diesseits lehrt, stünde viel höher! Das Judenthum hat übrigens verstanden, sich die Erde ergiebig zu machen! Der Gerichtsrath Eller meinte: Wenn ich in unsern Bulletins über den letzten Krieg immer gelesen habe, Gott habe diesen oder jenen Sieg verliehen, so kann das bedeuten, daß Gott gleichsam in den Gährungen der Welt ein Vacuum ist, das all unser Dunst, all unsre Dämpfe nicht auszufüllen vermögen und das dann, manchmal freilich erst Jahrhunderte später, wie eine reine frische Luft irgendwo Raum gewinnt! Das ist der reine Pantheismus –! Eine unwürdige Vorstellung von Gott –! Dieser Gott ließ auch Hussen verbrennen – Seinen eignen Sohn kreuzigen –

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-02-19T12:40:43Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-02-19T12:40:43Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-2<a>) (2014-02-19T12:40:43Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/111
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/111>, abgerufen am 24.11.2024.