Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.sprüche von der in Schmerzen sich windenden "Freundin" mit Ausdrücken, die an Blasphemie streiften, abgewiesen wurden. Nur Wolny hatte sie sehen wollen, nur dessen Hand drücken, nur von diesem bedient sein! Und es waren wirkliche Thränen, empfundene Thränen des Mitleids, die der jüngere Mann vergoß! Marthas hatte sie nicht mehr Erwähnung gethan. Auch ihre kalte Schwester hatte sie von sich gewiesen. Die Namen ihres Sohnes, ihrer Schwiegertochter durften nicht genannt werden. "Alles ist Dein und Du giebst ihm Nichts!" hauchte sie noch sterbend und Wolny hatte mit der ihm eignen mathematischen Strenge, die von Raimund Ehlerdt so oft verspottet worden war, Alles wirklich so ausgeführt, nur mit der einen Aenderung, daß er schnell einen Käufer für das Ganze suchte und die Stadt verließ. Der ostensible Vertreter der Fabrik war Baron Meyer Cohn von Cohnheim, ein Banquier, der sich rühmte, alle Fürsten bis zur höchsten Spitze in der Tasche zu haben. Allen wollte er "in kleinen Verlegenheiten" geholfen haben. Alle ließen ihre Flügelthüren aufreißen, wenn Cohn sie des Morgens und schon beim Ankleiden zu besuchen kam. Cohn hatte die Maxime, man müsse die Großen von der Seite ihrer Natürlichkeit fassen. Es war ein Satz, über welchen die Börse die cynischsten Witze machte, die aber Cohn nicht genirten. Bei den sprüche von der in Schmerzen sich windenden „Freundin“ mit Ausdrücken, die an Blasphemie streiften, abgewiesen wurden. Nur Wolny hatte sie sehen wollen, nur dessen Hand drücken, nur von diesem bedient sein! Und es waren wirkliche Thränen, empfundene Thränen des Mitleids, die der jüngere Mann vergoß! Marthas hatte sie nicht mehr Erwähnung gethan. Auch ihre kalte Schwester hatte sie von sich gewiesen. Die Namen ihres Sohnes, ihrer Schwiegertochter durften nicht genannt werden. „Alles ist Dein und Du giebst ihm Nichts!“ hauchte sie noch sterbend und Wolny hatte mit der ihm eignen mathematischen Strenge, die von Raimund Ehlerdt so oft verspottet worden war, Alles wirklich so ausgeführt, nur mit der einen Aenderung, daß er schnell einen Käufer für das Ganze suchte und die Stadt verließ. Der ostensible Vertreter der Fabrik war Baron Meyer Cohn von Cohnheim, ein Banquier, der sich rühmte, alle Fürsten bis zur höchsten Spitze in der Tasche zu haben. Allen wollte er „in kleinen Verlegenheiten“ geholfen haben. Alle ließen ihre Flügelthüren aufreißen, wenn Cohn sie des Morgens und schon beim Ankleiden zu besuchen kam. Cohn hatte die Maxime, man müsse die Großen von der Seite ihrer Natürlichkeit fassen. Es war ein Satz, über welchen die Börse die cynischsten Witze machte, die aber Cohn nicht genirten. Bei den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0117" n="111"/> sprüche von der in Schmerzen sich windenden „Freundin“ mit Ausdrücken, die an Blasphemie streiften, abgewiesen wurden. Nur Wolny hatte sie sehen wollen, nur dessen Hand drücken, nur von diesem bedient sein! Und es waren wirkliche Thränen, empfundene Thränen des Mitleids, die der jüngere Mann vergoß! Marthas hatte sie nicht mehr Erwähnung gethan. Auch ihre kalte Schwester hatte sie von sich gewiesen. Die Namen ihres Sohnes, ihrer Schwiegertochter durften nicht genannt werden. „Alles ist Dein und Du giebst ihm Nichts!“ hauchte sie noch sterbend und Wolny hatte mit der ihm eignen mathematischen Strenge, die von Raimund Ehlerdt so oft verspottet worden war, Alles wirklich so ausgeführt, nur mit der einen Aenderung, daß er schnell einen Käufer für das Ganze suchte und die Stadt verließ.</p> <p>Der ostensible Vertreter der Fabrik war <ref xml:id="TEXTBaronBISCohnheim" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLBaronBISCohnheim">Baron Meyer Cohn von Cohnheim</ref>, ein Banquier, der sich rühmte, alle Fürsten bis zur höchsten Spitze in der Tasche zu haben. Allen wollte er „in kleinen Verlegenheiten“ geholfen haben. Alle ließen ihre Flügelthüren aufreißen, wenn Cohn sie des Morgens und schon beim Ankleiden zu besuchen kam. Cohn hatte die Maxime, man müsse die Großen von der Seite ihrer Natürlichkeit fassen. Es war ein Satz, über welchen die Börse die cynischsten Witze machte, die aber Cohn nicht genirten. Bei den </p> </div> </body> </text> </TEI> [111/0117]
sprüche von der in Schmerzen sich windenden „Freundin“ mit Ausdrücken, die an Blasphemie streiften, abgewiesen wurden. Nur Wolny hatte sie sehen wollen, nur dessen Hand drücken, nur von diesem bedient sein! Und es waren wirkliche Thränen, empfundene Thränen des Mitleids, die der jüngere Mann vergoß! Marthas hatte sie nicht mehr Erwähnung gethan. Auch ihre kalte Schwester hatte sie von sich gewiesen. Die Namen ihres Sohnes, ihrer Schwiegertochter durften nicht genannt werden. „Alles ist Dein und Du giebst ihm Nichts!“ hauchte sie noch sterbend und Wolny hatte mit der ihm eignen mathematischen Strenge, die von Raimund Ehlerdt so oft verspottet worden war, Alles wirklich so ausgeführt, nur mit der einen Aenderung, daß er schnell einen Käufer für das Ganze suchte und die Stadt verließ.
Der ostensible Vertreter der Fabrik war Baron Meyer Cohn von Cohnheim, ein Banquier, der sich rühmte, alle Fürsten bis zur höchsten Spitze in der Tasche zu haben. Allen wollte er „in kleinen Verlegenheiten“ geholfen haben. Alle ließen ihre Flügelthüren aufreißen, wenn Cohn sie des Morgens und schon beim Ankleiden zu besuchen kam. Cohn hatte die Maxime, man müsse die Großen von der Seite ihrer Natürlichkeit fassen. Es war ein Satz, über welchen die Börse die cynischsten Witze machte, die aber Cohn nicht genirten. Bei den
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