Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Fast möchte ich Ihnen, entgegnete Wolny, sich zum Lächeln zwingend - in Wahrheit dachte er wehmüthig an die nun gestörten Gespräche bei Tisch, zuweilen im Garten, beim Genuß des Mocca, Abends beim Thee - fast möchte ich Ihnen aus meinen Büchern da einen Band von Schopenhauer mitgeben! Sie sind auf dem besten Wege zum Pessimismus - Die Welt höchst unvollkommen zu finden -? fragte Martha, sich stellend, als wenn sie das von Wolny gebrauchte Fremdwort nicht verstünde. Doch um von Büchern zu reden, lenkte sie ein, schreiben Sie mir lieber - Hier zog das nur mühsam ihre Thränen verbergende Mädchen aus einer Handtasche, die sie trug, ein größeres Buch hervor, ein Album, und bat Wolny um die einfache Einzeichnung seines Namens. Keine Zumuthung an Ihren Geist! sagte sie. Denn Sie haben für einen Gedanken in diesem Augenblick kein Commando! Hier ist ein Spruch Ihrer Gemahlin, den mir diese vor längerer Zeit geschrieben. Geben Sie ihm durch Ihre Unterschrift gleichsam die Weihe! Ihre Stimme drohte vor Bewegung zu ersticken. Sie hatte sich in den letzten Worten mit ihrer Empfindung zu weit hervorgewagt. An eine Verbindung mit Wolny konnte ja in ihren Gedanken kein Phantasiebild auftauchen. Fast möchte ich Ihnen, entgegnete Wolny, sich zum Lächeln zwingend – in Wahrheit dachte er wehmüthig an die nun gestörten Gespräche bei Tisch, zuweilen im Garten, beim Genuß des Mocca, Abends beim Thee – fast möchte ich Ihnen aus meinen Büchern da einen Band von Schopenhauer mitgeben! Sie sind auf dem besten Wege zum Pessimismus – Die Welt höchst unvollkommen zu finden –? fragte Martha, sich stellend, als wenn sie das von Wolny gebrauchte Fremdwort nicht verstünde. Doch um von Büchern zu reden, lenkte sie ein, schreiben Sie mir lieber – Hier zog das nur mühsam ihre Thränen verbergende Mädchen aus einer Handtasche, die sie trug, ein größeres Buch hervor, ein Album, und bat Wolny um die einfache Einzeichnung seines Namens. Keine Zumuthung an Ihren Geist! sagte sie. Denn Sie haben für einen Gedanken in diesem Augenblick kein Commando! Hier ist ein Spruch Ihrer Gemahlin, den mir diese vor längerer Zeit geschrieben. Geben Sie ihm durch Ihre Unterschrift gleichsam die Weihe! Ihre Stimme drohte vor Bewegung zu ersticken. Sie hatte sich in den letzten Worten mit ihrer Empfindung zu weit hervorgewagt. An eine Verbindung mit Wolny konnte ja in ihren Gedanken kein Phantasiebild auftauchen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0033" n="27"/> <p> Fast möchte ich Ihnen, entgegnete Wolny, sich zum Lächeln zwingend – in Wahrheit dachte er wehmüthig an die nun gestörten Gespräche bei Tisch, zuweilen im Garten, beim Genuß des Mocca, Abends beim Thee – fast möchte ich Ihnen aus meinen Büchern da einen Band von Schopenhauer mitgeben! Sie sind auf dem besten Wege zum Pessimismus –</p> <p>Die Welt höchst unvollkommen zu finden –? fragte Martha, sich stellend, als wenn sie das von Wolny gebrauchte Fremdwort nicht verstünde. Doch um von Büchern zu reden, lenkte sie ein, schreiben Sie mir lieber –</p> <p>Hier zog das nur mühsam ihre Thränen verbergende Mädchen aus einer Handtasche, die sie trug, ein größeres Buch hervor, ein Album, und bat Wolny um die einfache Einzeichnung seines Namens. Keine Zumuthung an Ihren Geist! sagte sie. Denn Sie haben für einen Gedanken in diesem Augenblick kein Commando! Hier ist ein Spruch Ihrer Gemahlin, den mir diese vor längerer Zeit geschrieben. Geben Sie ihm durch Ihre Unterschrift gleichsam die Weihe!</p> <p>Ihre Stimme drohte vor Bewegung zu ersticken. Sie hatte sich in den letzten Worten mit ihrer Empfindung zu weit hervorgewagt. An eine Verbindung mit Wolny konnte ja in ihren Gedanken kein Phantasiebild auftauchen. </p> </div> </body> </text> </TEI> [27/0033]
Fast möchte ich Ihnen, entgegnete Wolny, sich zum Lächeln zwingend – in Wahrheit dachte er wehmüthig an die nun gestörten Gespräche bei Tisch, zuweilen im Garten, beim Genuß des Mocca, Abends beim Thee – fast möchte ich Ihnen aus meinen Büchern da einen Band von Schopenhauer mitgeben! Sie sind auf dem besten Wege zum Pessimismus –
Die Welt höchst unvollkommen zu finden –? fragte Martha, sich stellend, als wenn sie das von Wolny gebrauchte Fremdwort nicht verstünde. Doch um von Büchern zu reden, lenkte sie ein, schreiben Sie mir lieber –
Hier zog das nur mühsam ihre Thränen verbergende Mädchen aus einer Handtasche, die sie trug, ein größeres Buch hervor, ein Album, und bat Wolny um die einfache Einzeichnung seines Namens. Keine Zumuthung an Ihren Geist! sagte sie. Denn Sie haben für einen Gedanken in diesem Augenblick kein Commando! Hier ist ein Spruch Ihrer Gemahlin, den mir diese vor längerer Zeit geschrieben. Geben Sie ihm durch Ihre Unterschrift gleichsam die Weihe!
Ihre Stimme drohte vor Bewegung zu ersticken. Sie hatte sich in den letzten Worten mit ihrer Empfindung zu weit hervorgewagt. An eine Verbindung mit Wolny konnte ja in ihren Gedanken kein Phantasiebild auftauchen.
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