Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Alles das kam fieberhaft in anderm Tone. Dora erhob sich und suchte mit ihren schwachen Kräften die Schwester im Bette festzuhalten, sie zu beruhigen. Sie gab ihr Opium, ohne daß die Kranke wußte, was das Genommene war. Allmälig phantasirte die Leidende, wie mit völligem Vergessen der augenblicklichen Sachlage. Sie verfiel in ein Lachen, als stände sie vor dem Spiegel. Dankbarkeit! Dankbarkeit! sagte Sie. Wie so denn nur Dankbarkeit? Vor allen Zeugen des Himmels und der Erde versicherte mir ja Otto, es hätte ihn eine sanfte glückliche Neigung zu mir gezogen! Warum mußte nur die Krankheit kommen! Ich wäre ihm ewig jung erschienen -! Na, na, na, na! fiel die Schwester ein, nicht so sehr aus Kälte des Herzens, sondern weil sie aus Erfahrung wußte, daß es die Schwester bei allem Jammer ihres Befindens liebte, wenn man natürlich mit ihr verfuhr, sie reizte, sie sogar ärgerte. Leichenbittermienen, wie sie sagte, konnte sie nicht ertragen. Dennoch sagte sie heute: Ja, drücke nur recht deinen Stachel in meine Wunden! Du, die Du mir heute noch nicht den Mann gönnst! Alle Rathschläge, die Frauen den Frauen ertheilen, haben einzig und allein im Neide ihren Ursprung! Alles das kam fieberhaft in anderm Tone. Dora erhob sich und suchte mit ihren schwachen Kräften die Schwester im Bette festzuhalten, sie zu beruhigen. Sie gab ihr Opium, ohne daß die Kranke wußte, was das Genommene war. Allmälig phantasirte die Leidende, wie mit völligem Vergessen der augenblicklichen Sachlage. Sie verfiel in ein Lachen, als stände sie vor dem Spiegel. Dankbarkeit! Dankbarkeit! sagte Sie. Wie so denn nur Dankbarkeit? Vor allen Zeugen des Himmels und der Erde versicherte mir ja Otto, es hätte ihn eine sanfte glückliche Neigung zu mir gezogen! Warum mußte nur die Krankheit kommen! Ich wäre ihm ewig jung erschienen –! Na, na, na, na! fiel die Schwester ein, nicht so sehr aus Kälte des Herzens, sondern weil sie aus Erfahrung wußte, daß es die Schwester bei allem Jammer ihres Befindens liebte, wenn man natürlich mit ihr verfuhr, sie reizte, sie sogar ärgerte. Leichenbittermienen, wie sie sagte, konnte sie nicht ertragen. Dennoch sagte sie heute: Ja, drücke nur recht deinen Stachel in meine Wunden! Du, die Du mir heute noch nicht den Mann gönnst! Alle Rathschläge, die Frauen den Frauen ertheilen, haben einzig und allein im Neide ihren Ursprung! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0038" n="32"/> <p> Alles das kam fieberhaft in anderm Tone. </p> <p>Dora erhob sich und suchte mit ihren schwachen Kräften die Schwester im Bette festzuhalten, sie zu beruhigen. Sie gab ihr Opium, ohne daß die Kranke wußte, was das Genommene war.</p> <p>Allmälig phantasirte die Leidende, wie mit völligem Vergessen der augenblicklichen Sachlage. Sie verfiel in ein Lachen, als stände sie vor dem Spiegel. Dankbarkeit! Dankbarkeit! sagte Sie. Wie so denn nur Dankbarkeit? Vor allen Zeugen des Himmels und der Erde versicherte mir ja Otto, es hätte ihn eine sanfte glückliche Neigung zu mir gezogen! Warum mußte nur die Krankheit kommen! Ich wäre ihm ewig jung erschienen –!</p> <p>Na, na, na, na! fiel die Schwester ein, nicht so sehr aus Kälte des Herzens, sondern weil sie aus Erfahrung wußte, daß es die Schwester bei allem Jammer ihres Befindens liebte, wenn man natürlich mit ihr verfuhr, sie reizte, sie sogar ärgerte. Leichenbittermienen, wie sie sagte, konnte sie nicht ertragen.</p> <p>Dennoch sagte sie heute: Ja, drücke nur recht deinen Stachel in meine Wunden! Du, die Du mir heute noch nicht den Mann gönnst! Alle Rathschläge, die Frauen den Frauen ertheilen, haben einzig und allein im Neide ihren Ursprung!</p> </div> </body> </text> </TEI> [32/0038]
Alles das kam fieberhaft in anderm Tone.
Dora erhob sich und suchte mit ihren schwachen Kräften die Schwester im Bette festzuhalten, sie zu beruhigen. Sie gab ihr Opium, ohne daß die Kranke wußte, was das Genommene war.
Allmälig phantasirte die Leidende, wie mit völligem Vergessen der augenblicklichen Sachlage. Sie verfiel in ein Lachen, als stände sie vor dem Spiegel. Dankbarkeit! Dankbarkeit! sagte Sie. Wie so denn nur Dankbarkeit? Vor allen Zeugen des Himmels und der Erde versicherte mir ja Otto, es hätte ihn eine sanfte glückliche Neigung zu mir gezogen! Warum mußte nur die Krankheit kommen! Ich wäre ihm ewig jung erschienen –!
Na, na, na, na! fiel die Schwester ein, nicht so sehr aus Kälte des Herzens, sondern weil sie aus Erfahrung wußte, daß es die Schwester bei allem Jammer ihres Befindens liebte, wenn man natürlich mit ihr verfuhr, sie reizte, sie sogar ärgerte. Leichenbittermienen, wie sie sagte, konnte sie nicht ertragen.
Dennoch sagte sie heute: Ja, drücke nur recht deinen Stachel in meine Wunden! Du, die Du mir heute noch nicht den Mann gönnst! Alle Rathschläge, die Frauen den Frauen ertheilen, haben einzig und allein im Neide ihren Ursprung!
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