Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.Innig noch küßte der Vater Helenen, streichelte die wieder Weinende und sprach ein liebevoll beruhigendes: Nun, nun, nun, nun! Damit war er verschwunden. Er bedurfte selbst des künstlichen Aufschwungs, den er sich gab, um seiner Stimmung Herr zu bleiben. An Ottomar mochte er nicht denken. Er hatte die dunkle Ahnung, daß die Person, bei deren Anblick er selbst gesagt: Der Reitknecht hätt' ich sein mögen! eine Rolle in diesem Liebesroman spielte. Er stürzte sich in die Arbeit, um Nichts zu hören und zu sehen. Die Ausführung des Grafen-Wilhelm-Monuments hatte er an einige andere Ateliers vertheilt. Sich selbst hatte er noch zwei neue Gehülfen genommen. Es war lebendig um ihn her. Die Frauen waren darüber einig, daß nur Helenens Mutter antworten konnte. Aber die Anempfehlung der Martha'schen Beihülfe war nicht zu verachten. Die gute Mama sagte lächelnd: Der böse, böse Mann! Er hatte sie mit ihrer Neigung zur Anti-Orthographie geneckt, obschon sie geläufige, wohlgefügte, gedankenreiche Briefe zu schreiben verstand. Helene stützte trauernd ihr Haupt auf und verrieth es jetzt mit Worten, daß ihr der Graf über Alles werth gewesen, daß er wie magisch auf sie gewirkt hätte, ihr Herz hätte geklopft, so wie er in den Garten getreten, sie hätte sich aber in Hochlinden an ihn Innig noch küßte der Vater Helenen, streichelte die wieder Weinende und sprach ein liebevoll beruhigendes: Nun, nun, nun, nun! Damit war er verschwunden. Er bedurfte selbst des künstlichen Aufschwungs, den er sich gab, um seiner Stimmung Herr zu bleiben. An Ottomar mochte er nicht denken. Er hatte die dunkle Ahnung, daß die Person, bei deren Anblick er selbst gesagt: Der Reitknecht hätt’ ich sein mögen! eine Rolle in diesem Liebesroman spielte. Er stürzte sich in die Arbeit, um Nichts zu hören und zu sehen. Die Ausführung des Grafen-Wilhelm-Monuments hatte er an einige andere Ateliers vertheilt. Sich selbst hatte er noch zwei neue Gehülfen genommen. Es war lebendig um ihn her. Die Frauen waren darüber einig, daß nur Helenens Mutter antworten konnte. Aber die Anempfehlung der Martha’schen Beihülfe war nicht zu verachten. Die gute Mama sagte lächelnd: Der böse, böse Mann! Er hatte sie mit ihrer Neigung zur Anti-Orthographie geneckt, obschon sie geläufige, wohlgefügte, gedankenreiche Briefe zu schreiben verstand. Helene stützte trauernd ihr Haupt auf und verrieth es jetzt mit Worten, daß ihr der Graf über Alles werth gewesen, daß er wie magisch auf sie gewirkt hätte, ihr Herz hätte geklopft, so wie er in den Garten getreten, sie hätte sich aber in Hochlinden an ihn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0139" n="133"/> <p> Innig noch küßte der Vater Helenen, streichelte die wieder Weinende und sprach ein liebevoll beruhigendes: Nun, nun, nun, nun!</p> <p>Damit war er verschwunden. Er bedurfte selbst des künstlichen Aufschwungs, den er sich gab, um seiner Stimmung Herr zu bleiben. An Ottomar mochte er nicht denken. Er hatte die dunkle Ahnung, daß die Person, bei deren Anblick er selbst gesagt: Der Reitknecht hätt’ ich sein mögen! eine Rolle in diesem Liebesroman spielte. Er stürzte sich in die Arbeit, um Nichts zu hören und zu sehen. Die Ausführung des Grafen-Wilhelm-Monuments hatte er an einige andere Ateliers vertheilt. Sich selbst hatte er noch zwei neue Gehülfen genommen. Es war lebendig um ihn her.</p> <p>Die Frauen waren darüber einig, daß nur Helenens Mutter antworten konnte. Aber die Anempfehlung der Martha’schen Beihülfe war nicht zu verachten. Die gute Mama sagte lächelnd: Der böse, böse Mann! Er hatte sie mit ihrer Neigung zur Anti-Orthographie geneckt, obschon sie geläufige, wohlgefügte, gedankenreiche Briefe zu schreiben verstand. Helene stützte trauernd ihr Haupt auf und verrieth es jetzt mit Worten, daß ihr der Graf über Alles werth gewesen, daß er wie magisch auf sie gewirkt hätte, ihr Herz hätte geklopft, so wie er in den Garten getreten, sie hätte sich aber in Hochlinden an ihn </p> </div> </body> </text> </TEI> [133/0139]
Innig noch küßte der Vater Helenen, streichelte die wieder Weinende und sprach ein liebevoll beruhigendes: Nun, nun, nun, nun!
Damit war er verschwunden. Er bedurfte selbst des künstlichen Aufschwungs, den er sich gab, um seiner Stimmung Herr zu bleiben. An Ottomar mochte er nicht denken. Er hatte die dunkle Ahnung, daß die Person, bei deren Anblick er selbst gesagt: Der Reitknecht hätt’ ich sein mögen! eine Rolle in diesem Liebesroman spielte. Er stürzte sich in die Arbeit, um Nichts zu hören und zu sehen. Die Ausführung des Grafen-Wilhelm-Monuments hatte er an einige andere Ateliers vertheilt. Sich selbst hatte er noch zwei neue Gehülfen genommen. Es war lebendig um ihn her.
Die Frauen waren darüber einig, daß nur Helenens Mutter antworten konnte. Aber die Anempfehlung der Martha’schen Beihülfe war nicht zu verachten. Die gute Mama sagte lächelnd: Der böse, böse Mann! Er hatte sie mit ihrer Neigung zur Anti-Orthographie geneckt, obschon sie geläufige, wohlgefügte, gedankenreiche Briefe zu schreiben verstand. Helene stützte trauernd ihr Haupt auf und verrieth es jetzt mit Worten, daß ihr der Graf über Alles werth gewesen, daß er wie magisch auf sie gewirkt hätte, ihr Herz hätte geklopft, so wie er in den Garten getreten, sie hätte sich aber in Hochlinden an ihn
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