Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.für Abgerundetes und Fertiges. Alles Neue sei unfertig, und voll Prahlsucht. Und dabei mußte ihm, dem alle jungen Herzen anhingen, dann plötzlich widerfahren, daß es auch die Prinzessin Tochter war, die in ihm den Himmel auf Erden fand, die Tochter des "regierenden" Fürsten. Sie hatte zuweilen Anträge gehabt, aber die Frage der Finanzen stimmte nicht. Nun wollte sie ganz nach dem Herzen wählen, obschon sie schon in den Dreißigen war. Da mochte Graf Wilhelm nicht unzart sein. Er zog sich nicht zurück. Und in der That, eine Prinzessin hat immer etwas in ihrer Umgebung, das sie hebt, in manchen Fällen sogar begehrenswerth erscheinen läßt. Erst nach manchem Jahre einer glücklichen, sozusagen diplomatischen, kinderlos gebliebenen Ehe, lange vor den Begegnungen mit den Forbecks, trat eine sogenannte Untreue ein, die nun plötzlich von der Fürstentochter so empfindlich, so gänzlich vom Unvermögen, die eigne Unbedeutendheit zu erkennen, aufgenommen wurde! Sie hatte doch soviel Wohlwollen und Güte sonst im Leben in Bereitschaft. War das alles nur "Conduite"? "Wohlerzogenheit, höfische Schulung"? "Trotz auf unser Christenthum"? Der große Sesostris hatte 150 Söhne, sagte Graf Udo gelegentlich, und ist gewiß nicht in die Hölle gekommen! Wenn Graf Udo oft und oft auf Edwina in seinem Denken zurückkehrte, dann mußte er immer vor Erregung für Abgerundetes und Fertiges. Alles Neue sei unfertig, und voll Prahlsucht. Und dabei mußte ihm, dem alle jungen Herzen anhingen, dann plötzlich widerfahren, daß es auch die Prinzessin Tochter war, die in ihm den Himmel auf Erden fand, die Tochter des „regierenden“ Fürsten. Sie hatte zuweilen Anträge gehabt, aber die Frage der Finanzen stimmte nicht. Nun wollte sie ganz nach dem Herzen wählen, obschon sie schon in den Dreißigen war. Da mochte Graf Wilhelm nicht unzart sein. Er zog sich nicht zurück. Und in der That, eine Prinzessin hat immer etwas in ihrer Umgebung, das sie hebt, in manchen Fällen sogar begehrenswerth erscheinen läßt. Erst nach manchem Jahre einer glücklichen, sozusagen diplomatischen, kinderlos gebliebenen Ehe, lange vor den Begegnungen mit den Forbecks, trat eine sogenannte Untreue ein, die nun plötzlich von der Fürstentochter so empfindlich, so gänzlich vom Unvermögen, die eigne Unbedeutendheit zu erkennen, aufgenommen wurde! Sie hatte doch soviel Wohlwollen und Güte sonst im Leben in Bereitschaft. War das alles nur „Conduite“? „Wohlerzogenheit, höfische Schulung“? „Trotz auf unser Christenthum“? Der große Sesostris hatte 150 Söhne, sagte Graf Udo gelegentlich, und ist gewiß nicht in die Hölle gekommen! Wenn Graf Udo oft und oft auf Edwina in seinem Denken zurückkehrte, dann mußte er immer vor Erregung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0282" n="276"/> für Abgerundetes und Fertiges. Alles Neue sei unfertig, und voll Prahlsucht. Und dabei mußte ihm, dem alle jungen Herzen anhingen, dann plötzlich widerfahren, daß es auch die Prinzessin Tochter war, die in ihm den Himmel auf Erden fand, die Tochter des „regierenden“ Fürsten. Sie hatte zuweilen Anträge gehabt, aber die Frage der Finanzen stimmte nicht. Nun wollte sie ganz nach dem Herzen wählen, obschon sie schon in den Dreißigen war. Da mochte Graf Wilhelm nicht unzart sein. Er zog sich nicht zurück. Und in der That, eine Prinzessin hat immer etwas in ihrer Umgebung, das sie hebt, in manchen Fällen sogar begehrenswerth erscheinen läßt. Erst nach manchem Jahre einer glücklichen, sozusagen diplomatischen, kinderlos gebliebenen Ehe, lange vor den Begegnungen mit den Forbecks, trat eine sogenannte Untreue ein, die nun plötzlich von der Fürstentochter so empfindlich, so gänzlich vom Unvermögen, die eigne Unbedeutendheit zu erkennen, aufgenommen wurde! Sie hatte doch soviel Wohlwollen und Güte sonst im Leben in Bereitschaft. War das alles nur „Conduite“? „Wohlerzogenheit, höfische Schulung“? „Trotz auf unser Christenthum“? Der große Sesostris hatte 150 Söhne, sagte Graf Udo gelegentlich, und ist gewiß nicht in die Hölle gekommen! </p> <p>Wenn Graf Udo oft und oft auf Edwina in seinem Denken zurückkehrte, dann mußte er immer vor Erregung </p> </div> </body> </text> </TEI> [276/0282]
für Abgerundetes und Fertiges. Alles Neue sei unfertig, und voll Prahlsucht. Und dabei mußte ihm, dem alle jungen Herzen anhingen, dann plötzlich widerfahren, daß es auch die Prinzessin Tochter war, die in ihm den Himmel auf Erden fand, die Tochter des „regierenden“ Fürsten. Sie hatte zuweilen Anträge gehabt, aber die Frage der Finanzen stimmte nicht. Nun wollte sie ganz nach dem Herzen wählen, obschon sie schon in den Dreißigen war. Da mochte Graf Wilhelm nicht unzart sein. Er zog sich nicht zurück. Und in der That, eine Prinzessin hat immer etwas in ihrer Umgebung, das sie hebt, in manchen Fällen sogar begehrenswerth erscheinen läßt. Erst nach manchem Jahre einer glücklichen, sozusagen diplomatischen, kinderlos gebliebenen Ehe, lange vor den Begegnungen mit den Forbecks, trat eine sogenannte Untreue ein, die nun plötzlich von der Fürstentochter so empfindlich, so gänzlich vom Unvermögen, die eigne Unbedeutendheit zu erkennen, aufgenommen wurde! Sie hatte doch soviel Wohlwollen und Güte sonst im Leben in Bereitschaft. War das alles nur „Conduite“? „Wohlerzogenheit, höfische Schulung“? „Trotz auf unser Christenthum“? Der große Sesostris hatte 150 Söhne, sagte Graf Udo gelegentlich, und ist gewiß nicht in die Hölle gekommen!
Wenn Graf Udo oft und oft auf Edwina in seinem Denken zurückkehrte, dann mußte er immer vor Erregung
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