Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.Zweites Kapitel. Am Tempel der Vesta, dicht über einer einzelnstehenden, auf die äußerste Felskante gerückten Tanne, einem Wahrzeichen der ganzen Gegend, stand geheimnißvoll der Vertraute so vieler Klagen, der stumme und doch so beredte Mond. Unter seiner vollen goldnen Scheibe, deren mattes Licht uns so wohlthut, breitete sich dunkelschwarz der Tannenwald des Gebirges aus. So hatten sich Sturm und Regen in eine klare Wolkenlosigkeit des Himmels verwandelt. Still war es in der Natur geworden; stiller auch in den Herzen der verschiedenen Bewohner des Schlosses. Marthas nach allen Seiten beobachtendes Auge hatte den Stand der Dinge bald überschaut. Schon beim Thee fiel ihr eine eigenthümliche Zerstreutheit im Benehmen des Grafen auf. Helenens Abwesenheit sagte Alles. Zweites Kapitel. Am Tempel der Vesta, dicht über einer einzelnstehenden, auf die äußerste Felskante gerückten Tanne, einem Wahrzeichen der ganzen Gegend, stand geheimnißvoll der Vertraute so vieler Klagen, der stumme und doch so beredte Mond. Unter seiner vollen goldnen Scheibe, deren mattes Licht uns so wohlthut, breitete sich dunkelschwarz der Tannenwald des Gebirges aus. So hatten sich Sturm und Regen in eine klare Wolkenlosigkeit des Himmels verwandelt. Still war es in der Natur geworden; stiller auch in den Herzen der verschiedenen Bewohner des Schlosses. Marthas nach allen Seiten beobachtendes Auge hatte den Stand der Dinge bald überschaut. Schon beim Thee fiel ihr eine eigenthümliche Zerstreutheit im Benehmen des Grafen auf. Helenens Abwesenheit sagte Alles. <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0031" n="25"/> <head>Zweites Kapitel.</head><lb/> <p><hi rendition="#in">A</hi>m Tempel der Vesta, dicht über einer einzelnstehenden, auf die äußerste Felskante gerückten Tanne, einem Wahrzeichen der ganzen Gegend, stand geheimnißvoll der Vertraute so vieler Klagen, der stumme und doch so beredte Mond.</p> <p>Unter seiner vollen goldnen Scheibe, deren mattes Licht uns so wohlthut, breitete sich dunkelschwarz der Tannenwald des Gebirges aus.</p> <p>So hatten sich Sturm und Regen in eine klare Wolkenlosigkeit des Himmels verwandelt. Still war es in der Natur geworden; stiller auch in den Herzen der verschiedenen Bewohner des Schlosses.</p> <p>Marthas nach allen Seiten beobachtendes Auge hatte den Stand der Dinge bald überschaut. Schon beim Thee fiel ihr eine eigenthümliche Zerstreutheit im Benehmen des Grafen auf. Helenens Abwesenheit sagte Alles.</p> </div> </body> </text> </TEI> [25/0031]
Zweites Kapitel.
Am Tempel der Vesta, dicht über einer einzelnstehenden, auf die äußerste Felskante gerückten Tanne, einem Wahrzeichen der ganzen Gegend, stand geheimnißvoll der Vertraute so vieler Klagen, der stumme und doch so beredte Mond.
Unter seiner vollen goldnen Scheibe, deren mattes Licht uns so wohlthut, breitete sich dunkelschwarz der Tannenwald des Gebirges aus.
So hatten sich Sturm und Regen in eine klare Wolkenlosigkeit des Himmels verwandelt. Still war es in der Natur geworden; stiller auch in den Herzen der verschiedenen Bewohner des Schlosses.
Marthas nach allen Seiten beobachtendes Auge hatte den Stand der Dinge bald überschaut. Schon beim Thee fiel ihr eine eigenthümliche Zerstreutheit im Benehmen des Grafen auf. Helenens Abwesenheit sagte Alles.
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