Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.den Herzschlag des Erdenlebens - -! Das Clavierspiel unterblieb. Sie hatte es von der Erziehung ihrer Eltern - der Vater schon trieb mechanische Kunst. Bald war sie damit der Commerzienräthin willkommen gewesen, bald hieß es: Unausstehlich! Aufhören! War Gesellschaft, dann erfolgte der Befehl: Martha, eine Sonate! Mit Schmelz und Güte gesprochen. Manchmal wurde auch in's Ohr geraunt: Spielen Sie rasch etwas Clavier! Es war dann Stillstand in der Conversation eingetreten, die Servirung des Soupers war noch nicht zur Reife gediehen. Ein ander Mal hieß es wieder: Um Gottes willen, nur keine Musik! Meine Nerven ertragen sie nicht! Martha mußte dann mitten in einem Chopin'schen Notturno, das sie sich besonders eingeübt hatte, aufhören. Alles das - Leiden einer Gesellschafterin! Heute konnte sich Martha nicht für berechtigt halten, die Empfindungen jedes Einzelnen, die sie schon beobachtet hatte, zu unterbrechen. Von der Freundin wußte sie schon längst, daß es eine moralische Uebung, eine Seelenprüfung für diese sein sollte, daß sie überhaupt in Hochlinden verweilte. Sie wußte, daß auch Ada nur Interesse für Ottomar hatte. Diese Vorliebe konnte sie begreifen. Wie lieb und gut war heute wieder sein Benehmen! Der Bruder ihrer Freundin war darin in der That anziehender als der Graf. Denn war auch dieser gemüth- den Herzschlag des Erdenlebens – –! Das Clavierspiel unterblieb. Sie hatte es von der Erziehung ihrer Eltern – der Vater schon trieb mechanische Kunst. Bald war sie damit der Commerzienräthin willkommen gewesen, bald hieß es: Unausstehlich! Aufhören! War Gesellschaft, dann erfolgte der Befehl: Martha, eine Sonate! Mit Schmelz und Güte gesprochen. Manchmal wurde auch in’s Ohr geraunt: Spielen Sie rasch etwas Clavier! Es war dann Stillstand in der Conversation eingetreten, die Servirung des Soupers war noch nicht zur Reife gediehen. Ein ander Mal hieß es wieder: Um Gottes willen, nur keine Musik! Meine Nerven ertragen sie nicht! Martha mußte dann mitten in einem Chopin’schen Notturno, das sie sich besonders eingeübt hatte, aufhören. Alles das – Leiden einer Gesellschafterin! Heute konnte sich Martha nicht für berechtigt halten, die Empfindungen jedes Einzelnen, die sie schon beobachtet hatte, zu unterbrechen. Von der Freundin wußte sie schon längst, daß es eine moralische Uebung, eine Seelenprüfung für diese sein sollte, daß sie überhaupt in Hochlinden verweilte. Sie wußte, daß auch Ada nur Interesse für Ottomar hatte. Diese Vorliebe konnte sie begreifen. Wie lieb und gut war heute wieder sein Benehmen! Der Bruder ihrer Freundin war darin in der That anziehender als der Graf. Denn war auch dieser gemüth- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0035" n="29"/> den Herzschlag des Erdenlebens – –! Das Clavierspiel unterblieb. Sie hatte es von der Erziehung ihrer Eltern – der Vater schon trieb mechanische Kunst. Bald war sie damit der Commerzienräthin willkommen gewesen, bald hieß es: Unausstehlich! Aufhören! War Gesellschaft, dann erfolgte der Befehl: Martha, eine Sonate! Mit Schmelz und Güte gesprochen. Manchmal wurde auch in’s Ohr geraunt: Spielen Sie rasch etwas Clavier! Es war dann Stillstand in der Conversation eingetreten, die Servirung des Soupers war noch nicht zur Reife gediehen. Ein ander Mal hieß es wieder: Um Gottes willen, nur keine Musik! Meine Nerven ertragen sie nicht! Martha mußte dann mitten in einem Chopin’schen Notturno, das sie sich besonders eingeübt hatte, aufhören. Alles das – Leiden einer Gesellschafterin!</p> <p>Heute konnte sich Martha nicht für berechtigt halten, die Empfindungen jedes Einzelnen, die sie schon beobachtet hatte, zu unterbrechen. Von der Freundin wußte sie schon längst, daß es eine moralische Uebung, eine Seelenprüfung für diese sein sollte, daß sie überhaupt in Hochlinden verweilte. Sie wußte, daß auch Ada nur Interesse für Ottomar hatte. Diese Vorliebe konnte sie begreifen. Wie lieb und gut war heute wieder sein Benehmen! Der Bruder ihrer Freundin war darin in der That anziehender als der Graf. Denn war auch dieser gemüth- </p> </div> </body> </text> </TEI> [29/0035]
den Herzschlag des Erdenlebens – –! Das Clavierspiel unterblieb. Sie hatte es von der Erziehung ihrer Eltern – der Vater schon trieb mechanische Kunst. Bald war sie damit der Commerzienräthin willkommen gewesen, bald hieß es: Unausstehlich! Aufhören! War Gesellschaft, dann erfolgte der Befehl: Martha, eine Sonate! Mit Schmelz und Güte gesprochen. Manchmal wurde auch in’s Ohr geraunt: Spielen Sie rasch etwas Clavier! Es war dann Stillstand in der Conversation eingetreten, die Servirung des Soupers war noch nicht zur Reife gediehen. Ein ander Mal hieß es wieder: Um Gottes willen, nur keine Musik! Meine Nerven ertragen sie nicht! Martha mußte dann mitten in einem Chopin’schen Notturno, das sie sich besonders eingeübt hatte, aufhören. Alles das – Leiden einer Gesellschafterin!
Heute konnte sich Martha nicht für berechtigt halten, die Empfindungen jedes Einzelnen, die sie schon beobachtet hatte, zu unterbrechen. Von der Freundin wußte sie schon längst, daß es eine moralische Uebung, eine Seelenprüfung für diese sein sollte, daß sie überhaupt in Hochlinden verweilte. Sie wußte, daß auch Ada nur Interesse für Ottomar hatte. Diese Vorliebe konnte sie begreifen. Wie lieb und gut war heute wieder sein Benehmen! Der Bruder ihrer Freundin war darin in der That anziehender als der Graf. Denn war auch dieser gemüth-
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