Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

Geister umschlingen sie mit magischen Bändern! Ach! Der Pfarrer in Weilheim würde sagen, Alles sei Sünde! und doch übt Jeder sein Menschenrecht! Oder hätten die Philosophen Recht, die da behaupteten, aus dem Zwange, aus der sittlichen Kraft, das historische Unrecht zu ertragen, entstünde erst die wahre Civilisation? Schreckliches, furchtbares Wort! Dann möchte man zu den Indianern entfliehen! Ja, und Ada hatte einmal bei einer Debatte über Iherings "Kampf um's Recht" ergänzt: Nein, nein, zu den Mormonen! Und das ganz im Gegensatz gegen diese Schrift, die einer Zeit, die bis zum untersten Handwerker hinunter jeder edlen Rücksichtnahme ein hämisches Zähnefletschen der Weigerung entgegenhält, nun noch obenein "den Kampf um's Recht" als Ideal anzuempfehlen vermochte! Sie hatte die Schrift als eine Aufhetzung zu ewigen Reclamationen, Ablehnung jedes Duldens, des so nothwendigen Ertragens, des nicht zu umgehenden Rechtsverzichtes bezeichnet - ein Lieblingsthema, auf das sie öfters zurückkam und damit das Tischgespräch belebte.

Wolnys Briefe standen Martha wie am Himmel geschrieben. Sternenschrift sagte ihr: Harre und hoffe! Die Fremde, sein wieder aufgenommener gelehrter Beruf zerstreuten ihn nicht. Das wußte sie fest und bestimmt. Wenn sie einmal zweifelte, so war es, daß sie sich

Geister umschlingen sie mit magischen Bändern! Ach! Der Pfarrer in Weilheim würde sagen, Alles sei Sünde! und doch übt Jeder sein Menschenrecht! Oder hätten die Philosophen Recht, die da behaupteten, aus dem Zwange, aus der sittlichen Kraft, das historische Unrecht zu ertragen, entstünde erst die wahre Civilisation? Schreckliches, furchtbares Wort! Dann möchte man zu den Indianern entfliehen! Ja, und Ada hatte einmal bei einer Debatte über Iherings „Kampf um’s Recht“ ergänzt: Nein, nein, zu den Mormonen! Und das ganz im Gegensatz gegen diese Schrift, die einer Zeit, die bis zum untersten Handwerker hinunter jeder edlen Rücksichtnahme ein hämisches Zähnefletschen der Weigerung entgegenhält, nun noch obenein „den Kampf um’s Recht“ als Ideal anzuempfehlen vermochte! Sie hatte die Schrift als eine Aufhetzung zu ewigen Reclamationen, Ablehnung jedes Duldens, des so nothwendigen Ertragens, des nicht zu umgehenden Rechtsverzichtes bezeichnet – ein Lieblingsthema, auf das sie öfters zurückkam und damit das Tischgespräch belebte.

Wolnys Briefe standen Martha wie am Himmel geschrieben. Sternenschrift sagte ihr: Harre und hoffe! Die Fremde, sein wieder aufgenommener gelehrter Beruf zerstreuten ihn nicht. Das wußte sie fest und bestimmt. Wenn sie einmal zweifelte, so war es, daß sie sich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0038" n="32"/>
Geister umschlingen sie mit magischen Bändern! Ach! Der Pfarrer in Weilheim würde sagen, Alles sei Sünde! und doch übt Jeder sein Menschenrecht! Oder hätten die Philosophen Recht, die da behaupteten, aus dem Zwange, aus der sittlichen Kraft, das historische Unrecht zu ertragen, entstünde erst die wahre Civilisation? Schreckliches, furchtbares Wort! Dann möchte man zu den Indianern entfliehen! Ja, und Ada hatte einmal bei einer Debatte über Iherings &#x201E;Kampf um&#x2019;s Recht&#x201C; ergänzt: Nein, nein, zu den Mormonen! Und das ganz im Gegensatz gegen diese Schrift, die einer Zeit, die bis zum untersten Handwerker hinunter jeder edlen Rücksichtnahme ein hämisches Zähnefletschen der Weigerung entgegenhält, nun noch obenein &#x201E;den Kampf um&#x2019;s Recht&#x201C; als Ideal anzuempfehlen vermochte! Sie hatte die Schrift als eine Aufhetzung zu ewigen Reclamationen, Ablehnung jedes Duldens, des so nothwendigen Ertragens, des nicht zu umgehenden Rechtsverzichtes bezeichnet &#x2013; ein Lieblingsthema, auf das sie öfters zurückkam und damit das Tischgespräch belebte.</p>
        <p>Wolnys Briefe standen Martha wie am Himmel geschrieben. Sternenschrift sagte ihr: Harre und hoffe! Die Fremde, sein wieder aufgenommener gelehrter Beruf zerstreuten ihn nicht. Das wußte sie fest und bestimmt. Wenn sie einmal zweifelte, so war es, daß sie sich
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0038] Geister umschlingen sie mit magischen Bändern! Ach! Der Pfarrer in Weilheim würde sagen, Alles sei Sünde! und doch übt Jeder sein Menschenrecht! Oder hätten die Philosophen Recht, die da behaupteten, aus dem Zwange, aus der sittlichen Kraft, das historische Unrecht zu ertragen, entstünde erst die wahre Civilisation? Schreckliches, furchtbares Wort! Dann möchte man zu den Indianern entfliehen! Ja, und Ada hatte einmal bei einer Debatte über Iherings „Kampf um’s Recht“ ergänzt: Nein, nein, zu den Mormonen! Und das ganz im Gegensatz gegen diese Schrift, die einer Zeit, die bis zum untersten Handwerker hinunter jeder edlen Rücksichtnahme ein hämisches Zähnefletschen der Weigerung entgegenhält, nun noch obenein „den Kampf um’s Recht“ als Ideal anzuempfehlen vermochte! Sie hatte die Schrift als eine Aufhetzung zu ewigen Reclamationen, Ablehnung jedes Duldens, des so nothwendigen Ertragens, des nicht zu umgehenden Rechtsverzichtes bezeichnet – ein Lieblingsthema, auf das sie öfters zurückkam und damit das Tischgespräch belebte. Wolnys Briefe standen Martha wie am Himmel geschrieben. Sternenschrift sagte ihr: Harre und hoffe! Die Fremde, sein wieder aufgenommener gelehrter Beruf zerstreuten ihn nicht. Das wußte sie fest und bestimmt. Wenn sie einmal zweifelte, so war es, daß sie sich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-02-19T11:57:26Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-02-19T11:57:26Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-3<a>) (2014-02-19T11:57:26Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/38
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/38>, abgerufen am 21.11.2024.