Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.Mutter und Vater müssen ihr das als Erbtheil hinterlassen haben, daß sie das Weib der großen Gesichtspunkte ist. Sieh', Schwester, Dich hat die Natur, hat das Schicksal unter andere Verhältnisse gestellt, aber auch Du würdest Dich auf die Keime der Größe verstehen! Nur das Weib hat Ahnung vom Weltzweck, nur das Weib hat Schwung und Seele; wir Männer - elend genug! - wir trocknen immer mehr zusammen. Nur das Unglück kann uns noch erheben. Ihr Götter, ich bitte Euch! Bewahrt meine gute Schwester vor dieser Zeitigung ihrer Größe; Genien Deiner Art bewähren sich nur im Kampfe mit dem Schicksal. Verzeihe mir, Schwester, was ich zuweilen Ungeziemendes gegen Dich gesprochen, wie vielleicht jetzt eben wieder!" Martha mußte lachen. Sie sagte vor sich hin: So lauteten immer seine Briefe, wenn er Geld haben wollte! Er wird doch nicht -? unterbrach sie ihr Selbstgespräch und sah auf die letzte Seite. Dann fuhr sie fort: "Meine Edwina sieht zu Dir empor! Wenn sie auch weiß, daß Du sagtest, sie würde mich nur in ihre Netze verstricken! O, Schwester ja, diese Netze sind da, aber sie sind goldne! Wüßte ich mehr von der verdammten alten Mythologie und von Armida von Gluck und Ariost - verwünschtes Polytechnikum, wo ich von Poesie Nichts als die Sauflieder von N. N. im Gedächtniß Mutter und Vater müssen ihr das als Erbtheil hinterlassen haben, daß sie das Weib der großen Gesichtspunkte ist. Sieh’, Schwester, Dich hat die Natur, hat das Schicksal unter andere Verhältnisse gestellt, aber auch Du würdest Dich auf die Keime der Größe verstehen! Nur das Weib hat Ahnung vom Weltzweck, nur das Weib hat Schwung und Seele; wir Männer – elend genug! – wir trocknen immer mehr zusammen. Nur das Unglück kann uns noch erheben. Ihr Götter, ich bitte Euch! Bewahrt meine gute Schwester vor dieser Zeitigung ihrer Größe; Genien Deiner Art bewähren sich nur im Kampfe mit dem Schicksal. Verzeihe mir, Schwester, was ich zuweilen Ungeziemendes gegen Dich gesprochen, wie vielleicht jetzt eben wieder!“ Martha mußte lachen. Sie sagte vor sich hin: So lauteten immer seine Briefe, wenn er Geld haben wollte! Er wird doch nicht –? unterbrach sie ihr Selbstgespräch und sah auf die letzte Seite. Dann fuhr sie fort: „Meine Edwina sieht zu Dir empor! Wenn sie auch weiß, daß Du sagtest, sie würde mich nur in ihre Netze verstricken! O, Schwester ja, diese Netze sind da, aber sie sind goldne! Wüßte ich mehr von der verdammten alten Mythologie und von Armida von Gluck und Ariost – verwünschtes Polytechnikum, wo ich von Poesie Nichts als die Sauflieder von N. N. im Gedächtniß <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0041" n="35"/> Mutter und Vater müssen ihr das als Erbtheil hinterlassen haben, daß sie das Weib der großen Gesichtspunkte ist. Sieh’, Schwester, Dich hat die Natur, hat das Schicksal unter andere Verhältnisse gestellt, aber auch Du würdest Dich auf die Keime der Größe verstehen! Nur das Weib hat Ahnung vom Weltzweck, nur das Weib hat Schwung und Seele; wir Männer – elend genug! – wir trocknen immer mehr zusammen. Nur das Unglück kann uns noch erheben. Ihr Götter, ich bitte Euch! Bewahrt meine gute Schwester vor dieser Zeitigung ihrer Größe; Genien Deiner Art bewähren sich nur im Kampfe mit dem Schicksal. Verzeihe mir, Schwester, was ich zuweilen Ungeziemendes gegen Dich gesprochen, wie vielleicht jetzt eben wieder!“</p> <p>Martha mußte lachen. Sie sagte vor sich hin: So lauteten immer seine Briefe, wenn er Geld haben wollte! Er wird doch nicht –? unterbrach sie ihr Selbstgespräch und sah auf die letzte Seite. Dann fuhr sie fort:</p> <p>„Meine Edwina sieht zu Dir empor! Wenn sie auch weiß, daß Du sagtest, sie würde mich nur in ihre Netze verstricken! O, Schwester ja, diese Netze sind da, aber sie sind goldne! Wüßte ich mehr von der verdammten alten Mythologie und von Armida von Gluck und Ariost – verwünschtes Polytechnikum, wo ich von Poesie Nichts als die Sauflieder von N. N. im Gedächtniß </p> </div> </body> </text> </TEI> [35/0041]
Mutter und Vater müssen ihr das als Erbtheil hinterlassen haben, daß sie das Weib der großen Gesichtspunkte ist. Sieh’, Schwester, Dich hat die Natur, hat das Schicksal unter andere Verhältnisse gestellt, aber auch Du würdest Dich auf die Keime der Größe verstehen! Nur das Weib hat Ahnung vom Weltzweck, nur das Weib hat Schwung und Seele; wir Männer – elend genug! – wir trocknen immer mehr zusammen. Nur das Unglück kann uns noch erheben. Ihr Götter, ich bitte Euch! Bewahrt meine gute Schwester vor dieser Zeitigung ihrer Größe; Genien Deiner Art bewähren sich nur im Kampfe mit dem Schicksal. Verzeihe mir, Schwester, was ich zuweilen Ungeziemendes gegen Dich gesprochen, wie vielleicht jetzt eben wieder!“
Martha mußte lachen. Sie sagte vor sich hin: So lauteten immer seine Briefe, wenn er Geld haben wollte! Er wird doch nicht –? unterbrach sie ihr Selbstgespräch und sah auf die letzte Seite. Dann fuhr sie fort:
„Meine Edwina sieht zu Dir empor! Wenn sie auch weiß, daß Du sagtest, sie würde mich nur in ihre Netze verstricken! O, Schwester ja, diese Netze sind da, aber sie sind goldne! Wüßte ich mehr von der verdammten alten Mythologie und von Armida von Gluck und Ariost – verwünschtes Polytechnikum, wo ich von Poesie Nichts als die Sauflieder von N. N. im Gedächtniß
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